Tirschenreuth
08.02.2019 - 17:01 Uhr

"Er will immer der Erste sein"

In der vergangenen Saison kämpfte der Zwölfjährige Gymnasiast Mark Nagiba in neun Judo-Turnieren - fast immer stand er auf dem Treppchen. Stolz auf seinen Champion ist Vater und Trainer Alexander.

Judo-Training beim ATSV Tirschenreuth. Bild: szl
Judo-Training beim ATSV Tirschenreuth.

Alexander Nagiba macht seit seinem 15. Lebensjahr Judo. Der 46-jährige Kinderarzt aus der Ukraine trainierte zunächst vier Jahre lang "Sambo" an einer Jugendsportschule - die russische Variante des Judo. Das heißt so viel wie "Kämpfen ohne Waffen". "Die Regeln sind fast die gleichen", erklärt Nagiba. In seine Fußstapfen tritt Mark, einer seiner drei Söhne. Die Sportskanone begann mit sechs Jahren mit Judo und Gymnastik. Auch andere Sportarten liegen dem Zwölfjährigen. "Er hatte täglich irgendein Training", sagt Alexander Nagiba und lacht.

Mark übt mit anderen Kindern im Ju-Jutsu-Kursraum in der Mittelschul-Turnhalle Wurf- und Falltechniken, Haltegriffe und Bodentechniken. Er trägt den grünen Gurt, aber das ist ihm nicht wichtig. Bedeutender sind Siege gegen ältere, größere, kräftigere Gegner seiner Altersklasse. Mindestens dreimal die Woche trainiert er mit anderen Kindern oder mit seinem Vater, der gleichzeitig sein Trainer ist. Der Fleiß zahlt sich aus: Der Sechstklässler kämpft in der U 13-Altersklasse und stand bei neun Turnieren im vergangenen Jahr fast jedes Mal auf dem Treppchen.

"Einfach vorbeikommen"

Die Akademikerfamilie mit insgesamt sechs Kindern floh 2015 vor dem Krieg aus der ukrainischen Heimatstadt Donezk zuerst nach Regensburg und landete dann im Stiftland. Die Nagibas haben sich schnell integriert und fanden viele Freunde.

Vater Alexander suchte aktiv nach einem Kampfverein und fand den ATSV. "In der Umgebung gibt es ja nicht so viel." Nagiba schrieb eine E-Mail an Trainer Gunter Wührl, der prompt antwortete: "Einfach vorbeikommen." "Sie haben nur eine Plattform gebraucht", so Wührl. Innerhalb des ATSV gibt es neben der Sparte Kickboxen und Ju-Jutsu mittlerweile auch besondere Formen wie "Brazilian Jiu Jitsu". Bald auch Judo. Denn mittlerweile haben auch weitere Kinder Interesse an dieser Kampfkunst. Nach mehreren Jahren Pause steigen die Nagibas wieder in den Judo-Sport ein. "Er fand es erst langweilig, Fußball machte ihm mehr Spaß", meint der Vater. "Mark ist geboren, um zu gewinnen", sagt der 46-Jährige über seinen Sohn. "Egal welcher Sport, er will immer der Beste, der Erste sein." Tischtennis, Turnen, Fußball: Der Gymnasiast ist in jeder Disziplin sehr gut, sagt Nagiba. Allerdings findet er, dass Mark nur dann der Beste sein kann, wenn er sich auf eine Sportart konzentriert. Weil der Kinderarzt Kampfsport liebt, empfiehlt er dem Sechstklässler Judo. "Er mag den Wettkampf", sagt Nagiba. Der Vorteil sei, dass man sich auf seine eigenen Kräfte, sein eigenes Können verlassen kann. Beim Teamsport wie Fußball müsse man auf zehn andere Leute vertrauen, egal ob diese gut oder schlecht trainiert sind.

Motivieren, nicht drängen

Als der 46-Jährige seinen Sohn auf Wettkämpfe mitnahm, war der Funke übergesprungen. Erst recht, als der Zwölfjährige selbst bei einigen Wettkämpfen angetreten war. Der Ehrgeiz und die Motivation waren geweckt. "Er hat in eineinhalb Jahren viel gelernt und sich immer verbessert", erklärt Vater Alexander. Er fragt seinen Sohn oft: "Ist das mein Wunsch oder deiner?" Er möchte ihn zu nichts drängen, wohl aber motivieren. Doch Mark möchte sich messen. Nagiba selbst fährt mittlerweile meist nur auf Wettkämpfe, die sein Sohn bestreitet. "Ich brauche meine Konzentration in der Arbeit und beim Deutsch lernen." Die Meisterschaften staffeln sich nach Gebiet: Oberpfalz, Nordbayern, Bayern, Süddeutschland und Deutschland. Erreicht der Sportler in seiner Altersklasse einen gewissen Rang, qualifiziert er sich damit für die nächsthöhere Stufe.

Aus der Ukraine zum Turnier

Ein Höhepunkt der vergangenen Saison war für Mark Nagiba der erste Platz bei den Oberpfalzmeisterschaften in der Klasse männlich U 15 bis 34 Kilogramm. Durch weitere Platzierungen bei den Nordbayerischen und Bayerischen Meisterschaften erhielt der Junge die Startberechtigung für die Süddeutschen Judo-Einzelmeisterschaften. Dann der Schreck: "2018 wurde der Asylantrag der Familie abgelehnt. Sie mussten Ende Oktober ausreisen", erzählt Gunter Wührl. Weil allerdings noch im November Marks Wettkampf in Pforzheim ausstand, flogen Vater und Sohn von der Ukraine nach Stuttgart und reisten weiter nach Pforzheim sowie danach wieder zurück in die Ukraine. "Schlussendlich hat Alexander einen Arbeitsvertrag bekommen und konnte mit seiner Familie Ende 2018 wieder einreisen", atmen auch die Vereinsfreunde auf.

Für die teilweise weiten Wettkampf-Reisen unterstützt die Ju-Jutsu-Abteilung des ATSV die Nagibas. "Damit sich die Kosten einigermaßen decken", sagt Wührl. "Anders wäre es für uns nicht machbar", ist Nagiba dankbar. Auch für dieses Jahr stehen Dutzende Wettkämpfe an. Gerade bereitet sich Mark auf einen Kampf im Februar vor.

Um sich weiter zu verbessern, versucht Nagiba auch andernorts passende Trainingspartner für Mark zu finden. "Um sich weiterzuentwickeln, muss man mit besseren, größeren und kräftigeren Sportlern trainieren." Aber es ist schwierig, gute Kampfpartner zu finden. Bis eine Lösung gefunden ist, trainieren Vater und Sohn gemeinsam.

Judo-Training. Bild: szl
Judo-Training.
Judo-Training. Bild: szl
Judo-Training.
Judo-Training. Bild: szl
Judo-Training.
Judoka Laura, Trainer Alexander Nagiba, Mark Nagiba und Gunther Wührl. Bild: szl
Judoka Laura, Trainer Alexander Nagiba, Mark Nagiba und Gunther Wührl.
Information: :

Die ATSV-Abteilung Kickboxen und Ju-Jutsu gibt es seit über 30 Jahren. Angefangen hatte alles mit Karate. Die Sparte entwickelte sich weiter mit Kickboxen, 1995 kam dann Jujutsu dazu. „Wir geben die Basis für verschiedene Arten“, sagt Trainer Gunther Wührl. Zum „Brazilian Jiu Jitsu“ kommt durch die Nagibas bald auch Judo dazu.

Die ATSV-Abteilung Kickboxen und Ju-Jutsu:

 
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