Waldsassen
08.02.2019 - 15:20 Uhr

Im Winter durch den Wald der Zukunft

Zwei Förster unterwegs auf der verschneiten Forststraße. Der eine war Leiter des Forstbetriebs Waldsassen, der andere ist sein Nachfolger. Gerhard Schneider spricht über die Vergangenheit. Norbert Zintl hat die Zukunft im Fokus.

Beim Waldspaziergang auf der Forststrasse im Hochwald bei der Forstkapelle. Bild: tr
Beim Waldspaziergang auf der Forststrasse im Hochwald bei der Forstkapelle.

Bei der offiziellen Feier anlässlich des Wechsels auf dem Chefposten in der Kloster-Aula bemühte Wolfgang Pröls, Aufsichtsrat und Gesamtpersonalrat bei den Bayerischen Staatsforsten und Förster am Forstbetrieb Waldsassen, eine Forststraße als Metapher für die 60-köpfige Belegschaft. Eine Forststraße deshalb, weil sie dank einer mächtigen Tragschicht große Lasten aushalte und durch die feine Deckschicht gleichzeitig angenehmes Gehen und Fahren ermögliche.

Engagement gewürdigt

Der Führungsstil des scheidenden Betriebsleiters sei mit einer so aufgebauten Forststraße gut vergleichbar. Schneider habe das hohe Engagement der Mitarbeiter erkannt, gefördert und anerkannt. "Unser Chef hat nie wie ein Dominator gewirkt, sondern sich fast immer als Teil des Teams gefühlt." Dem neuen Leiter des Forstbetriebs Norbert Zintl sicherte Pröls zu, dass er seine ersten Schritte als Chef problemlos auf dieser Forststraße gehen könne. "Die Tragschicht ist belastbar!"

Kurz vor dem Wechsel haben sich die beiden Förster einen seltenen Luxus geleistet. Sie fuhren hinaus ins Revier und fachsimpelten bei einem Waldspaziergang über Wald, Wild, Vergangenheit und künftige Aufgaben. Als Ziel hatten sie die Forstkapelle im Revier Hatzenreuth gewählt. Deshalb, weil sie eines der ersten Sanierungsobjekte war, an dem das Forstamt Waldsassen beteiligt war.

Wirtschaft und Erholung

Anfang 2000 begannen die Renovierungsarbeiten an der ziemlich heruntergekommenen "Hartl-Kapelle". Seither ist das Bauwerk, an dem auch ein europäischer Fernwanderweg, der hier Nurtschweg heißt, vorbeiführt. Auch der sogenannte Eselsgraben, der einst, der Legende nach, die Besitzabgrenzungen des Klosters Waldsassen markierte, führt hier entlang. Ein Beispiel, wie Schneider erklärt, dass der Forst nicht nur ein Wirtschaftsbetrieb ist, sondern auch das Wohl Erholungssuchender im Blick hat.

Als weitere Beispiele dafür nannte er unter vielen anderen den Walderlebnispfad Glasberg, das Waldhaus mit Infozentrum im Steinwald bei Pfaben, die Sanierung der Kapelle "Alter Herrgott", den Reslpfad, "Köllergrün", den Gründungsort Waldsassens, und ganz aktuell, den Sterzer Rundweg, der gerade im Entstehen ist. Im Wald der Gegenwart gehe es darum, wirtschaftliche, naturschützerische und erholungsrelevante Aspekte in Einklang zu bringen.

Das sieht Norbert Zintl genauso und will auf dem vorhandenen Potenzial aufbauen. Der Bereich um die Forstkapelle bot den Förstern viel Stoff zum Fachsimpeln. Vor allem was den Umbau vom bestehenden Wald zu dem, der künftig besser mit dem Klimawandel umgehen können müsse, betrifft. Zintl erläuterte am Beispiel einer Verjüngungsfläche, wie das hier einmal aussehen könnte. Douglasien, Tannen, Lärchen, Buchen könne er sich vorstellen.

Auf starke Beine stellen

Um dem Klimawandel zu begegnen, seien Waldbewirtschafter gut beraten ihre Flächen auf mehrere starke Beine, bestehend aus vier bis fünf Baumarten, zu stellen. Die Fichte werde zwar auch künftig Brotbaum bleiben, aber mit nicht mehr so hohem Anteil wie bisher. Jetzt liege sie bei etwa 60 Prozent, in 40 bis 50 Jahren sieht sie Zintl bei rund 40 Prozent. "Die Fichte wird die zentrale Baumart bleiben. Daneben werden wir einen Mix aus Lärche Douglasie, Buche und anderen Laubbaumarten haben." Fichte werde mittlerweile kaum mehr gepflanzt, komme in ausreichender Zahl über Naturverjüngung. Auch die Kiefer sei hier auf einem guten Weg. Sie sei charakteristisch für das Waldsassener Schiefergebiet und solle schon deshalb gefördert werden. "Längst sei die Forstwirtschaft ein multifunktionales Netzwerk aus Wirtschaft, Wasserschutz, Erholgungsraum und Naturschutz", sind sich die Förster einig.

