So rüstet der Forstbetrieb Waldsassen seine Wälder gegen den Klimawandel

Waldsassen
18.09.2023 - 15:20 Uhr
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Kahlflächen und Trockenschäden sind in vielen Wäldern Realität. Der Klimawandel stellt auch den Forstbetrieb Waldsassen vor noch nicht absehbare Herausforderungen. Diese Maßnahmen laufen in den Staatswäldern im Landkreis Tirschenreuth.

Seit mindestens 40 Jahren werden die Wälder in Bayern von reiner Fichtenmonokultur in gemischte Wälder umgebaut. Diese Entwicklung begleitet Norbert Zintl, Leiter des Forstbetriebs Waldsassen der Bayerischen Staatsforsten, seit er 1982 sein Studium der Forstwissenschaft begonnen hatte. "Als ich zum Studieren angefangen habe, wollte man dauerwaldige Strukturen, wo es immer genug zum Ernten gibt." Jedoch zeigt der Klimawandel eine rasante Problematik, die Forstexperten vor ein Dilemma stellt.

"Durch die Entwicklung der vergangenen Jahre merkt man, dass die Baumarten nicht mehr stimmen", sagt Zintl. Gerade die Bayerischen Staatsforsten würden sich zum Ziel setzen, Wirtschaftlichkeit, Naturschutz und Erholung in Einklang zu bringen. Aber ist das auch mit dem Klimawandel vereinbar? Forstwirtschaft sei laut Zintl ein langwieriger Prozess, der 100 Jahre und noch länger dauert. "Die Entscheidung, die man heute trifft, muss in 100 Jahren nicht die richtige gewesen sein", sagt der 61-Jährige.

"Wollen keine Steppenlandschaft"

Das Beispiel Frankenwald zeige, wie sehr die Wälder unter der Klimakrise leiden. Trockenheit und der Borkenkäfer führen dort zu großen Kahlflächen. "Wir merken, dass die Situation auch auf das Fichtelgebirge übergegriffen hat", so Zintl. Jedoch halte sich die Situation im Landkreis Tirschenreuth noch in Grenzen. Hier herrsche noch kälteres Klima und es gibt mehr Niederschläge. Aber Zintl gibt zu: "Es ist eine Herausforderung, keine Kahlflächen zu haben." So sollte am Boden immer etwas sein, das nachwächst. "Wir wollen keine Steppenlandschaft", betont er.

Zintl räumt ein, dass er selbst unterschätzt habe, wie stark sich der Borkenkäfer ausbreitet. "Heuer ist das Borkenkäferjahr von der Entwicklungskurve schlimmer als 2019", sagt er. Was tut der Forstbetrieb, um sich zu rüsten? Im Jahr 2020 erneuerte er sein Naturschutzkonzept, in dem ausführlich laufende und zukünftige Projekte im Sinne der Nachhaltigkeit sowie des Natur- und Artenschutzes beschrieben werden. Der Forstbetrieb hat eine Fläche von 23.000 Hektar. "Wir haben große zusammenhängende Komplexe im Steinwald, Oberpfälzer Wald und bei der Waldnaabaue. Da haben wir viel Einflussmöglichkeiten", sagt Zintl.

Um das Risiko von absterbenden Bäumen zu streuen, sollen in den Wäldern vier Baumarten etabliert werden. Neben der Fichte werden Lärche, Douglasie und Eiche gepflanzt. "Wir setzen verstärkt auf Naturverjüngung", so Zintl. So werden ältere Bäume geerntet, damit Licht auf den Boden fällt und jüngere Bäume wachsen können. Der Forstbetriebsleiter weiß aber auch: "Wälder sind immer ein Ausdruck der Zeit." Die hohen Fichtenbestände seien nicht grundlos gepflanzt worden. "Bis in die 1960er Jahre war Nadelholz das Ding", so der Forstbetriebsleiter.

Über 50 Prozent Fichte

Der Fichtenbestand liege bei über 50 Prozent. Gerade für die Wirtschaftlichkeit bleibe die Fichte laut Zintl zentraler Bestandteil der Wälder. "Sägewerke wie die Ziegler-Group profitieren davon." Der Wald als Wirtschaftswald sei nach dem Ersten Weltkrieg entstanden. "Holz wurde als Reparationszahlung verwendet. Da hat es viele Kahlflächen gegeben." Es stellte sich ein, dass jede Fläche vor allem wirtschaftlich genutzt werden sollte. Zu dieser Zeit hatte die Bevölkerung einen Bedarf an Brennholz oder Holzkohle zum Heizen. Früher sei der wirtschaftliche Gedanke größer gewesen, während heutzutage der Naturschutz eine wichtige Rolle spielt. "Aber ohne wirtschaftlichen Erfolg können wir das nicht machen", erklärt Zintl. Dieser finanziere auch entsprechende Projekte.

