Wasserstoff statt Erdgas: Neuer Zweck für Pipeline durch die Oberpfalz

Waidhaus
10.01.2023 - 13:25 Uhr
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Bei der Energiewende nimmt Wasserstoff als Ersatz für fossile Brennstoffe eine zentrale Rolle ein. Eine wichtige europäische Leitung soll künftig auch durch die Oberpfalz führen – auf vertrauten Wegen.

Beinahe fünfzig Jahre ist über die bayerisch-tschechische Grenze bei Waidhaus (Landkreis Neustadt/WN) Erdgas aus dem Osten nach Deutschland geflossen – zu Beginn aus der damaligen Sowjetunion, nach deren Auflösung aus Russland. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar vergangenen Jahres ist der Erdgasimport aus Russland nach Deutschland immer weiter zurückgegangen, bis er schließlich eingestellt worden ist.

Sorgen um die Zukunft der Verdichterstationen in Waidhaus und Rothenstadt bei Weiden sowie um die Mitteleuropäische Gasleitung (Megal) nach Westen und in den Süden braucht sich dennoch niemand zu machen. Sie werden weiterhin gebraucht. Zum einen fließt noch immer Erdgas, allerdings aus Norwegen und Belgien. Zum anderen wird die Ferngasleitung durch die Oberpfalz ein wichtiger Teil des europäischen Wasserstoffnetzes werden. Was sich wie eine Zukunftsvision anhört, soll in drei Schritten bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden.

Grüner Wasserstoff für die Klimawende

Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für die Energiewende. "Klimafreundlich hergestellter Wasserstoff ermöglicht es, die CO2-Emissionen vor allem in Industrie und Verkehr deutlich zu verringern, wo Energieeffizienz und die direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht ausreichen", schreibt das Bundeswirtschaftsministerium auf seiner Internetseite. Dazu muss der "grüne" Wasserstoff zu den Verbrauchern. Das soll mit dem Infrastrukturkonzept "H2ercules" erreicht werden, das der Fernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) in Essen und der in derselben Stadt ansässige Energiekonzern RWE entwickelt haben.

"H2ercules" soll "das Rückgrat einer Wasserstoffinfrastruktur von der Nordseeküste bis nach Süddeutschland werden". Laut den beiden Unternehmen dürften dafür voraussichtlich Investitionen von rund 3,5 Milliarden Euro nötig werden. Das Konzept beruht auf der Umstellung bestehender Erdgasleitungen wie etwa der Megal, die auch durch die Oberpfalz führt. Aus Sicht von OGE und REW ist ihr Konzept "kostengünstiger und deutlich schneller zu realisieren als ein kompletter Neubau". "H2ercules" ist zudem Teil des Europäischen Wasserstoff-Backbone, einem grenzüberschreitenden Wasserstoffnetz. OGE sorgt dabei für den Transport, RWE für den Import und die Erzeugung von grünem Wasserstoff.

Wasserstoffversuch in Waidhaus

Seit Monaten läuft in der Verdichterstation in Waidhaus ein Wasserstoff-Pilotprojekt – ein Testlauf für die sogenannte Dekarbonisierung. Erste Ergebnisse sollen an diesem Mittwoch vorgestellt werden. Die Megal durch die Oberpfalz wäre Teil von "H2ercules". Dazu soll das bisherige Fernleitungsnetz von Gas auf Wasserstoff umgestellt werden. Die bei den Pipelines eingesetzten Stähle sind zum Transport von Wasserstoff "grundsätzlich geeignet", teilte OGE auf Anfrage mit. Der Sprecher verweist darauf, dass es in Deutschland bereits einige regional begrenzte Wasserstoffnetze gebe, die von Industrieunternehmen betrieben würden. "Deren Pipelines sind ebenfalls aus Stahl und mit denen des Fernleitungsnetzes für Erdgas vergleichbar." Auch für Stadtwerke sollte Wasserstoff kein neues Element sein, denn bis Mitte des 20. Jahrhunderts bestand das damals gebräuchliche Stadtgas aus bis zu 50 Prozent Wasserstoff.

Nach Angaben der OGE findet vor einer Umstellung der Pipelines von Erdgas auf Wasserstoff "eine technische Prüfung durch unabhängige Sachverständige statt, in der Regel ist das der TÜV". Die Gutachten würden Aufschluss über notwendige technische Anpassungen geben. Parallel gebe es dazu ein behördliches Genehmigungsverfahren. "Erst wenn auf allen Ebenen die Eignung für einen sicheren Transport festgestellt wurde, kann die Umstellung auf Wasserstoff erfolgen", teilte Sprecher Andreas Lehmann auf Anfrage mit. Ob für den Transport von Wasserstoff spezielle Turbinen zur Verdichtung notwendig sind, klärt OGE derzeit mit den Herstellern.

Bis zum Jahr 2030 Wasserstoffleitung bis in die Oberpfalz

Die Umstellung der Ferngasleitung soll in drei Schritten erfolgen. Bis zum nächsten Jahr wollen die Partner von "GET H2 Partner" – BP, Evonik, Nowega sowie OGE und RWE – in Deutschland die erste öffentliche Wasserstoffinfrastruktur aufbauen. Dazu soll die Erzeugung von grünem Wasserstoff mit industriellen Abnehmern in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verbunden werden – ein etwa 130 Kilometer langes Netz von Lingen bis Gelsenkirchen. In einem zweiten Schritt sollen im Zuge von "H2ercules" die Wasserstoff-Leitungen nach Norden zu den Häfen Emden und Wilhelmshafen ausgedehnt werden.

In einem dritten Schritt würden dann bis zum Jahr 2030 die Ferngasleitungen vom Ruhrgebiet in den Süden Richtung Karlsruhe sowie die Megal über Nürnberg nach Waidhaus Ingolstadt für den Wasserstofftransport umgestellt. Bei Bedarf geht es über die Grenze nach Tschechien weiter. Zudem zweigt bei Weiden eine Wasserstoffleitung in Richtung Ingolstadt ab. OGE geht davon aus, dass so "bis 2030 überregional zwei Drittel des bekannten Wasserstoffbedarfs in den Verbrauchszentren entlang des empfohlenen Korridors erreicht werden können". Voraussetzung dafür sei allerdings, "dass die politischen Rahmenbedingungen passen".

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Waidhaus11.01.2023
Hintergrund:

Was ist grüner Wasserstoff?

  • Wasserstoff lässt sich durch das Spalten von Wasser (H2O) zu Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H2) gewinnen.
  • Geschieht dies mit Hilfe von elektrischen Strom, spricht man von Elektrolyse. Manche sprechen auch von „Power to Gas“ (Strom zu Gas)
  • Wenn der Strom für die Elektrolyse mit erneuerbaren Energien – etwa Wind oder Sonne Wind – erzeugt wird, ist der so erzeugte Wasserstoff ebenfalls „grün", weil bei der Gewinnung kein CO2 entsteht.
  • Von "grauem" Wasserstoff ist die Rede, wenn der Strom mit fossilen Energien wie beispielsweise Erdgas erzeugt wird. Es entsteht CO2, was aus Gründen des Klimaschutzes vermieden werden soll.
 
 

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