Aus naturschützerischer Sicht habe man einige Vorzeigeprojekte zu bieten, sagte Schneider. Das Bundesnaturschutz-Großprojekt Waldnaabaue bezeichnete er dabei als "Paradedepferd" - eine Kooperation zwischen Bund, Forst, Naturschutz und Landkreis. Im Bereich Naturschutz habe der Forstbetrieb Waldsassen schon vor vielen Jahren einen "runden Tisch" ins Leben gerufen, an dem einmal im Jahr Vertreter aller relevanten Parteien Pläne schmieden, um Artenschutz und Lebensraumverbesserung voranzutreiben.

Zum Beispiel sei dabei die Idee eines Fledermausmonitorings entstanden, bei dem seltene Arten wie die Mopsfledermaus, der Abendsegler oder die Rauhhautfledermaus nachgewiesen wurden. Was nicht von Ungefähr käme. Dort wo es sinnvoll erschien habe der Forstbetrieb Lebensräume der nachtaktiven Flugsäuger verbessert und insgesamt 3000 Nisthilfen angebracht. Auch die Adlerprojekte mit See- und Fischadler in Zusammenarbeit mit Dr. Daniel Schmidt Rothmund seien erwähnenswert, weil von Erfolg gekrönt.

Dabei habe man mit dem Falkenberger Revierleiter Matthias Gibhardt sogar einen absoluten Experten in den eigenen Reihen, der auch als Berater ausgeliehen werde. "Wir waren einer der ersten Forstbetriebe, der Monitoring betrieben hat, um zu sehen, wo stehen wir, was können wir besser machen und was hat es anschließend gebracht."

Der frischgebackene Forstbetriebsleiter Norbert Zintl war ab der Gründung des Forstbetriebs Waldsassen im Jahr 2005 bereits stellvertretender Betriebsleiter und kennt aus dieser Zeit den Betrieb aus dem Effeff. Ab 2009 war er in Fichtelberg als Kundenbetreuer für den Holzverkauf im Bereich Nordbayern zuständig. In dieser Eigenschaft betreute er Großsägewerke in Thüringen und Bayern. 2016 hat er in Waldsassen sein Haus gebaut. Von 1990 bis 2002 hat er an der Oberforstdirektion in Regensburg an zahlreichen Naturschutzprojekten mitgewirkt. So war er etwa bei der Abgrenzung der FFH- und Vogelschutzgebiete beteiligt.

Mehr Tannen

Die aktuellen Vorgaben, die die Forsteinrichtung erst kürzlich herausgegeben hat, seien für die kommenden zehn Jahre vorrangig. Im Wald funktioniere diese Planwirtschaft hervorragend, was nicht zuletzt daran liege, dass hier in ganz anderen Zeitintervallen gedacht werden müsse.

In dem Papier sei festgelegt, wie hoch der künftige Hiebsatz ist und welche waldbaulichen Maßnahmen umzusetzen sind. Waldumbau angepasst an den Klimawandel und Erhöhung des Tannenanteils, seien unter anderem Empfehlungen, die darin zu berücksichtigen sind. Herausforderungen seien Borkenkäfer, Afrikanische Schweinepest und die Wildschweinplage.

Gerhard Schneider ist zufrieden mit der Inventur des Waldes. "Demnach haben wir in den vergangenen zehn Jahren gut gewirtschaftet und gehaushaltet. Vorräte und Zuwächse sind gestiegen, was zeigt, dass wir sehr nachhaltig unterwegs waren und sogar unvorhersehbare Schadholzereignisse wie etwa Schneebrüche kompensieren konnten." Er sagt: "Nachhaltigkeit ist eine Erfindung der Forstleute."

Gerhard Schneider und Norbert Zintl (von links) beim Fachsimpeln an der Forstkapelle. Bild: tr
Gerhard Schneider und Norbert Zintl (von links) beim Fachsimpeln an der Forstkapelle.
Gerhard Schneider und Norbert Zintl (von links) beim Fachsimpeln an der Forstkapelle. Bild: tr
Gerhard Schneider und Norbert Zintl (von links) beim Fachsimpeln an der Forstkapelle.
Gerhard Schneider und Norbert Zintl (von links) am Schild, das den Nurtschweg beschreibt. Bild: tr
Gerhard Schneider und Norbert Zintl (von links) am Schild, das den Nurtschweg beschreibt.
Eine der Hauptaufgaben des Forstbetriebs Waldsassen ist der Trinkwasserschutz in der Region. Bild: tr
Eine der Hauptaufgaben des Forstbetriebs Waldsassen ist der Trinkwasserschutz in der Region.
Wechsel im Chefbüro. Gerhard Schneider (links) ist ausgeschieden, Nachfolger als Forstbetriebsleiter ist Norbert Zintl. Bild: tr
Wechsel im Chefbüro. Gerhard Schneider (links) ist ausgeschieden, Nachfolger als Forstbetriebsleiter ist Norbert Zintl.
Die Forstkapelle im Revier Hatzenreuth zwischen Waldsassen und Wernersreuth. Bild: tr
Die Forstkapelle im Revier Hatzenreuth zwischen Waldsassen und Wernersreuth.
 
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