Vier Frauen waren 1949 im Parlamentarischen Rat der Bundesrepublik Deutschland wesentlich daran beteiligt, dass die Gleichstellung der Geschlechter mit dem Satz „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“ im Artikel 3 im Grundgesetz aufgenommen wurde. Jetzt wird den vier Frauen eine Ausstellung mit dem Titel „Mütter des Grundgesetzes“ gewidmet. Eröffnet wurde die Schau des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Schloss Friedrichsburg, bevor sie vom 3. bis 31. Juli ins Heimatmuseum weiterwandert, um dann auch noch in Eschenbach und zuletzt in Weiden Halt zu machen. Damit werde durch den Einsatz von Elisabeth Selbert, Helene Weber, Frieda Nadig und Helene Wessel daran erinnert, dass es auch in der heutigen Zeit politisches Engagement braucht, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen. Frauen bekommen noch immer rund 21 Prozent weniger Bruttostundenlohn als Männer. Bürgermeister Andreas Wutzlhofer konnte dazu etliche Frauen aber auch einzelne Männer begrüßen, die sich mit den Lebensbildern der Frauen auseinandersetzten.
Stellvertretende Landrätin und Waidhauser Bürgermeister Margit Kirzinger, Pleysteins zweite Bürgermeisterin Andrea Lang, die Bezirksvorsitzende des Katholischen Frauenbunds Martha Bauer, und Moosbachs CSU-Ortsvorsitzende Erika Sauer setzten sich intensiv mit den vier Lebensbildern der Politikerinnen auseinander, nachdem die Referentinnen erst zu ihrem eigenen Werdegang ausführlich Stellung nahmen. VHS-Geschäftsführerin Erika Grötsch, die die Ausstellung zusammen mit der Stadt organisierte, informierte, dass vor 100 Jahren im Jahr 1919 die grundsätzliche staatsbürgerliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Weimarer Verfassung im Artikel 109 festgeschrieben wurde. Erst 30 Jahre später wurde die Gleichberechtigungszeile in der Verfassung beider deutscher Staaten aufgenommen. „Ohne das Engagement der vier Frauen und überparteiliche Zusammenarbeit hätte es den Artikel 3 in dieser Form nicht gegeben“, war Grötsch überzeugt. „Frauen können alles. Und wenn Frauen etwas Bahnbrechendes erreicht haben, ist es wichtig daran zu erinnern“, so die VHS-Geschäftsführerin. „Diese vier Mütter des Grundgesetzes legten 1949 den Grundstein in der Verfassung.“ Bis heute sind Frauen noch nicht in der politischen Gleichberechtigung angekommen. Nur etwa ein Viertel aller kommunalen Parlamentssitze sind von Frauen besetzt. In den kommunalen Führungspositionen sei es laut Grötsch noch gravierender. Nur etwa zehn Prozent der Rathäuser und Landratsämter werden von Frauen geführt. „Meine Damen, es gibt noch einiges zu tun“, appellierte sie an die Anwesenden.
Kirzinger hatte die ehrenvolle Aufgabe Frieda Nadig vorzustellen. Eine der bedeutenden Aussagen von ihr lautete: „Im Parlamentarischen Rat ist die deutsche Frau zahlenmäßig viel zu gering vertreten. Das Grundgesetz muss aber den Willen der Staatsbürger, die überwiegend Frauen sind, widerspiegeln.“ Nadig setzte sich energisch für die Aufnahme des Gleichberechtigungsartikels ein. Überdies kämpfte sie für eine gesetzlich verankerte Lohngleichheit von Männern und Frauen. Ein weiteres Hauptthema Frieda Nadigs war die Gleichstellung unehelicher und ehelicher Kinder. Die In Herford 1897 geborene Frieda Nadig verstarb am 14. August 1970 in Bad Oeyenhausen.
