Ihr ausgeprägter Sammlertrieb treibt sie um die halbe Welt und dafür nehmen "Groundhopper" jedes Unbill in Kauf, das möglich ist: Sie sind auf der Jagd nach Fußballstadien.
Im Stiftland gehören zu dieser außergewöhnlichen Spezies Roland Bauer (49), Roman Kirschbaum (39) und Matthias Schuster (35). Alle drei haben normale Berufe und Familien, und sie fallen auch sonst nicht aus dem Oberpfälzer Durchschnittsrahmen. Zeichnen sich aber ein paar freie Tage ab oder steht ein spannendes Fußballspiel irgendwo auf der Welt am Plan, büxen sie aus ihrem Alltag aus, um wieder ein Fußballstadium auf ihrer Sammelliste abhaken zu können.
Länderpunkte sammeln
Matthias Schuster erklärt, worum es geht: "Groundhopper" wollen möglichst viele Stadien- und Länderpunkte in ihrem Leben sammeln. Tatsächlich gibt es solche Leute weltweit. Seit 2005 sitzen etwa zehn davon in Waldsassen und Umgebung: die "Stiftland-Groundhopper". Die gebürtigen Klosterstädter Roland, Matthias und Roman gehören zu den Aktivsten.
Roland hat es bereits auf 170 "Grounds" (Stadien) und 31 Länder gebracht, Roman hat ebenfalls 170 "Grounds" abgearbeitet und 32 Länder. Den Freunden weit voraus ist Matthias mit 432 "Grounds" in 56 Ländern. Alles wird akribisch in einer App protokolliert, auch die geschossenen Tore in den jeweiligen Spielen.
Das klingt aufwendig und kostspielig. Ist es aber nicht. "Wir haben Familien und können dafür nicht viel Geld ausgeben", sagt Matthias. Deshalb werde auch schon mal in Jugendherbergen, Ferienwohnungen oder im Auto gepennt. Für die Flüge buche man günstige Angebote. Und bei den Tickets habe man sich auf ein Limit unter 100 Euro geeinigt, erklärt Roland. Was ist mit stressig? "Groundhopping" sei Seelenbalsam und der Ausgleich im Alltag, beteuern die drei lachend. "Sobald wir von der Tür hinaus sind, lassen wir alles hinter uns und konzentrieren uns nur aufs Ziel."
Im Familienurlaub
Die Leidenschaft reicht manchmal bis in den Familienurlaub. Aber das sei für die Frauen in Ordnung. "Wir gehen ins Stadion, sie gehen shoppen oder machen Wellness." Um überhaupt in die Arenen reinzukommen, schöpfen die Männer Kontakte aus und haben eine ausgefuchste Logistik entwickelt. Monate vorher werden Spielpläne ausgewertet, Flüge und Unterkunft gebucht und Tickets bestellt. Letzteres werde immer schwieriger, bedauern die Männer. Die Karten seien oft limitiert oder nur für Clubmitglieder. Besonders in Osteuropa seien die Leute sehr nett. "Wir müssen halt flexibel sein", erklärt Matthias weiter. Was die Männer fasziniert, sind die unterschiedlichen Fußballszenen. Sie zeigen Fotos vom Derby in Belgrad: Das halbe Stadion brennt. Bengalos seien in Serbien normal. Ziemlich überrascht waren die Stiftländer, als in Istanbul nur Frauen ins Stadion kamen. Das sei die Strafe für die Männer gewesen, weil tags zuvor randaliert worden sei, wurde ihnen gesagt. "Wir hatten keine Chance. Da kam kein Mann rein", klagt Matthias noch im Nachhinein über den verpatzten Ausflug.
Nicht überall ist eitel Sonnenschein. In Budapest wurde den "Stiftland-Hoppern" das Auto gestohlen, in Holland wurde Roman von wütenden Hooligans im Auto aufgeschaukelt, was kein Spaß war. Zwar sind "Groundhopper" zahlende Zuschauer. "Gerngesehen werden wir aber nicht immer", erzählt Matthias von Feindseligkeiten weniger Mannschafts-Fans.
Endstation Kurpark
"Groundhopper" können fanatisch sein und deshalb erreichen sie (meist) alle (Stadien-)Ziele, die sie sich in den Kopf gesetzt haben. So fanatisch, dass Roman wegen seiner Sammelleidenschaft für Vereinskugelschreiber 50 Euro fürs Taxi und drei Stunden Fahrt investiert hat. So fanatisch, dass eine wilde Fahrt nach Bad Brambach über Stock und Stein durch ein unbekanntes Waldstück, um einen Stau zu umgehen, auf der Wiese im Kurpark von Bad Elster endete. Und so fanatisch, dass Roman sein Auto in Neapel derart in eine enge Gasse gequetscht hat, bis er weder vorwärts noch rückwärts kam. "Danach habe ich mir geschworen, nie mehr in Neapel Auto zu fahren", sagt er.
Matthias, Roman und Roland erzählen immer mehr abenteuerliche Erlebnisse. Spätestens jetzt versteht jeder, warum "wahnsinnige" Hobbys wie Groundhopping Anhänger finden.
"Groundhopper"
„Groundhopper“ kommt aus dem Englischen und kann mit „von Stadion zu Stadion hüpfen“ übersetzt werden. „Hopper“ messen ihre Stadionbesuche nach einem Punktesystem. Jede Gruppe hat unterschiedliche Regeln. (ubb)
Stadien-Sammlung der "Groundhopper"
Weitester Trip der „Stiftland-Groundhopper“: 2013 ging es für die „Hopper“ Matthias Schuster und Florian Hanss für zwölf Tage in den Kaukasus. Sie besuchten Spiele in Armenien, Georgien und Aserbaidschan. Das Tofiq-Bahramov-Stadion in Baku (Aserbaidschan) war dabei das weitest entfernte Stadion.
Größte Stadien: Camp Nou in Barcelona (99 354 Zuschauer), Wembley-Stadion in London (90 000 Zuschauer).
Interessanteste Fahrten: Eine Auswahl zu treffen, fällt den „Hoppern“ schwer. Matthias Schuster erlebte am 30. November 2013 im Hrazdan-Stadion in Yerevan in der höchsten armenischen Spielklasse das Match Ararat Yerevan gegen Pjunik Yerevan. In das 55 000 Fans fassende Stadion verirrten sich nur 250 Zuschauer. „Riesiges Stadion und nur wenig Zuschauer. Das war eine ganz spezielle Stimmung“, erinnert sich Matthias. Als ein absolutes Highlight seiner „Hopper“-Karriere bezeichnet er den Balkan-Trip 2014. In fünf Tagen wurde Spiele in vier Ländern besucht. Die Nationalmannschaften von Mazedonien, Bulgarien, Albanien und Bosnien-Herzegowina absolvierten ihre EM-Qualifikationsspiele. „Da haben wir viel von Land und Leuten mitgenommen.“ Eine „einzigartige Atmosphäre mit 90-minütiger Pyro-Show auf der Tribüne“ attestiert Matthias dem Derby zwischen Roter Stern Belgrad und Partizan Belgrad am 25. April 2015 im Stadion Rajko Mitic. Und im Februar 2017 erlebten die „Hopper“ in England ein Tor-Spektakel. Das Premier-League-Spiel zwischen dem Everton FC und AFC Bournemouth endete 6:3. (ubb)
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