Waldsassen
11.12.2020 - 15:43 Uhr

"Zinsen zum Anbeißen" für Mitterhof-Förderer

Für Kerstin und Matthias Frank ist der dritte Sonntag im Advent ein ganz besonderer Termin. Freunde und Unterstützer können der Familie dabei helfen, ihren Lebenstraum Wirklichkeit werden zu lassen. Wie das geht, erläutern zwei Experten.

Nach der Belebung des Mitterhofs will die Familie Frank die Remise (Bild) sanieren. Wer das Vorhaben unterstützen will, kann sich Genussrechte sichern. Bild: kgg
Nach der Belebung des Mitterhofs will die Familie Frank die Remise (Bild) sanieren. Wer das Vorhaben unterstützen will, kann sich Genussrechte sichern.

Die Familie Frank aus Waldsassen hat das frühere Klostergut Mitterhof wiederbelebt. Jetzt geht es um die Sanierung der denkmalgeschützten Gebäude. Alfred Wolf als Projektkoordinator der Initiative Heimatunternehmen und Genussrechts-Expertin Petra Wähning haben die Familie Frank bei ihrem Projekt und der Ausgabe von Genussrechten begleitet. Beide erklären diese besondere Anlageform und weshalb sie für regionale Anleger attraktiv ist.

"Genussrechte sind viel mehr als reine Geldbeschaffung", informieren Wolf und Wähning in einer Pressemitteilung. Die Anleihe bindet die Kunden an den Betrieb und die geben es mit einer enormen Wertschätzung für die Arbeit der Landwirtsfamilie zurück. Auf der anderen Seite hätten auch Geldgeber etwas davon: Sie gestalten aktiv ihr Umfeld mit, kommen in Beziehung und bekommen Zinsen „zum Anbeißen“.

ONETZ: Was sind Genussrechte?

Petra Wähning: Genussrechte sind gängige Finanzierungsinstrumente und eine gute Ergänzung zu Bankdarlehen. Genussrechte ermöglichen es Privatpersonen, direkt in regionale Betriebe und Vorhaben zu investieren und damit aktiv ihr Umfeld mit zu gestalten. Entsprechend sind Genussrechte für Betriebe wesentlich mehr als reine Geldbeschaffung, sie stiften Beziehung. Kunden und Betrieb machen sozusagen gemeinsame Sache und bekennen sich gemeinsam zum Vorhaben. Beide Seiten verbinden damit Sinn und für die Projektträger ist es auch eine Bestätigung für ihren oft enormen Einsatz und ein Vertrauensbeweis, wenn Menschen ihr Geld investieren. Daraus entsteht ein echtes Miteinander. Viele Betriebe sprechen von einer Art familiärer Beziehung und einem guten Zusammenhalt, der über die Jahre entsteht. Die vergleichsweise großzügige Verzinsung in Ware tut ihr Übriges, dass Investoren und Erzeuger regelmäßig zusammenfinden.

ONETZ: Gibt es schon Beispiele aus der Region?

Alfred Wolf: Im Landkreis Tirschenreuth haben wir nun schon einige Erfahrung mit Genussrechten. Es konnten damit Vorhaben auf den Weg gebracht werden, die andernfalls wohl gescheitert wären. Herzensprojekte von Bürgern wie das Ackerbürgerhaus mit eigener Brauerei in Bärnau oder eine Nahversorgung in Mähring. Bei beiden Projekten wurde der entscheidende Eigenanteil über Genussrechte gesammelt werden, wodurch eine Verwirklichung durch Fördergelder möglich wurde. Doch nicht nur das: Wer investiert, ist auch emotional mit dabei, und das bewirkt eine positive Stimmung und damit gute Startbedingungen für die Vorhaben.

ONETZ: Welche Bedeutung haben Genussrechte für die Entwicklung einer Region?

Alfred Wolf: Bei der Initiative HeimatUnternehmen begleiten und vernetzen wir Menschen, die mit ihren Vorhaben auch die Region bereichern, also einen echten Mehrwert für die Region schaffen. Diese Akteure sind mit Begeisterung bei der Sache und schieben richtig an. Ab einem gewissen Moment braucht es dann Geld. Selbst wenn die Maßnahmen – wie auch hier beim Mitterhof – aufgrund ihrer Bedeutung für die Region gefördert werden, braucht es Eigenmittel, um diese Förderungen überhaupt erhalten zu können. Da hilft der Zusammenhalt der Bürger, um so etwas auf den Weg zu bringen. Ich bin zuversichtlich, dass wir zukünftig mehr und mehr gemeinsam in die Region investieren und so unsere schöne Heimat gestalten und lebenswert erhalten. Hinzu kommt die finanzielle Anspannung mancher Gemeinden. Die haben immer schon viele Baustellen, das wird nach Corona nicht besser werden. So sehe ich in dieser Finanzierungsform ein wertvolles Instrument zur Regionalentwicklung, um auch in schwierigen Zeiten Herzensprojekte der Bürger voranzubringen.

