Vohenstrauß: Die letzten Tage des "Binner-Lenz"-Anwesens

Vohenstrauß
30.10.2020 - 10:30 Uhr

Eine neue Perspektive eröffnet sich nun den Vohenstraußern in der Pfarrgasse mit freiem Blick auf die katholische Stadtpfarrkirche. Das "Binner-Lenz"-Gebäude steht nicht mehr.

Eine ganz neue Perspektive eröffnet sich nun den Vohenstraußern in der Pfarrgasse mit freiem Blick auf die katholische Stadtpfarrkirche, so wie es beim Bau des Gotteshauses etwa vor dem Jahr 1927 der Fall war.

Seit dem Abbruch des ehemaligen Brauereigebäudes Würschinger, auch als „Binner-Lenz“ bekannt, ist der Blick auf die Stadtpfarrkirche wieder frei. Die Stadt erwarb das Gebäude mit dem gesamten Bestand, um dort nachfolgend ein Parkquartier zu schaffen. Seit dem 10. September baggerte sich die Abbruchfirma Hierold aus Moosbach durch die Gebäudesubstanz mit Gaststätte, Brauerei und Wohnhaus.

Diese Arbeiten sind nun fast abgeschlossen. Lediglich die abgebrochenen Materialien müssen noch abgefahren werden. Nachdem die Abbruchfirma mit ihren schweren Geräten das Gebäude vom Innenhof aus abgetragen hat, waren in der Pfarrgasse kaum Behinderungen spürbar. So hatten es sich die Verantwortlichen der Stadt um Bürgermeister Andreas Wutzlhofer auch gewünscht.

"Der umbaute Raum betrug rund 4000 Kubikmeter auf einer etwa 1000 Quadratmeter großen Fläche", informierte Dietmar Hammerl von der Bauingenieur Bamler GmbH, der das Projekt begleitet. Neben dem Wohnhaus befanden sich auch die Gaststätte, das Sudhaus, der Braukeller, Lagerkeller, das Flaschenlager sowie ein Lager- und Abstellraum in diesem Ensemble. Abschließend werde das Gelände noch grob einplaniert, so Hammerl, damit es über die Wintermonate brach liegen bleiben könne. Wenn das Wetter mitspiele, sind die Arbeiten in der kommenden Woche beendet.

Der Abbruch gestaltete sich sehr zeitaufwändig, da auch schadstoffbelastete Materialien ausgebaut und entsorgt werden mussten. Außerdem waren die Gebäude erst einmal leer zu räumen. Unter anderem bauten die Arbeiter sechs alte Biertanks und drei Öltanks aus und entsorgten sie fachgerecht. Die Materialien wurden nach Art wie Holz, Metall, Styropor, Glas und Asbest getrennt und in Containern gelagert. Das alte Mauerwerk wurde geladen, abgefahren und gebrochen. Ebenso wurde das im Innenhof vorhandene Pflaster und der Asphalt entfernt.

Die Stadt hat das Gebäude vor den Ausschreibungsarbeiten durch ein Spezialbüro, der Firma Protect Umwelt GmbH & Co. KG aus Sulzbach-Rosenberg auf Schadstoffe untersuchen lassen. Die Ergebnisse seien in der Ausschreibung berücksichtigt worden, führte Hammerl aus. Die Abbrucharbeiten wurden anschließend durch das Bauingenieur-Büro Bamler im Juli 2020 öffentlich ausgeschrieben. Wirtschaftlichster Bieter war demnach die Firma Hierold aus Moosbach zum Angebotspreis von rund 143.000 Euro brutto. Anfang August 2020 konnte dann der Auftrag durch die Stadt Vohenstrauß an die Firma Hierold vergeben werden.

Eslarn30.10.2020

Im kommenden Jahr sollen nach den Vorstellungen der Stadt auf dem Gelände etwa 20 neue Parkplätze und Richtung Stadtpfarrkirche eine kleine Grünanlage mit Treppenaufgang zur Kirche entstehen. Der Abbruch der Gebäude und auch der Bau der Parkplätze und der Grünanlage wird durch die Regierung der Oberpfalz im Rahmen der Städtebauförderung bezuschusst. Auch die Planung und Bauüberwachung der späteren Parkplätze und Grünanlage führt die Bamler Bauingenieur GmbH durch.

