Auf den ersten Blick ist es nur ein "Stück im Stück". Doch "Der nackte Wahnsinn", der beim Kulturherbst in Vohenstrauß am Samstag eine bemerkenswerte Premiere feiert, hat viele weitere verschachtelte Inhaltsebenen. Mit Michael Frayns genialer Farce über eine Theatertruppe in der Endphase ihrer Proben treibt das Landestheater Oberpfalz (LTO) die Eigenarten und Klischees der Branche auf die Spitze - und seine Schauspieler dabei an ihre Grenzen.
Das Stück, das eine zweitklassige Schauspieltruppe auf die Bühne bringen will, ist eigentlich eine harmlose Boulevard-Komödie. Es knallen und klemmen Türen, wenn sich die Hausbesitzer, ein Pärchen beim Tête-à-Tête, die schrullige Haushälterin und ein Einbrecher zunächst auf wundersame Weise aus dem Weg gehen. Es gibt Verwicklungen, Wendungen, Teller mit Sardinen, die die Besitzer wechseln, und am Ende taucht noch ein Scheich auf. Das Übliche eben.
Zunehmende Abnutzung
Wären da nicht Rivalitäten, Liebeleien und die Bandbreite menschlicher Befindlichkeiten innerhalb der Company, die zunächst die Proben erschweren und spätere Vorstellungen nach deutlichen Abnutzungserscheinungen zu zunehmend absurden Katastrophen steigern.
Die LTO-Darsteller gehen einer außergewöhnlichen Ensembleleistung in Till Rickelts Inszenierung ein brutales Tempo, besonders im genialen zweiten Akt, den das Publikum in der Stadthalle aus der Backstage-Perspektive erlebt. Neben der "Aufführung" des Stücks aus dem Off leben die Darsteller zwischen den dazugehörigen Hintergrund-Aktionen ihre Animositäten aus und schaffen dabei auf der Bühne immer weitere Probleme.
Der persönliche Faktor
Wären zwei Rollen gleichzeitig nicht genug, wird im LTO-Ensemble (Johannes Lukas, Barbara Trottmann, Manuel Köhler, Mona Fischer, Claudia Lohmann, Doris Hofmann, Maximilian Hegner, Reinhard Kausler und Gerhard Kühner) noch eine weitere Ebene spürbar: Die persönlichen Erfahrungen der Schauspieler, die unwillkürlich einfließen, und den "Nackten Wahnsinn" so zum "Stück im Stück im Stück" machen. Und zu einem besonderen Theatererlebnis.
Weitere Termine: 21., 22. Oktober; 5., 6. November (alle Vohenstrauß); 4., 11. März Erbendorf); Karten: 09659/9310-0
„Der nackte Wahnsinn“: Drei Fragen an Regisseur Till Rickelt
ONETZ: Haben Sie in Ansätzen schon eine chaotische Produktion wie im Stück erlebt?
Till Rickelt: Es klingt verrückt, aber die meisten Parallelen zur Probensituation im ersten Akt hatten tatsächlich unsere eigenen Proben zum „Nackten Wahnsinn“: Man probt in viel zu kurzer Zeit ein absurd kompliziertes Stück, ist permanent nur damit beschäftigt zu klären, wo wann welche Sardinenteller stehen oder rausgebracht werden müssen, und andauernd geht irgendein wichtiges Requisit kaputt.
ONETZ: Was war nun das Besondere an den letzten Probentagen?
Till Rickelt: Der Regisseur Peter Zadek hat seine Rolle bei den Schlussproben einmal als die eines Generals beschrieben, der seine Truppen unter Beschuss möglichst unverletzt durch die gegnerischen Linien führen muss. Gerade bei technisch aufwendigen Produktionen ein überaus zutreffendes Bild. Ich habe mich ja lange nicht an das Stück herangetraut, weil mir bewusst war, dass die Anforderungen eigentlich nur mit Personal und Etat eines größeren Theaters gestemmt werden können. Dass wir es trotzdem geschafft haben, macht mich auch ein bisschen stolz.
ONETZ: War das Stück der ideale Schlusspunkt Ihrer LTO-Zeit?
Till Rickelt: Es gab vor dem Angebot aus Ravensburg ein Gedankenspiel, dass ich mich 2024 mit der Uraufführung des Maxhütten-Auftragwerkes vom LTO verabschiede, mit einem Projekt, das es vermutlich nicht so bald wieder geben würde. Trotzdem bin ich auch mit diesem Schlusspunkt sehr glücklich. (tos)
















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