Ukrainer nutzen sämtliche Integrationsangebote der Volkshochschule

Vohenstrauß
17.06.2022 - 08:27 Uhr
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Neue Umgebung, fremde Sprache - nach der Flucht wollen sich viele Ukrainer möglichst rasch integrieren. Als große Hilfe erweisen sich dabei die Kurse der Volkshochschule. Mit fachlicher Unterstützung fällt das Ankommen etwas leichter.

Katharyna schleicht etwas verloren mit ihren Kurskollegen durch das Dachgeschoss von Schloss Friedrichsburg. Das Leid in ihrer Heimat, der Ukraine, verfolgt die 38-jährigen Grundschullehrerin offenbar auch Hunderte Kilometer entfernt. Erika Grötsch, Geschäftsführerin der Volkshochschule (VHS) in Vohenstrauß, führt die 18-köpfige Gruppe zusammen mit dem neuen ILE-Manager Rudi Schmid durch das altehrwürdige Gemäuer. Der Besichtigungstermin gehört zum Erstorientierungskurs, durch den sich die Geflüchteten in ihre neue oder zumindest vorübergehende Heimat in Deutschland einfinden sollen.

Es sind insgesamt 36 Ukrainer im Alter von 18 bis 69 Jahren, darunter ganze Familien, die in zwei Gruppen diesen Kurs besuchen. Katharyna versucht dabei täglich, ihr Deutsch wieder etwas aufzupolieren. Sie stammt aus dem östlichen Teil der Ukraine und flüchtete im April zusammen mit ihrem 14-jährigen Sohn. Seit 9. Mai wohnen sie in Eslarn. Der Junge besucht die Mittelschule in Vohenstrauß. Darüber sei sie sehr glücklich. Die Sorge um ihre Familie ist groß: "Mein Vater, meine Mutter und meine Schwester sind dortgeblieben. Ich telefoniere täglich mit ihnen." Bis vor kurzem organisierte Katharyna für ihre Schüler noch Online-Unterricht. Auf die Frage, wie sie zurechtkommt, antwortet die 38-Jährige: "Ich habe noch Schwierigkeiten beim Lernen. Ich muss viel fragen, möchte kommunizieren. Es ist noch alles im Prozess."

Keine Politik

Die VHS-Dozentin Valentina Lange leitet den Kurs zusammen mit Rudi Cerny. Es wird dabei natürlich hauptsächlich Deutsch gesprochen. Dass die gebürtige Moldawierin im Ernstfall ins Russische übersetzen kann, habe bei den Kursteilnehmern keinerlei Unbehagen entfacht: "Ganz im Gegenteil. Sie haben sich gefreut, dass sie mich verstehen können." Die Gesprächsthemen seien sehr vielfältig. Allerdings, so betont die Vohenstraußer VHS-Chefin, würde man Politik, Krieg und Flucht bislang komplett ausklammern: "Die Teilnehmer müssen sich auf den Kurs konzentrieren, den Kopf frei kriegen."

Auf der Erkundungstour durch die Stadt stand auch die Tafel auf ihrer Liste. Die Neuankömmlinge müssen täglich kleine Hürden überwinden. Allein die Fahrt nach Vohenstrauß ist nicht leicht zu bewerkstelligen: "Unsere Teilnehmer aus Böhmischbruck müssen zum Beispiel manchmal eher gehen, weil sie sich nach dem Bus richten müssen." Als sehr hilfreich erweise sich die Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Asyl in Vohenstrauß. "Da es keine zentral geführten Listen gibt, müssen wir die interessierten Leute ja erst einmal aufstöbern."

Eine Mitarbeiterin des Jobcenters war bereits vor Ort und führte erste Gespräche. Die VHS-Geschäftsführerin kann nicht abschätzen, wie sich die Kursteilnehmer ihre Zukunft vorstellen: "Wenn es sich um ganze Familien handelt, kann es gut sein, dass sie hierbleiben möchten. Andere wollen auf alle Fälle zurück. Sie sagen ‚Es ist schön hier, alle bemühen sich. Aber es ist nicht unsere Heimat.‘ Ich bin überzeugt, dass der Kurs für alle Teilnehmer bestimmt ein Gewinn ist. Sie werden Vieles mitnehmen, zum Beispiel unsere Verständnis von Demokratie und unsere Hilfsbereitschaft."

