Die grundsätzliche Meinung der Stadträte zum Antrag der Grundschule war am Donnerstag in der ersten Sitzung des neuen Jahres schnell geklärt: An der Bildungseinrichtung soll künftig - wie schon an der Pfalzgraf-Friedrich Mittelschule - ein Sozialpädagoge fest eingesetzt werden.
Bereits im Juli 2019 hatte die Grundschule die Stadt darüber informiert, dass beabsichtig werde, an der Schule Jugendsozialarbeit (JaS) zu installieren und darum gebeten, einen entsprechenden Antrag beim Kreisjugendamt zu unterstützen. In der Begründung des Antrags heißt es unter anderem, es gebe "vielfältige erziehliche und soziale Probleme in den letzten Jahren, eine Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten und Delikten im Bereich Aggression, Mobbing und Diebstahl, eine Zunahme von Rempeleien und Handgreiflichkeiten im Pausenhof, im Schulhaus und den Schulbussen mit der Folge von Verletzungen, eine auffällige Zunahme von Eltern mit mangelnder Erziehungskompetenz mit zunehmender Hilflosigkeit bei auftretenden Problemen oder unangebrachten Überreaktionen durch Beschwerden."
Fälle von Verwahrlosung
Weiter wird in dem Schreiben auf "zunehmend respektloses Verhalten von Schülern gegenüber Mitschülern, Lehrern und Betreuern mit Beschimpfungen und Beleidigungen" hingewiesen. Im Jahr 2018/19 habe es aus diesem Grund 27 Mitteilungen, 7 Verweise und 3 Unterrichtsausschlüsse bis 4 Wochen gegeben. Außerdem sei die Zunahme von offener und verdeckten Fällen von Verwahrlosung zu beklagen.
In dem Antragsschreiben, das von Konrektorin und Stadtratsmitglied Dorit Schmid unterzeichnet wurde, sind die bisherigen Lösungsversuche aufgelistet. Dazu gehören: Besprechungen von allgemeinen Problemen im Klassenrat und in monatlichen Schulversammlungen, unendlich viele Einzelgespräche von Lehrkräften mit betroffenen Schülern und Eltern, Einbeziehung des Jugendamts, der Beratungslehrerin Evi Gleixner und der Beratungsrektoren Dieter Bauer und Hans Römer. Es würden Erziehungshilfen über das Jugendamt und der Caritas einbezogen. Auch der Arbeitskreis Asyl werde bei Problemen kontaktiert.
Schmid stellte in dem Antrag klar, dass sich Lehrkräfte und Schulleitung nicht ihrer pädagogischen Verantwortung entziehen oder sich diese abnehmen lassen wollen. Die Sichtweise der Jugendsozialarbeit könne aber bei der Lösung von Problemen in einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels helfen. Sollte das Projekt an der Grundschule nicht zustande kommen, befürchtet die Schulleitung eine Zunahme der Störungen und die Verschärfung des Konfliktpotentials. Das harmonische Miteinander und konfliktfreies Lernen würden stark beeinträchtigt.
Beängstigende Entwicklung
Bürgermeister Andreas Wutzlhofer schätzte die Lage insgesamt besorgniserregend ein. In der Sitzung meinte er: "Die Entwicklungen nehmen beängstigende Formen an, auch schon bei den Kleinsten sehen wir Erziehungsdefizite." Kämmerer Rainer Dötsch erklärte, dass der Antrag der Grundschule im Jahr 2019 vom Kreisjugendamt Neustadt/WN zunächst "auf Eis" gelegt worden sei. Zum damaligen Zeitpunkt sei eine Förderung der JaS an Grundschulen nur möglich gewesen, wenn unter den Schülern eine Migrationsanteil von mehr als 20 Prozent vorlag. Es sei zu erwarten, dass diese Förderrichtlinie nun entfällt.
Die Grundschule schickte im Juli 2020 einen aktualisierten Antrag an das Landratsamt. Mitte Dezember sei Dötsch vom Jugendamt darüber informiert worden, dass offenbar Stellen für die JaS vom Freistaat Bayern geschaffen worden seien. Der Jugendhilfeausschuss des Kreises werde sich im Februar nun mit der Thematik befassen. Dötsch erklärte, dass an der Mittelschule in Vohenstrauß bereits seit 2013 eine Sozialpädagogin beschäftigt sei. Die Kosten teilen sich Freistaat, Landkreis und Stadt Vohenstrauß.
Mittelschule mit sehr guten Erfahrungen
Dritter Bürgermeister und ehemaliger Mittelschulleiter Alfons Raab betonte, dass man an der Mittelschule mit der JaS sehr gute Erfahrungen mache. Vor allem "problembehaftete Schüler" würden davon profitieren. Die Investition würde sich auf alle Fälle auszahlen, "weil wir im schlimmsten Fall verhindern können, dass Kinder aus Familien herausgenommen werden müssen", so Raab. Stadträtin Ulrike Kießling schlug in die gleiche Kerbe und erklärte, dass sich auch am Sonderpädagogischen Förderzentrum die Arbeit eines Sozialpädagogen positiv auswirke.
Am Ende stimmten alle Räte für den Antrag. Angestrebt werde die Aufnahme der Jugendsozialarbeit an der Grundschule zum Beginn des Schuljahres 2021/22. Großen Dank richtete Stadträtin und Konrektorin Dorit Schmid an alle Stadtratsmitglieder: "Ich bin sehr, sehr glücklich, wenn die Schulfamilie der Grundschule von der Jugendsozialhilfe profitieren darf".
Jugendsozialarbeit an Grundschulen
Die bislang einzige Grundschule im Landkreis, die Jugendsozialarbeit (JaS) anbietet, ist die Bildungseinrichtung in Altenstadt/WN. Schulleiterin Doris Bodensteiner ist begeistert von der JaS und bezeichnet sie als "Segen für Schüler, Eltern und Lehrer".
- JaS an der Grundschule Altenstadt/WN seit Januar 2017 - auch wegen eines Migrationsanteils von über 30 Prozent.
- Zusätzliches Beratungsangebot bei Herausforderungen, Konflikten und Krisen im Alltag, in der Schule oder der Familie dar. Jugendsozialarbeiter unterliegen einer Schweigepflicht, Besprochenes wird stets vertraulich behandelt.
- JaS ist eine Leistung der Jugendhilfe wird vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert. Sie richtet sich an die Schülerschaft sowie an die Eltern, Erziehungsberechtigte und Lehrkräfte. Das Angebot ist freiwillig.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.