Info:

Geschichte des "Binner-Lenz"

Die Brauerei Würschinger samt Bierstube gab es seit 23 Jahren nicht mehr. Der "Straußenwirt" war ein beliebter Treffpunkt. Büttnermeister Lorenz Würschinger hatte 1883 das Haus gekauft. Ab 1951 stellte der Landwirt und Büttner Lorenz Würschinger im Kommunbrauhaus Bier her. Nach Angaben des letzten Besitzers Ludwig Würschinger begann man etwa 1956 mit dem Brauen im Haus an der Pfarrgasse. Am 25. Februar 1997 wurde der letzte Sud gebraut, ausgeschenkt und später auch das Gasthaus geschlossen. Die vergangenen knapp 25 Jahre stand das Anwesen leer.

Dabei war in dem leerstehenden Gebäude an der Pfarrgasse ursprünglich gar kein gastronomischer Betrieb beheimatet, erklärte Volker Wappmann vom Heimatkundlichen Arbeitskreis vor einigen Jahren einmal. 1820 gehörte es dem Zimmermeister Rupert Eismann, 1841 dem Webermeister Kaspar Fuchs. 1883 fiel es schließlich nach Einheirat dem Büttnermeister Lorenz Würschinger zu. Von ihm stammt auch der Hausname "Binner-Lenz".

"Binner war die oberpfälzische Version von Büttner, also Fassmacher." Würschinger hatte viele Söhne, die alle ebenfalls dieses Handwerk ausübten - bis auf einen, der Schuster wurde. "Die Familie Würschinger kam während des Dreißigjährigen Kriegs nach Vohenstrauß, vermutlich aus Österreich", sagt der Ahnen- und Heimatforscher.

Der Schritt vom Fassmacher zur Bierherstellung mag zwar logisch erscheinen, die genauen Umstände dafür sind jedoch leider nicht mehr nachvollziehbar. Jedenfalls gab es um 1956 dann die Brauerei samt einer Wirtschaft, in der es auch kleinere Brotzeiten gab. Produziert wurde nicht nur Weizen, sondern alle gängigen Biersorten. Aus der ganzen Nachbarschaft kamen Kunden, um sich das frischgebraute Flaschenbier in Holzkisten und später in den leichteren Plastiktragekisten abzuholen. Kinder dieser Zeit erinnern sich noch gut an die Limonade, die der "Binner-Lenz" damals ebenfalls schon verkaufte.

Der "Straußenwirt" wurde auch schnell ein Begriff in Vohenstrauß und ein beliebter Treffpunkt. Der Spitzname stammte wohl von einem Bild über dem Eingang, das einen Strauß zeigte, der aus einem Bierkrug trank. Vom Brauen bis zum Ausfahren des Gerstensafts gab es immer viel Arbeit, die dann irgendwann zu viel wurde. Ludwig Würschinger, der letzte Brauernachkomme aus der Würschinger-Familie hörte schließlich 1997 ganz damit auf, denn seine Tochter hatte kein Interesse an der Nachfolge. Damit endete die 40-jährige Geschichte des "Straußenwirts". In der Pfarrgasse war zu dieser Zeit neben der Brauerei und Gaststube Würschinger, auch noch das Wirtshaus "Krapfenbauer" und die heute noch bestehende Gastwirtschaft "Schübl'adl". Beim "Krapfenbauer" ist zwischenzeitlich wieder eine Zoiglstube beheimatet.

Eine ganz neue Perspektive eröffnet sich nun den Vohenstraußern in der Pfarrgasse mit freiem Blick auf die katholische Stadtpfarrkirche, so wie es beim Bau des Gotteshauses etwa vor dem Jahr 1927 der Fall war. Richtig majestätisch präsentiert sich der mächtige Bau.
Auf der Baustelle in der Pfarrgasse laufen die letzten Arbeiten vor dem Winter.
Das ehemalige Brauereigebäude Würschinger oder "Binner-Lenz" gehört nun zur Geschichte der Stadt Vohenstrauß. Das Gebäude wurde bereits dem Erdboden gleich gemacht.
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