Waldsassen
14.05.2018 - 20:00 Uhr

Premiere im Kunsthaus Waldsassen: Goethes Tanz wilder Herzen

Goethes Drama "Faust I" ruft bei den meisten Zuschauern ein unbehagliches Gefühl hervor: drei Prologe, lange Monologe, eine komplizierte Sprache. Die Schauspieler des Kunsthauses Waldsassen haben den Klassiker jedoch gekonnt gekürzt und bringen ihn für jedermann verständlich auf die Bühne. Das zehnköpfige Ensemble um den Regisseur Manfred Grüssner beeindruckt durch Varietät und originelle Ideen. Dabei ist die Kerngeschichte der drei Hauptfiguren Mephisto, Faust und Gretchen in ein Nest aus Kreativität eingebettet.

Mephisto (Julian Mühlmeier, rechts) schließt mit dem Gelehrten Faust (Johannes Zagler) eine Wette ab. Der Einsatz ist Fausts Seele
Mephisto (Julian Mühlmeier, rechts) schließt mit dem Gelehrten Faust (Johannes Zagler) eine Wette ab. Der Einsatz ist Fausts Seele

Die Spieler haben verschiedene Gestaltungsmittel ausgepackt, wie ein Theater im Dunkeln und nicht zuletzt den Einsatz von Theaterpuppen. Den Originaltext hat der ehrfahrene Regisseur Manfred Grüssner erfolgreich auf ein Zehntel gekürzt. Doch an der Handlung wurde nichts weggelassen. Im Gegenteil: Neue Szenen wurden eingebaut, die Goethe so bestimmt nicht vorgesehen hatte. Da kann es schon einmal passieren, dass die Schildkröte Kassiopeia aus dem Kinderklassiker "Momo" daherkommt oder die Schauspieler als Kellner Leopold aus dem "weißen Rössl" auf der Bühne umherwirbeln.

Der fliegende Wechsel der drei Hauptcharaktere funktioniert einwandfrei und jeder Schauspieler kommt in den Genuss, verschiedene Rollen zu interpretieren. Unverwechselbar sind auch die originell einfachen Kostüme: Lange, rote Fingernägel beim Teufel, ein weißer, unschuldiger Schleierhut für Gretchen und ein schwarzer Gelehrtenhut für Faust.

Gleich zu Beginn des Theaters kriechen die Akteure aus allen Ecken und ein himmlischer Auftakt mit sphärischer Musik beginnt. Nicht fehlen dürfen die sorgfältig ausgewählten Kunstbilder als Kulisse in fast jeder Szene. Des Pudels Kern ist schnell gefunden und schon geht es heiß her: Die authentische Saufszene in Auerbachs Keller ist eine von mehreren Szenen, in denen die Schauspieler Gesangstalent beweisen. Da kann es schon einmal passieren, dass die Stühle aus Versehen umfallen oder die Becher aus der Hand geschlagen werden. Wenig später gehen dann auch maskierte Hexen aufeinander los.

Durch die Verquickung von alten und neuen Elementen entsteht eine heiter-angenehme Stimmung im Zuschauerraum. Schließlich ist Goethes Gretchen im Kunsthaus keine brave Dirne, sondern ein selbstbewusstes Model, das durch den Zuschauerraum stolziert. Kommt es zur berühmten "Gretchenfrage", darf sich jeder Zuschauer selbst an der Nase fassen. Dann verwandelt sich Goethes Faust in ein Puppentheater aus aufwendig selbst gemachten Stabpuppen, die für alle ein besonderer Hingucker sind.

Der letzte Akt des Dramas zeichnet sich durch eine sich steig-wandernde Kulisse und einen höchst dramatischen Wortwechsel aus. Ein tosender Applaus und Standing-Ovations waren das schönste Lob die Schauspieler. "Auf eigene Faust" ist zudem eine Doppelpremiere, da damit zum ersten Mal Theater ins Kunsthaus kam. Die Vorsitzenden des Kunsthauses Waldsassen, Wolfgang Horn und Markus Braun, lobten das Ensemble am Ende und überreichten den Spielern weiße Rosen.

Auch wenn das Lampenfieber bei den Schauspielern manchmal für kleine Texthänger sorgte, haben die Darsteller trotzdem großes Lob verdient. Besonders hervorgehoben werden darf Julian Mühlmeier, der in jeder Rolle brillierte und mit seinem ausdrucksstarkem Spiel alle Augen auf sich zog. In die Herzen der Zuschauer spielte sich auch Nachwuchstalent Felix Schmidkonz (5. Klasse), der für Auflockerung zwischen den Szenen sorgte. Dank gilt besonders dem Lichttechniker Michael Rückl, der die Bühne stets in passendes Licht tauchte. Musikalisch unterstützt wurde dies durch Werner Müller, der daneben in vielen Szenen auch selbst schauspielerte. Lob zollt zudem Ulla Britta Baumer, die als Produktionsleiterin das Stück für das Kunsthaus vorgeschlagen hat. Allen voran steht jedoch Manfred Grüssner. Der Regisseur aus Konnersreuth hat Goethes Faust zerlegt, zerpflückt und neu zusammengeklebt. Dennoch hat bis zum Schluss nichts gefehlt im Stück "Auf eigene Faust".

Weitere Termine

Weitere Aufführungen des Stücks "Auf eigene Faust" sind am Donnerstag, 17. Mai und Freitag, 18.M ai, jeweils um 19 Uhr (Einlass 18.30 Uhr). Karten gibt es jeweils bei der Tourist-Info, Telefon 09632/88160, sowie - soweit noch vorhanden - an der Saalkasse des Kunsthauses. (plym)

 
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