Vilseck
19.12.2018 - 08:00 Uhr

Zurück aufs Land!

Ein Regensburger Kulturwissenschaftler über "Heimat" und was junge Menschen dazu bewegt, die großen Metropolen zu verlassen

Zum Wohl, Oberpfalz - Heimat ist ein Lebensgefühl. Der aus Vilseck stammende Kulturwissenschaftler Dr. Manuel Trummer versucht es näher zu ergründen. An der Universität Regensburg gibt er ein Seminar zum Thema "Zurück aufs Land". Bild: exb
Zum Wohl, Oberpfalz - Heimat ist ein Lebensgefühl. Der aus Vilseck stammende Kulturwissenschaftler Dr. Manuel Trummer versucht es näher zu ergründen. An der Universität Regensburg gibt er ein Seminar zum Thema "Zurück aufs Land".

"Arbeiten dahoam - Heimkehren in die Oberpfalz" lautet der Titel dieser Beilage. Doch was ist "Heimat" überhaupt? Wo punkten Land, Klein- und Mittelstädte gegenüber großen Städten? Dr. Manuel Trummer von der Uni Regensburg geht mit Studierenden dieser Frage nach und hofft auf Erkenntnisse, die Rückschlüsse für die Oberpfalz zulassen.

ONETZ: Herr Trummer, Sie sind promovierter Kulturwissenschaftler und setzen sich als Habilitand an der Universität Regensburg mit dem Thema „Heimat“ auseinander. Was bedeutet der Begriff für Sie – aus Sicht des Theoretikers, aber auch persönlich?

Dr. Manuel Trummer:: Abstrakt formuliert hat Heimat eine soziale und eine räumliche Komponente. Es ist der Raum, in dem man die Menschen gut kennt, in dem man biografisch verwurzelt ist. Der Begriff trägt selbstverständlich ebenso eine kulturelle Komponente in sich. Dabei geht es um bestimmte Normen und Verhaltensweisen. Heimat ist dann unverwechselbar. Ein starkes "Mia san mia"-Gefühl kann aber Ausgrenzungstendenzen herbeiführen. Ich favorisiere daher einen "inklusiven Heimatbegriff", der keine Grenzen zieht, sondern nach der eigenen Verwurzelung fragt, aus der man Kraft ziehen kann. Persönlich verstehe ich mich in erster Linie als Europäer , dann als Bayer und schließlich als Vilsecker, woher ich stamme. Wenn ich an Heimat denke, denke ich an meine Kindheit und Jugend, an unser "Brunnenfest" hier, ans Bratwurstessen bei der Kirwa. Jeder kennt sich, ist Teil davon.

ONETZ: Der ländliche Raum ist also trotz des demografischen Wandels attraktiv?

Michael Trummer: Ja, unbedingt. Schauen Sie sich Mieten und Immobilienpreise an. Ländliche Regionen können hier eine attraktive Alternative darstellen. Ein Faktor ist sicherlich auch die Naturnähe und der damit einhergehende Freizeitwert. Ein starkes Potenzial steckt daneben etwa in regionalen Produkten, regionaler Ernährung und Ähnlichem. Sie haben anders ausprägte soziale Netzwerke: Gerade die zwischenmenschlichen Beziehungen können ein Grund sein, aufs Land oder in kleinere Städte zu ziehen. Die Wege sind oft kürzer, das Betreuungsangebot für Kinder besser. Nehmen Sie mich. Ich wohne zurzeit mit meiner Frau noch in Regensburg. Wir haben ein kleines Kind. Ich arbeite an der Uni, sie pendelt nach Weimar. Im kommenden Jahr werden wir nach Vilseck ziehen, von wo ich herstamme. Wir wohnen dort wesentlich günstiger, die Mieten hier in Regensburg sind der Wahnsinn. In Vilseck zahlen wir nur einen Bruchteil davon. Und: Wenn wir in Vilseck aus dem Fenster schauen, sehen wir Natur. Natürlich müssen wir mobil sein. Ich bin aber relativ gut an meinen Arbeitsplatz in Regensburg angebunden, werde pendeln. Meine Frau kommt von Vilseck aus schneller nach Weimar. Dazu kommt, dass die Kosten und Verfügbarkeit der Kinderbetreuung hier wesentlich günstiger ausfallen als in Regensburg. Außerdem freue ich mich natürlich auf meine Freunde und Schulkameraden. Nach Zeiten in Berlin, München und Regensburg. Das umreißt schon einige typische Fragen, vor denen Berufstätige heute stehen.

ONETZ: Zugleich gibt es in Regionen wie der mittleren und nördlichen Oberpfalz viele interessante Arbeitgeber.

Michael Trummer: Absolut. Sie finden hier viele "Hidden Champions", große und kleine Unternehmen. Damit einhergehend entsprechende Karrieremöglichkeiten. Und auch die Digitalisierung eröffnet attraktive Optionen, in Regionen, die vor nicht allzu langer Zeit noch als Provinz belächelt wurden.

ONETZ: Mit der Frage nach den "Erfolgsfaktoren" für den "ländlichen Raum" beschäftigten Sie sich auch wissenschaftlich.

Michael Trummer: Ja, dieser Frage gehen wir in diesem und dem kommenden Semester in meinem Seminar "Zurück aufs Land" nach. Wir sehen uns den aktuellen Forschungsstand an und wollen daraus dann eigene Fragen entwickeln. Es geht darum, auf empirischem Wege herauszufinden, was junge, gut ausgebildete Menschen dazu bewegt, nach Ausbildung oder Studium aufs Land, in kleinere Städte, die alte Heimat zu ziehen. Daraus lassen sich Erfolgsfaktoren für die Region ableiten. Wenn es gut läuft, ergeben sich daraus verwertbare Erkenntnisse für Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft.

 
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