Bauers Steckenpferd ist der Frauenbund, dem sie nach eigenem Bekunden auch ihr politisches Engagement verdankt. „Die vier Frauen haben verdammt viel erreicht“, sagte sie mit Blick auf die „Mütter des Grundgesetzes“. Sie hatte sich Elisabeth Selber ausgewählt, die 1896 als Martha Elisabeth Rohde in Kassel geboren wurde. 1920 kritisierte sie als Delegierte in der Reichsfrauenkonferenz, „dass wir zwar die Gleichberechtigung von Frauen haben, diese aber nur eine papierene ist“. Die Lebenswirklichkeit von Frauen sah damals meistens anders aus und der Staat änderte daran nicht viel, unterstrich Bauer. Für ihre politische Tätigkeit stellte Selbert fest, fehlten ihr theoretische Grundlagen. So beschloss sie eine juristische Ausbildung, um politisch effizienter Wirken zu können. Im Selbststudium bereitete sie sich auf das Abitur vor, studierte Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Marburg und später in Göttingen und schloss nach sechs Semestern mit Auszeichnung ab. 1930 promovierte sie mit dem Thema „Ehezerrüttung als Scheidungsgrund“. Sie äußerte Kritik am Schuldprinzip, das Frauen bei Scheidung häufig rechtlos stellte. Selbert verfasste eine Reihe von Resolutionen, Briefen und Stellungnahmen und überzeugte mit ihren Mitstreiterinnen die Mitglieder des Parlamentarischen Rates, so dass am 18. Januar 1949 der Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verankert wurde. Am 9. Juni 1986 verstarb Elisabeth Selbert mit 90 Jahren in Kassel.
Ihre Gemeinsamkeiten mit Helene Weber arbeitete Lang akribisch heraus, auch wenn diese Berufspolitikerin war, was sich Lang für sich absolut nicht vorstellen kann. Helene Weber war eine Netzwerkerin und wurde 1881 in Elberfeld, dem heutigen Wuppertal geboren. Auch ihre große Leidenschaft sei wie die von Weber, Kontakte knüpfen, pflegen und gnadenlos einsetzen, wenn es für die Belange ihrer Stadt, des Landkreises und der Bürger gehe. Auch sie stehe genau wie Helene Weber zu ihren Überzeugungen, jedoch nicht kompromisslos und stur. Um „die Eigenart und die Würde der Frau“ zu berücksichtigen, sprach sich Helene Weber ergänzend dafür aus, Frauen bestimmte Vorrechte zu sichern. Parteiübergreifend arbeitete sie mit den anderen Frauen zusammen, setzte sich unter anderem für Lohngleichheit ein, die sie verfassungsrechtlich verankert haben wollte. Nach dem Krieg gehörte Helene Weber dem ersten Landtag in Nordrhein-Westfalen als Abgeordnete der CDU an. „Es gibt in der Politik, wie überall zwischen Mann und Frau, eine Partnerschaft“, das war ihre tiefe Überzeugung und sie hat sich den Respekt in der männlich dominierten Welt erkämpft. Mit 81 Jahren verstarb sie 1962 in Bonn.
„Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie Männern überlassen könnte“, zitierte Erika Sauer die ehemalige Bundesarbeitsministerin Käthe Strobel. Sie selbst stamme aus einem sehr politischen Haus und kam schon sehr jung zur Politik. Es sei Fügung, dass sie Helene Wessel, die auch „die Unbequeme“ bekannt ist, vorstellen dürfe. Hauptthema der in Dortmund geborenen Helene Wessel war die Diskussion um den Normenkomplex von Ehe und Familie. Zentrales Anliegen war ihr die Festschreibung des Schutzes für Ehe und Familie im Grundgesetz. Dieses Anliegen verfocht sie ganz besonders angesichts der Realität der Nachkriegszeit. Grundlage ihres Handelns war ihr katholischer Glaube, aus dem sie die Kraft für ihren ganz eigenen Weg schöpfte. In der Schlussabstimmung über das Grundgesetz im Parlamentarischen Rat stimmte sie dagegen, da sie mehr Volksabstimmung als Ausdruck echter Demokratie wollte. Allerdings unterzeichnete sie als Mitglied dennoch. Sie hob das Erreichte durchaus positiv hervor, doch ihrer Meinung nach fehlten notwendige Grundrechte. „Ich muss kompromisslos meinen Weg gehen“, versicherte Wessel, die 1969 in Bonn starb.
Meine Damen, es gibt noch einiges zu tun.
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