Erstmals seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie stattete eine Politikerin dem Tirschenreuther Walzenhersteller Hamm einen Besuch ab. Anna Toman, schulpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, besuchte mit drei Begleitern das Unternehmen. Sie informierte sich über die Ausbildungsmöglichkeiten bei Hamm, wobei ihr vor allem der weibliche Nachwuchs wichtig war.
Kritik an Bildungspolitik
Beim Meinungsaustausch mit Personalchef Udo Kasseckert, Marketingleiter Gottfried Beer und Ausbildungsleiter Josef Dill, übte Toman Kritik an der bayerischen Bildungspolitik. Josef Dill monierte zunächst: "Viele der Bewerber können nicht richtig rechnen und schreiben, ja selbst nicht mal gescheit lesen." Anna Toman meinte dazu: "Es wird immer gesagt, dass Bayern ,Bildungsland' sei, doch wir hängen bildungsmäßig meilenweit hinten dran." Dies bestätigte sich jetzt auch in Corona-Zeiten. Ein Beispiel sei die Digitalisierung der Schulen, die stiefmütterlich behandelt werde.
Anna Toman warb dafür, dass sich auch Frauen in Männerberufe wagen sollten. Vorurteile und Klischees seien hier fehl am Platz. Die Grünen-Politikerin setze sich dafür ein, dass sich Mädchen für technische Berufe interessieren. Zudem stellte Toman fest, dass das Betriebsklima besser ist, wenn Frauen gemeinsam mit Männern arbeiteten würden. Gleichwohl sprach sie sich dafür aus, dass sich Jungen in sozialen Berufen versuchen. Mit Frauen in technischen Berufen habe Hamm nur gute Erfahrungen gemacht, erklärte Personalchef Kasseckert. Anna Toman unterhielt sich während ihres Besuchs mit jungen weiblichen Auszubildenden über deren Motiv, einen technischen Beruf zu erlernen.
Marketingleiter Gottfried Beer betonte, dass die Firma Hamm ein sehr nachhaltiges Unternehmen sei. So habe Hamm als erste Walzenfirma der Welt eine Hybrid-Walze auf den Markt gebracht. Er wies darauf hin, dass zwar der Neubau von Straßen weniger werde, jedoch die Instandsetzung zunehme. Besonders hier seien Hamm-Walzen weltweit gefragt. Infrastruktur sei auch ein Thema in der Lehrlingsausbildung, so Udo Kasseckert. Der Personalchef erklärte, dass Hamm jedes Jahr im Schnitt rund 15 Auszubildende einstelle. Der Bedarf werde hauptsächlich mit jungen Menschen aus dem östlichen Landkreis abgedeckt. Denn wegen des schlechten öffentlichen Nahverkehrs sei es schwierig, Auszubildende aus dem Landkreisen Neustadt oder Wunsiedel zu bekommen. Toman forderte diesbezüglich den Landkreis auf, ein vernünftiges System für Arbeitspendler aufzubauen, das kompatibel mit den Arbeitszeiten sei. Es sei fatal, dass Jugendliche eine Ausbildungsstelle nicht antreten könnten, weil sie nur schwer zum Arbeitsplatz kommen.
Suche nach Lehrlingen schwieriger
Derzeit seien zwar alle Ausbildungsstellen besetzt, aber die Suche nach Lehrlingen werde zunehmend schwieriger, so Kasseckert. Für 2021 habe man weniger Bewerber als in den Vorjahren. Der Personalchef brach eine Lanze für Betriebspraktika, denn hier könnten die Bewerber zeigen, was sie können. "Dank dieser Praktika haben wir schon junge Leute eingestellt, die von den Noten her keine Chance gehabt hätten, aber durch ihr handwerkliches Geschick überzeugten."
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