Waidhaus
30.10.2019 - 10:15 Uhr

„Reges Leben auf der Baustelle“

Nur wenige Friedhofsbesucher in Waidhaus werden sich in diesen Tagen über die Einweihung des Areals vor 90 Jahren Gedanken machen. Dabei war die Verlegung der Begräbnisstätte alles andere, als ein reibungsloses Unterfangen.

"Die Anlage des Friedhofes ist überaus schön, die Wege sind sehr sauber mit weißem Spatkies beschottert. Eine solide Granitmauer mit gut gearbeiteter Abdachung umgibt die ganze Anlage", schrieb vor 90 Jahren der "Vohenstraußer Anzeiger". Bild: fjo
"Die Anlage des Friedhofes ist überaus schön, die Wege sind sehr sauber mit weißem Spatkies beschottert. Eine solide Granitmauer mit gut gearbeiteter Abdachung umgibt die ganze Anlage", schrieb vor 90 Jahren der "Vohenstraußer Anzeiger".

„Am Freitag, den 1. November, Allerheiligen, findet die Einweihung unseres neuen Friedhofs statt. An dieser Feierlichkeit werden sich außer dem Gemeinderat und der katholischen Kirchenverwaltung sämtliche hiesigen Vereine beteiligen. Um viertel 10 Uhr findet der Pfarrgottesdienst statt. Nach diesem Gottesdienst führt eine feierliche Prozession zum neuen Gottesacker und wird dortselbst die Feierlichkeit vorgenommen. Dieser Neubau, der zum großen Teil aus Zuschüssen erstellt wurde, findet allgemeinen Anklang, namentlich auch deshalb, weil die Lage und Beschaffenheit des Friedhofs als erstklassig bezeichnet werden.“ So stand es vor 90 Jahren im „Vohenstraußer Anzeiger“ unter den Ankündigungen. Der 1. November 1929 war also auch ein Freitag.

Die Aufzeichnungen im Marktarchiv zum neuen Friedhof reichen bis zum Mai 1921 zurück. Bei einer Gemeindevisitation wird erstmals eine Verlegung diskutiert und eine Vergrößerung des bisherigen Platzes rund um die Emmeramskirche aufgegeben. Noch im selben Jahr werden Pläne gezeichnet, die in zwei Ordnern im Marktarchiv ruhen. Die neue Anlage wurde direkt bei der heutigen Autobahn- und Radwegekirche gesehen.

Danach müssen sich die Waidhauser allerdings wieder viel Zeit gelassen haben. Denn das Vohenstraußer Bezirksamt schreibt fünf Jahre später an den Gemeinderat: „Der Friedhof erweist sich als viel zu klein. Die Neuanlage ist mit allen Nachdruck zu betreiben.“ Zwei Jahre später ist noch immer nichts passiert, was einem Brief des Bezirksamts an den Bürgermeister zu entnehmen ist: „Infolge starker Belegung des Friedhofes ist die Neuanlage eines Friedhofes im Benehmen mit der Kirchenverwaltung mit Nachdruck weiter zu betreiben.“ Wenige Wochen später werden bei einer erneuten Gemeindebesichtigung wiederum Versprechen seitens der Waidhauser gemacht: „Die Friedhofanlage geht in diesem Jahr noch der Auflassung entgegen. Im nächsten Jahre wird dann mit dem Bau begonnen.“

In der Sitzung des Gemeinderats steht ein neuer Friedhof tatsächlich am 6. Februar 1927 auf der Tagesordnung. Dabei muss ein Gutachten beauftragt worden sein, das Wochen später zu einer neuen Auffassung im Gemeinderat führte. Der „Vohenstraußer Anzeiger“ berichtete jedenfalls am 14. Mai: „Entgegen dem amtlichen Gutachten sei der neu zu errichtende Friedhof nicht bei der Dreifaltigkeitskirche, sondern ein drei Tagwerk umfassendes Grundstück am östlichen Ortsausgang am geeignetsten.“ Nun folgen weitere Taten, denn Ende November wird besagtes Grundstück von Ludwig Nickl angekauft. Über den Friedhof hinaus soll zugleich ein Leichenhaus mit Sezierraum und vier Leichenräumen errichtet werden.

In der ersten Sitzung des Jahres 1928 übertragen die Gemeinderäte die Bauleitung an Stadtbaumeister Solfrank, einem gebürtigen Waidhauser, der in Weiden wohnte. Die wenig später vorgelegten Pläne erhalten unverzüglich ihre Genehmigung. Warum der Stadtbaumeister bald darauf auf die Übernahme der Bauausführung verzichtet, lassen die Quellen im Marktarchiv allerdings unbeantwortet. Aufgrund des Verzichts ist lediglich die Übertragung der Bearbeitung an das Landbauamt Weiden überliefert. Und schon im Herbst titelt der „Vohenstraußer Anzeiger“ mit der Schlagzeile „Reges Leben auf der Baustelle“. Dem Artikel lässt sich ebenso entnehmen, dass der Dachstuhl in einigen Tagen auf das Leichenhaus komme.

Weitere Unterlagen über die Friedhofverlegung befinden sich in den Pfarrakten der Jahre 1912 bis 1950, die Heimatforscher Karl Ochantel aus Vohenstrauß im bischöflichen Zentralarchiv Regensburg ausfindig machte. Dort ist die Weihe des neuen Friedhofs mit Benediktion eines Kreuzes und der Glocke für das Leichenhaus genannt. Kurz vor Weihnachten 1929 taucht dann in den Akten noch eine bemerkenswerte Eintragung auf: „Heute trug man die 77 Jahre alte Binderswitwe Walburga Argauer zur letzten Ruhe. Vor 9 Tagen wurde ihr Sohn, der Landwirt Ludwig Argauer, beerdigt. Im neuen Gottesacker ruhen nun 2 erwachsene Personen und 1 Kind.“

"Die Marktgemeinde Waidhaus hat mit dieser Schöpfung sich das Zeugnis fortschrittlichen Geistes ausgestellt", lobte der "Vohenstraußer Anzeiger" vor 90 Jahren den neu angelegten Friedhof. Bild: fjo
"Die Marktgemeinde Waidhaus hat mit dieser Schöpfung sich das Zeugnis fortschrittlichen Geistes ausgestellt", lobte der "Vohenstraußer Anzeiger" vor 90 Jahren den neu angelegten Friedhof.
 
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