Das Treffen der Waldershofer Frauen-Union zum Frühstück mit Gerd Schönfelder beim „Sesser“ wird vielen Besuchern lange in Erinnerung bleiben. Der Kulmainer berichtet aus seinem Leben - mit dem Fazit: „Es war kein Schicksalstag, sondern ein Glückstag. Ich bin nicht behindert, ich sehe nur so aus.“
Schönfelder lässt seinen Gedanken freien Lauf und plaudert. "An sich denke ich an das Datum gar nicht mehr so sehr. Aber da es eben ein 11. September war, werde ich durch den Tag, der für die Welt so einschneidend war, immer wieder erinnert, was mir passiert ist. Außerdem ist es auch noch der Geburtstag meiner Schwiegermutter. Ich komme also gar nicht aus, werde jedes Jahr dran erinnert."
An einem Tag ist man topfit, macht Sport, ärgert sich über Nebensächlichkeiten, bedauert, dass man eine krumme Nase hat. Am nächsten Tag ist die Nase definitiv dein geringstes Problem, so Schönfelder. "Da sagst du nachher: Wie damisch warst du denn?“
Schönfelder weiter: "Plötzlich bist du ein junger Mann, der erst einmal gar nichts mehr kann. Nicht essen, nicht trinken. Plötzlich brauchst du jemanden, der dir den Hintern abwischt. Wenn mir einer vor dem Unfall gesagt hätte, was auf mich zukommt, hätte ich gesagt: Dann machen wir gleich den Deckel drauf. Aber als es so weit war, wollte ich nur leben. Nicht eine Sekunde habe ich gedacht, ich wäre lieber tot. Ich bin sehr zufrieden. Das Leben ist geil."
Er sei im Sport zum Sieger geworden, "aber für mich steht dieses Wort für das, was ich im Leben erreicht habe". Gerd Schönfelder sagt: "Ich habe mit 19 Jahren diesen schlimmen Unfall gehabt, als ich den Zug unbedingt noch erreichen wollte und am Ende unter den Zug gekommen bin. Und dann stehst du plötzlich da und hast nur einen Daumen an einem Arm und der andere ist ganz ab. Da denkst du dir schon, dass man nicht mehr tiefer fallen kann. Aber: Schlimmer geht’s immer. Letztlich hatte ich Glück, auch wenn man das in dem Moment sicher nicht so sehen kann. Es hat ja nicht viel gefehlt, und ich wäre nimmer da gewesen. Von dem her ist das Leben, das ich jetzt habe, ein Geschenk, eine Zugabe, die jetzt schon 30 Jahre andauert – und hoffentlich noch lange währt. Aber aus diesem Loch herauszukommen, sich irgendwann nicht mehr zu verstecken, sich zu zeigen, wie man ist, Selbstvertrauen aufzubauen, das heißt Sieger sein. Das ist eine Entwicklung, die dauert."
Viele Menschen sagen, dass Zeit der beste Heiler sei, "aber Humor ist genauso wichtig", meint Gerd Schönfelder und erinnert: "Als meine Familie und Freunde ins Krankenhaus kamen und ich deren Blicke sah, sagte ich halt: Geh weiter, die Füße sind noch dran." Das habe allen geholfen. "Ich bin auch einer, der sich Dinge schönreden kann. Egoismus ist auch, wenn man sich nur das Positive aneignet. Als ich zu den Behindertensportlern gekommen bin, da half der schwarze Humor gewaltig. Du kommst da hin, und da sind nur Kaputte. Wir erzählen uns Behindertenwitze. Das würde sich keiner sonst trauen. Ich bezeichne Rollstuhlfahrer als Sitzplatzschweine. So gehen wir mit der Sache um. Schwarzer Humor hilft dabei, die persönlichen Tragödien zu verarbeiten."
Wichtig ist dem mehrfachen Paralympics-Sieger: "Wir wollen normal behandelt werden, da gehören auch Witze dazu. Ich sage auch gerne zu den Leuten: Ich würde gerne Klavier spielen. Dann schauen alle mitleidig. Und dann füge ich an: Aber leider kann ich keine Noten lesen.“
Gerd Schönfelder reichert seine Lebensgeschichte noch mit vielen Anekdoten aus seiner Schulzeit und seiner aktiven Zeit als Skirennfahrer an, die im Buch "Sieger, das Leben des Gerd Schönfelder" nachzulesen sind.
Gerd Schönfelder
Gerd Schönfelder, geboren am 2. September 1970 in Kulmain, verlor 1989 im Alter von 19 Jahren bei einem Unfall den rechten Arm und alle Langfinger der linken Hand. Der Oberpfälzer ist bis zum heutigen Tag der erfolgreichste Athlet in der Geschichte der Winter-Paralympics. Schönfelder gewann bei sechs Paralympischen Spielen 16 Mal Gold, 4 Mal Silber und 2 Mal Bronze.
Der 14-malige Weltmeister und achtmalige Weltcupgesamtsieger wurde 2010 als erster Deutscher mit dem „IOC Disabled Athlete Award“ ausgezeichnet, im Folgejahr als „Weltbehindertensportler des IPC“ geehrt. 2012 wählten ihn die Sporthilfe-Athleten zum „Champion des Jahres“. Seit 2006 ist er Ehrenbürger von Kulmain. (fpoz)













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