Tirschenreuth
05.07.2019 - 17:11 Uhr

Wegen sexueller Nötigung vor Gericht

Wegen sexueller Nötigung sitzt ein 25-Jähriger auf der Anklagebank vor dem Schöffengericht in Tirschenreuth. Nach turbulenter Verhandlung und darauffolgendem Rechtsgespräch stellt Richter Thomas Weiß das Verfahren ein.

Symbolbild Bild: Peter Steffen/dpa
Symbolbild

Eine WhatsApp-Sprachnachricht, die Anwalt Stephan Müller während der Verhandlung als neuen Beweis einbrachte, lenkte das Verfahren plötzlich in eine ganz andere Richtung. Vorher hatte noch Staatsanwalt Peter Frischholz in seiner Anklageschrift den Vorwurf der sexuellen Nötigung dargelegt.

Dabei drehte sich alles um einen Vorfall Anfang September 2018 in einer Disco in der Kreisstadt. Dort habe ein 25-Jähriger eine junge Frau (24) - beide aus dem Landkreis Tirschenreuth - stark bedrängt. Die Rede war von einem Zungenkuss, obwohl diese keine intimen Handlungen wollte. Zudem habe er sie am bekleideten Gesäß und an der bekleideten Brust angefasst. Der Angeklagte habe geäußert, "dass er sie hübsch finden würde und mit zu sich nach Hause nehmen und ficken wolle". Beide seien auch zu Boden gefallen. Die 24-Jährige habe später multiple Hämatome an beiden Beinen und eine Schürfwunde an der linken Schulter gehabt.

Der 25-Jährige sagte aus, dass er vor dem Discobesuch schon einige Bier getrunken hatte und dann nur noch Schnaps. "Ich war schon gut betrunken. Konnte nicht mehr gut stehen und das Reden war auch schwierig", fasste er seinen Zustand zusammen. Die 24-Jährige kenne er schon über sechs Jahre. 2018 sei er mit ihrem Ex-Freund öfter unterwegs gewesen. "Das hat ihr nicht gepasst", vermutetete der junge Mann.

In der Disco habe er die 24-Jährige seit langer Zeit wieder einmal getroffen. "Ich wollte mit ihr eigentlich nichts mehr zu tun haben, da wir zerstritten waren." Er erinnere sich, dass sie ihn geküsst habe. Außerdem habe es "definitiv keinen Zungenkuss gegeben". Da er betrunken war, seien sie danach gestürzt. "Für mich war das alles harmlos."

"Komisches Verhalten"

Sein Rechtsanwalt Stephan Müller brachte plötzlich eine WhatsApp-Sprachnachricht ins Spiel. Diese hatte ihm im April die Mutter des Angeklagten weitergeleitet. Die Aufnahme hatte die Geschädigte im Raucherbereich der Disco aufgenommen, als sie sich mit dem 25-Jährigen unterhielt.

Über das Vorgehen des Anwalts war Staatsanwalt Peter Frischholz nicht erfreut. "Das ist aber ein komisches Verhalten", empörte er sich. Es sei doch sehr ungewöhnlich, dieses Beweisstück erst jetzt vorzulegen, stimmte Richter Thomas Weiß zu. Das sah Müller anders. Der Anwalt verwies darauf, dass Polizeibeamte das Handy der Geschädigten sichergesellt hatten. "Aber offenbar haben sie es nicht richtig ausgewertet."

Auf der über zweiminütigen Aufnahme war zu hören, wie die Frau den 25-Jährigen immer wieder fragt, was er den heute noch gerne mit ihr machen wolle. Dabei gibt der deutlich betrunkene junge Mann an, dass er sie mit zu sich "nach Hause nehmen will und dann ficken will".

"Die Sache hört sich wie ein Verhör an", stellte Frischholz nach dem Abspielen der Sprachnachricht fest. Noch einmal kritisierte er das Vorgehen des Anwalts: "Es geht um die Art und Weise, diese Datei erst heute vorzulegen. So hätte man anders ermitteln und vielleicht den Prozess abwenden können."

Die 24-Jährige hatte offenbar die Aufnahme noch in derselben Nacht an ihren Ex-Freund weitergeleitet. Und dieser hatte die Nachricht dem Angeklagten weitergeleitet. "Er schrieb mir, 'was der Scheiß soll'. Es war ein reiner Racheakt von ihr, weil mein Kumpel immer mit mir etwas gemacht hat", vermutetete der 25-Jährige. Sein Bruder habe die junge Frau eine Woche später in der Disco getroffen. Dabei seien Sätze wie "Jetzt habe ich es ihm richtig gegeben" gefallen. Außerdem habe sie seinem Bruder gefragt, "ob er auch eine Anzeige wegen Vergewaltigung haben will".

Vor Gericht erzählte die 24-Jährige, dass sie sich von ihrem Freund im Februar 2018 getrennt habe. Die beiden haben ein gemeinsames Kind. Die junge Frau gab an, dass sie schon immer der Meinung war, dass der Angeklagte "kein guter Umgang" für ihren Freund sei. "Deswegen hat es immer wieder Streit gegeben."

In der besagten Disconacht, sei der 25-Jährige auf sie zugekommen. Im Raucherbereich habe er wissen wollen, warum sie sich von ihrem Freund getrennt habe. "Und er hat Andeutungen gemacht, dass er mich mit nach Hause nehmen will. Das habe ich aber nicht ernst genommen." Danach hab er sie an den Zaun gedrückt und einen Zungenkuss gegeben. Sie könne sich aber nicht detailliert erinnern, "wo er mich angefasst hat".

Zweifel an Zeugin

Später sei der junge Mann noch einmal zu ihr gekommen und habe sich neben sie gesetzt. Dieses Gespräch nahm sie per Sprachnachricht auf, "um meinem Ex-Freund zu zeigen, wie sein Kumpel wirklich ist". Da sie am nächsten Tage die blauen Flecken am Oberschenkel gesehen hatte, habe sie sich entschlossen zur Polizei zu gehen. "Denn ein Mann sollte ein Nein akzeptieren."

Richter Thomas Weiß griff die Aussage des Staatsanwalts auf und bezeichnete die Aufnahme auch als "Strafverhör". Sie habe immer wieder nachgebohrt. "Das sehe ich nicht so. Er hat oft genug gesagt, was er mit mir machen möchte", erwiderte die 24-Jährige. Für Peter Frischholz stand aber fest, dass "eine Nüchterne von einem Schwerbetrunkenen etwas herauskitzeln wollte".

Nach einem Rechtsgespräch zwischen Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwalt war der Prozess beendet. "Das Verfahren wird eingestellt", verkündete Weiß. Nach der bisher durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Befragung der Geschädigten, sei eine sexuelle Nötigung nicht nachweisbar. Die sexuelle Handlung, die sie bei der Polizei ausgesagt hatte, habe sie bei der Vernehmung vor Gericht nicht mehr wiedergeben können. "Es bestehen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin", schloss Weiß seine Ausführungen.

 
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