Was ist der älteste Baum im Forstbetrieb? Pauschal kann das Zintl nicht beantworten. Im Bereich Bärnhöhe gebe es laut ihm einzelne Bäume, die 180 bis 200 Jahre sind. Diese stehen in sogenannten Klasse-I-Wäldern, deren Bäume 140 Jahre und älter sind. In dieser Kategorie sind alle alten naturnahen Waldbestände, seltene Waldbestände und die Naturwaldreservate zusammengefasst. Hier werden keine Bäume geschlagen oder andere forstliche Maßnahmen durchgeführt. Insgesamt gibt es 253 Hektar im Gebiet des Forstbetriebs Waldsassen.

Jährlich gibt es im Forstbetrieb einen Zuwachs von 215.000 Festmetern Holz, davon werden etwa 150.000 bis 160.000 Festmeter geschlagen. Betreut werden zehn Reviere im Forstbetrieb. Die Mitarbeiter müssen die Eckpunkte für Klima- und Artenschutz kennen. Alle zehn Jahre macht der Forstbetrieb eine Inventur. Die jüngste fand 2017 statt. Dabei wurde etwa festgestellt, dass sich Totholzmengen von 3,2 auf 6,5 Kubikmeter pro Hektar verdoppelt haben. Das Totholz bietet Lebensraum für zahlreiche Amphibien- und Insektenarten. Weiterhin werden Nistkästen für Vögel, Nagetiere oder Fledermäuse aufgehängt oder Lebensräume für den Fisch- und Seeadler, Luchs und Biber geschaffen.

Moore renaturiert

Ein weiterer Schwerpunkt im Sinne des Naturschutzes ist die Renaturierung von Mooren, die früher trocken gelegt wurden. Sie werden als wichtige Speicher von Kohlenstoffdioxid angesehen. Dies findet etwa in Griesbach bei Mähring, im Steinwald, Oberpfälzer Wald und in der Waldnaabaue statt. Wie das Naturschutzkonzept besagt, nehmen die Moorwälder eine Fläche von 162 Hektar ein. Dabei handelt es sich überwiegend um Fichtenmoorwald mit einer Fläche von etwa 95 Hektar. Offene Moorflächen sind rund 85 Hektar im Forstbetrieb vorhanden.

Heute gebe es eine Vielzahl von Schutzgebieten, was in früheren Jahren Randgebiete gewesen sind. Über 1300 Hektar der Staatswaldfläche liegen in sogenannten Natura-2000-Schutzgebieten. Dabei handelt es sich um ein europäisches Netz von Schutzgebieten zum länderübergreifenden Schutz wildlebender heimischer Pflanzen und Tierarten und deren Lebensräume. 365 Hektar der Staatswaldfläche liegen in Naturschutzgebieten. "Viele Verbände beobachten auch unsere Arbeit." Deshalb kooperiert der Forstbetrieb etwa mit dem Oberpfälzer Waldverein, dem Fichtelgebirgsverein, Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB), den Kreisgruppen des Bunds Naturschutz, dem Naturpark Steinwald und dem Landschaftspflegeverband Tirschenreuth. Laut Norbert Zintl hatte der Klimawandel lange keine Auswirkungen in der Region. "Inzwischen merken es alle." Die Menschheit werde sich seiner Meinung nach anpassen müssen.

Hintergrund:

Der Forstbetrieb Waldsassen

  • Die Bayerischen Staatsforsten sind untergliedert in 41 Forstbetriebe mit 373 Revieren. Sie bewirtschaften den Staatswald vor Ort.
  • Zum Forstbetrieb Waldsassen gehören 10 Reviere: Arzberg, Falkenberg, Friedenfels, Griesbach, Groschlattengrün, Hatzenreuth, Mitterteich 1, Mitterteich 2, Mähring und Pullenreuth
  • Fläche Forstbetrieb Waldsassen: 23.000 Hektar
  • Forstbetriebsleiter: Norbert Zintl, Stellvertreter: Florian Fischer

Quelle: www.baysf.de

 
 

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