ONETZ: Wie kann man mitmachen?

Petra Wähning: Ab einem Betrag von 500 Euro ist man dabei. Man zeichnet dann eine Anleihe beim Mitterhof. Die Unterlagen dazu gibt es bei Familie Frank am Hof oder online. Als Gegenleistung erhält man eine Verzinsung in Ware, vier Prozent sind das am Mitterhof. Man kann auch mehrere Anleihen zeichnen, also vier, fünf oder gar zehn Stück. Bei der Onlineveranstaltung am 13. Dezember um 16.30 Uhr wird alles im Detail vorgestellt und Fragen beantwortet.

ONETZ: Welches Risiko haben die Zeichner?

Petra Wähning: Weil Genussrechte mit einem qualifizierten Nachrang verbunden sind, ist ein Totalausfall möglich. Die Zeichner tragen also ein gewisses Risiko mit. Das ist die Idee dieser Form von Genussrechten. Am besten, man vergleicht es mit Aktien, die kann man auch verlieren. Daher sollen die Investments nur so groß sein, dass der Verlust zu verkraften wäre. Gleichzeitig zeigt sich immer wieder: Wenn Menschen bereit sind, in solche Vorhaben zu investieren, dann sind die Vorhaben auch wirtschaftlich erfolgreich! In den elf Jahren, die ich jetzt Genussrechte betreue, gab es noch kein einziges Projekt mit Zahlungsschwierigkeiten.

ONETZ: Welcher Erfahrung machen Sie mit der Betreuung von Genussrechten?

Petra Wähning: Ich erlebe immer wieder, wie vor Ort die Gemeinschaft und der Zusammenhalt gestärkt werden. Wie Menschen sich freuen, wenn sie durch ein Investment dazu beitragen können, dass ein kleiner Betrieb sich weiterentwickeln kann. Die Kombination aus Fördermitteln und Genussrechten finde ich besonders interessant. Unternehmer auf dem Land, gerade wenn es wie hier ums Tierwohl und eine gute Landwirtschaft oder auch um echtes Handwerk und ehrlichen Genuss geht, werden ja nicht reich. Es sind allesamt Überzeugungstäter: Menschen, die mit ihrem aufrichtigen Engagement die Region bereichern und das Rückgrat unserer Gesellschaft bilden. Wenn es dann noch gelingt, diese Vorhaben einerseits mit der öffentlichen Hand durch die Förderinstrumente und andererseits mit Kunden und Bürgern umzusetzen, stimmt mich das zuversichtlich. Dann wird es plötzlich möglich, gemeinsam eine nachhaltige und lebenswerte Region zu gestalten, gemeinsam kleine, gesunde Kreisläufe und Strukturen und damit Kultur und Tradition zu erhalten.

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Petra Wähnling, Genussrechtsexpertin. Bild: Daniel Delang/ exb
Petra Wähnling, Genussrechtsexpertin.
Alfred Wolf, Projektkoordinator. Archivbild: Via Carolina/exb
Alfred Wolf, Projektkoordinator.
Hintergrund:

Genussrechte-Ausgabe im Internet

  • Die erste Online-Genussrechtsveranstaltung findet am Sonntag, 13. Dezember, ab 16.30 Uhr statt. Sie wird live im Internet übertragen. Die Moderation übernimmt Petra Wähning.
  • Bis dahin sind auch die Genussrechtsbedingungen, Zeichnungsschein, Abtretungsanzeige, Widerrufsformular im Netz eingestellt (www.straussenfarm-mitterhof.de).
  • Kerstin und Matthias Frank sowie Heimatunternehmen-Koordinator Alfred Wolf und die Genussrechts-Expertin Petra Wähning stellen gemeinsam mit Bürgermeister Bernd Sommer das Projekt und die Beteiligungsmöglichkeiten per Genussrecht vor.
  • Der Informationsteil dauert maximal 45 Minuten, dann werden Fragen beantwortet. Im Anschluss werden Interessierten die Unterlagen zur Zeichnung von Genussrechten per E-Mail direkt zugesandt.
 
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