Tierfreunde retten ein Spatzenküken und ziehen es auf

Trebsau bei Bechtsrieth
04.07.2022 - 11:18 Uhr
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"PiepPiep" ist fort. Das ist zum Weinen. Aber das war das Ziel. Dass der junge Spatz Anschluss an seinesgleichen findet – und nicht mehr zurückkehrt in sein Nest im Hause Spanl. Dort wurde er als Küken von Hand aufgezogen.

„PiepPiep“, der Name steht schnell fest. Schließlich gibt das halbnackte Vogelküken, das Stefan Spanl aus der Markise auf dem Balkon geborgen hat, lautstark unablässig nur diesen typischen Laut von sich. Zwei Wochen lang lässt sich "PiepPiep" von Sandra und Stefan Spanl in Trebsau aufpäppeln, nun ist er nach einem zweiten Auswilderungsversuch erstmals nicht mehr heimgekommen.

Aber der Reihe nach: Eines Tages liegt auf der Markise der Spanls ein winziges Vögelchen in der prallen Sonne. Stefan Spanl klettert hinauf und holt es herunter. Es ist offenbar von weiter oben am Dach aus einem Nest gefallen. Spanls setzen den Winzling in einen Karton, sind sich sicher, dass die Vogeleltern in Kürze auftauchen und sich kümmern werden. Denn der Kleine piept, so laut er kann. Aber die Vogeleltern bleiben weg. Und "PiepPiep" schreit sich die Seele aus dem Leib vor Hunger.

Kleiner Vogel Nimmersatt

Spanls sind nur kurze Zeit ratlos, dann holen sie ihn ins Haus, bauen ihm ein kleines Nest und machen sich im Internet schlau, was so ein kleiner Vogel frisst. Insekten natürlich. Aber woher Insekten nehmen? „Wir haben an dem Abend alles erschlagen, was wir gefunden haben“, sagt Sandra Spanl. In ihrem Hundesalon neben dem Haus öffnen sie die Fenster und machen das Licht an, um Mücken anzulocken. Mit einer Pinzette reichen sie dem Vögelchen dann, was sie erbeutet haben, und das frisst alles, was man ihm vorhält. Endlich hört es auf zu schreien. Spanls sind froh, dass das so gut klappt. Jetzt ist das Tierchen da, jetzt soll es auch überleben. Zu dem Zeitpunkt wissen sie noch nicht, worauf sie sich einlassen.

Video: Das ist "PiepPiep"

Am nächsten Morgen um fünf Uhr legt "PiepPiep" wieder los. Brüllt nach der nächsten Ladung Mücken und Insekten. Wieder Mücken fangen? Stefan Spanl erinnert sich an einen Automat in Schirmitz, aus dem Angler Maden ziehen können. Um halb sechs fährt er nach Schirmitz, holt Maden für "PiepPiep".

So geht es die nächsten Tage weiter. "PiepPiep" schreit im 20-Minuten-Takt. Spanls erfahren am eigenen Leib, welche Schwerstarbeit ein Vogelpaar leistet, um die Brut satt zu bekommen. Wobei sie im Gegensatz zu diesem die Insekten jetzt in einem Zoogeschäft kaufen, Heimchen und Mehlwürmer. Die Heimchen, eine Grillenart, dürften sie aber nur ohne Beine füttern, wird ihnen gesagt. Sandra Spanl ist entsetzt: „Dem Vogel will ich helfen, und dafür soll ich jetzt den Heimchen die Beine ausreißen? Das kann ich nicht.“ Es ist nicht ganz so grausam: Man legt die Heimchen ins Gefrierfach, dort sterben sie sehr schnell, und die Beine fallen von selbst ab.

Heiß auf Streicheleinheiten

Nach wenigen Tagen wird sichtbar, dass es sich bei dem Vögelchen um einen Spatz handelt, der etwa drei bis vier Tage alt war, als er in die Markise fiel. Für Sandra und Stefan Spanl steht von Anfang an fest, dass "PiepPiep" wieder in die Freiheit soll, sobald er dazu in der Lage ist. Aber er wird vollkommen handzahm, schmiegt sich nach dem Fressen in die Hand, will gestreichelt werden, fordert das Streicheln sogar ein, sobald man aufhört, drückt sich in Ellenbeugen. Und Spanls zweifeln, ob dieser Vogel je allein in Freiheit zurechtkommen wird. Dennoch unternehmen sie in den kommenden zwei Wochen alles, um ihn zu lehren, was ein wilder Vogel können und wissen muss. Sie sehen sich unzählige Videos im Netz an, sprechen mit Bekannten, die Vögel züchten. Wann immer möglich, darf "PiepPiep" in verschiedenen Räumen fliegen, denn wegen mehrerer Hunde im Haus muss er sonst in einem Käfig bleiben.

Ein erster Auswilderungsversuch nach zehn Tagen scheitert. "PiepPiep" fliegt zwar am frühen Morgen weg, taucht aber abends wieder auf und geht nicht mehr. Spanls wissen, dass er besser wegbliebe, sind aber unter Tränen überglücklich: „Der ,PiepPiep‘ ist wieder da!“ Völlig ausgehungert und durstig ist er, es war wohl noch zu früh für das Auswildern.

"Jetzt kann er alles"

Also wird weiter geübt. Sandra Spanl hängt ihm zum Beispiel einen Ast mit feuchten Blättern in den Käfig, damit er lernt, den Tau aufzunehmen. Auf verschiedenen Untergrundarten legen sie ihm Futter hin, damit er selbst fressen lernt. Eine Woche später sagt Sandra Spanl: „Jetzt kann er alles.“

Am vorvergangenen Wochenende dann der zweite Auswilderungsversuch. "PiepPiep" fliegt fort und ist abends wieder da, fliegt in seinen Käfig und legt sich in sein Nest. In den nächsten Tagen kommt er zum Fressen zurück, aber Spanls merken, dass er es eilig hat, dass er nur noch zum Fressen kommt. Und dann beobachten sie zu ihrer großen Erleichterung, dass er Anschluss gefunden hat. Er kommt nicht mehr allein, in der Nähe halten sich andere Spatzen auf. Seit Donnerstag ist "PiepPiep" nicht mehr nach Hause gekommen. Spanls sind sich sicher, dass er zu der Spatzenschar gehört, die immer wieder zu sehen ist. Aber sie erkennen ihn nicht mehr unter all den anderen Spatzen. Zum Weinen, aber wunderschön.

Hintergrund:

Der Feldsperling (Passer montanus)

  • bis 14 Zentimeter groß
  • Ganzjährig zu beobachten
  • in Randbereichen von Siedlungsräumen, Wäldern und Feldern zu Hause
  • Heute unvorstellbar: Im 19. Jahrhundert gab es eine Spatzensteuer von 20 Spatzenköpfen, da sie als Schmarotzer galten, die den Menschen die Samen auf den Feldern wegfressen. (Quelle: NABU)
 
 

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