Vilseck
05.11.2024 - 11:25 Uhr

An den Gräbern in der alten Heimat in Haag und Langenbruck gebetet

Alljährlich zu Allerseelen besuchen zahlreiche Menschen ihre alte Heimat sowie die Friedhöfe im Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Bei dieser Gelegenheit werden die Gräber gesegnet.

Viele Jahre kümmerte sich der Vorsitzende des inzwischen aufgelösten Kriegervereins Sorghof, Werner Stubenvoll, um die alljährlichen Fahrten zur Gräbersegnung in den Truppenübungsplatz. Nach dessen Tod vor wenigen Wochen organisiert künftig die Vereinsgemeinschaft Sorghof (VGS) diese Gräbersegnung.

Es mag am schönen Herbstwetter gelegen haben, dass heuer erstmals wieder ein zweiter Bus eingesetzt werden musste, um die rund 90 Teilnehmer zu den Friedhöfen im militärischen Sperrgebiet zu bringen. VGS-Sprecher Wilhelm Ertl jedenfalls freute sich über das rege Interesse. Sein besonderer Gruß galt vier betagten Ehrengästen, allesamt gebürtige Haager, die es sich nicht nehmen ließen, ihrer alten Heimat einen Besuch abzustatten: Paul Zeilmann (92 Jahre), Adolf Zeilmann (90), Elfriede Schießl (87) und Ludwig K. Walter (86).

Walter war der letzte, der in Haag zur Welt kam und dort getauft wurde. Zusammen mit seiner bereits verstorbenen Frau Elisabeth Walter verfasste er im Jahr 2012 das Nachschlagewerk „Haager Chroniken“. Vilsecks Bürgermeister Hans-Martin Schertl überreichte das Stadtwappen in Glas an Ludwig K. Walter, der die Geschichte seiner Heimat wissenschaftlich aufgearbeitet hat.

Während der Busfahrt erzählten Franz Zeilmann und Andreas Kreuzer, beide Mitarbeiter der Pressestelle der US-Garnison Bavaria, viel Wissenswertes um das aktuelle Geschehen im Südlager Vilseck und auf dem Trainingsgelände. Der Vilsecker Bürgermeister Hans-Martin Schertl erinnerte in seiner Ansprache an die geschichtlichen Ereignisse vor 86 Jahren. Im Jahr 1938 wurde nach seinen Angaben der einstige königlich-bayerische Truppenübungsplatz in Grafenwöhr nach Westen erweitert. "780 Familien mit über 3500 Menschen aus 58 Orten und Weilern mussten ihre vertraute Heimat verlassen, darunter auch die Bewohner der Ortschaften von Haag und Langenbruck", sagte Schertl. Viele von ihnen hätten in Sorghof und Wolfskofen (Landkreis Regensburg) eine neue Heimat gefunden.

„Haag war ein sehr schön gebautes Dorf, das beinahe kleinstädtischen Charakter hatte“, schrieb Eckehart Griesbach in seinem Buch „Truppenübungsplatz Grafenwöhr – Geschichte einer Landschaft“. Die alte Haupt-, Heer- und Handelsstraße, die Reichsstraße 85, führte mitten durch den Ort und war die Lebensader. Geblieben sind vom einst stolzen Haag noch der Straßenverlauf, Mauerreste, Kellergewölbe, ein Gedenkstein am Platz der Kirche St. Veit und der alte Friedhof, der im Jahr 1614 dort erbaut wurde.

Der Haager Gottesacker wurde 1992 von Arbeitern der Bundeswehr und unter Mithilfe des Bundesforstes und der US-Armee generalsaniert. Die oft kunstvoll und reich verzierten Grabsteine stammen zum größten Teil aus der Zeit vor 1900 und sind überwiegend aus Sandstein gefertigt.

In einem Gedicht beschrieb der damalige Haager Heimatdichter Erhard Trummer den schmerzlichen Abschied im Jahr 1938: „Unsere Augen stehen voll Tränen, unser Herz, es schlägt so still, wenn wir an den Abschied denken, achtunddreißig im April.“ Das Gedicht schließt mit den Worten: „Wenn wir ferne sind und weit, wer wird denn am Grabe beten zur Allerseelenzeit.“

Diese Frage beantworteten die Besucher und Nachfahren der „Hoocher“ mit ihrem Gebet und dem Innehalten an den historischen Gedenkstätten. Pater Jimmy Joseph sprach Gebete, Vorbeter Otto Sertl trug Fürbitten vor und der Geistliche segnete die letzten Ruhestätten. Bürgermeister Schertl legte eine bepflanzte Schale mit Erinnerungsband an den Kreuzen der Friedhöfe nieder.

Der Friedhof Langenbruck im Südlager Vilseck wurde 1932/33 erbaut. In den 1960er-Jahren bewahrte der damalige US-Sergeant Abraham mit viel Eigeninitiative die Gedenkstätte vor dem Verfall. Im Vorjahr wurde der Friedhof durch Personal der amerikanischen Standortverwaltung (DPW) instandgesetzt. Karlheinz Mörlein, dessen Großvater aus der früheren Ortschaft Bernhof stammte und der hier seine letzte Ruhestätte fand, hatte die Aktion initiiert. Ein zweigeteilter Granitstein mit einem Kreuz am ehemaligen Standort der Langenbrucker Kirche St. Wolfgang weist neben dem Friedhof noch heute auf die Ortschaft hin.

 
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