Zentrales Kompetenz-Zentrum

Die VHS Weiden-Neustadt gGmbH ist mit ihrer Tochter, der Zentrum für Regionale Bildung gGmbH, in der Region das zentrale Kompetenz-Zentrum im Bereich Deutsch als Fremdsprache und Integration. Die pädagogische Leitung hat Tanja Fichter. Sie erklärt, dass seit Einführung der bundesweiten Integrationskurse im Jahr 2005 die VHS Integrationskursträger und Prüfungszentrum für den Deutschtest für Zuwanderer und den Einbürgerungstest Leben in Deutschland ist. "Im besonders anspruchsvollen Bereich der Alphabetisierungskurse sind wir aktuell der einzige Anbieter in Stadt und Landkreis, der das leisten kann. Seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 haben etwa 1500 Teilnehmer unsere Integrationskurse durchlaufen", betont Fichtner.

Zu den zusätzlichen Leistungen seit Beginn des Krieges im Februar zählen fünf Integrationskurse im ersten Halbjahr, weitere Kurse sind für den Herbst geplant. "Wir beraten alle Interessenten individuell über Integrationskurse, Berufssprachkurse, Erstorientierungskurse und Berufsintegrations-Vorklassen. Unsere Jobbegleiterinnen für Flüchtlinge beraten kostenlos zum Thema Arbeitssuche und Zeugnisanerkennungen." Es läuft ein Erstorientierungskurs in Weiden und ein weiterer mit Kinderbetreuung in Weiherhammer in Kooperation mit dem Bildungsbüro des Landkreises Neustadt und der LUCE-Stiftung/Überbetriebliches Bildungszentrum in Ostbayern (ÜBZO).

Talentcampus in den Ferien

Ein Erfolg ist der Talentcampus „Willkommen in Weiden“ in den Oster- und Pfingstferien für ukrainische Kinder und Jugendliche mit Elternbildung in Kooperation mit Neue Zeiten e.V. und der Evangelischen Jugend im Dekanat Weiden. Bei Workshops in künstlerischem Gestalten, Puppentheater und Tanz können die Kinder in den Ferien ihre Freizeit sinnvoll und kreativ gestalten und erste Deutschkenntnisse erwerben. Die Eltern können einen begleitenden Erstorientierungskurs besuchen. Beim Campus in den Pfingstferien erreichte die VHS insgesamt 80 Kinder und 35 Erwachsene.

Das VHS reagierte frühzeitig. So gab es bereits im März einen Online-Vortrag unter dem Motto „Stimmen aus Odessa“. "Ukraine und Erinnerung – Akteur:innen und Stimmen", die Solidaritätsvortragsreihe in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg wird jeden letzten Dienstag im Monat online mit Wissenschaftlern aus der Ukraine angeboten. Am 11. Mai hatte die VHS zum "Tag der Offenen Tür Integration" in Zusammenarbeit mit dem Sprachenzentrum Oberpfalz mit Workshops für Ehrenamtliche und Geflüchtete, einem Ukrainisch-Schnupperkurs und vielen Infos zu Sprachkursen, Selbstlern-Material und Arbeitsvermittlung eingeladen. Die pädagogische Leiterin der VHS erklärt: "Alle Angebote werden sehr gut angenommen und sind in der Regel ausgebucht."

Hintergrund:

Elf Module des VHS-Erstorientierungskurses

  • Alltag in Deutschland
  • Arbeit
  • Einkaufen
  • Gesundheit/Medizinische Versorgung
  • Kindergarten/Schule
  • Mediennutzung in Deutschland
  • Orientierung vor Ort/Verkehr/Mobiliät
  • Sitten und Gebräuche in Deutschlande/Lokale Besonderheiten
  • Sprechen über sich und andere Personen/Soziale Kontakte
  • Wohnen
  • Werte und Zusammenleben
 
 

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