Waldsassen
04.12.2020 - 11:21 Uhr

Mitterhof bei Waldsassen: Zins für Beteiligung in Form von Naturalien

Die Sanierung des Klosterguts Mitterhofs bei Waldsassen geht in die nächste Runde. Die Städtebauförderung hat für eine Förderung grünes Licht gegeben. Den dazu erforderlichen Eigenanteil soll ein besonderes Modell erwirtschaften.

Die Heimatunternehmer Kerstin und Matthias Frank in ihrem Hofcafé. Die Remise des früheren Klosterguts Mitterhof soll mit Unterstützung der Städtebauförderung saniert werden. Bild: awo
Die Heimatunternehmer Kerstin und Matthias Frank in ihrem Hofcafé. Die Remise des früheren Klosterguts Mitterhof soll mit Unterstützung der Städtebauförderung saniert werden.

Mit Hilfe der Städtebauförderung soll die Remise des früheren Klosterguts Mitterhof saniert werden. Die Heimatunternehmer Kerstin und Matthias Frank nehmen dafür einen Kredit auf, setzen eigenes Kapital ein und geben zudem noch Genussrechte aus. "Dann steht einer wirtschaftlich tragfähigen Sanierung der alten, denkmalgeschützten Remise nichts mehr im Weg", heißt es dazu in einer Pressemitteilung von Heimatunternehmen-Koordinator Alfred Wolf und Genussrechts-Expertin Petra Wähning. Einzelheiten werden am dritten Adventssonntag bei er Präsentation erläutert, die im Internet übertragen wird.

Der einstige Selbstversorgerbetrieb des Zisterzienserinnenklosters Waldsassen war flächenmäßig mit stolzen 160 Hektar der größte seiner Art in der nördlichen Oberpfalz. Bis die Schwestern das Anwesen aufgaben. In den folgenden Jahren der Verpachtung in den 60er-Jahren verkam der Hof zusehends. Oder, anders ausgedrückt: Der Mitterhof war dem Verfall geweiht. Aus der Zeit gefallen, war er für das Betreiben einer herkömmlichen Landwirtschaft nicht mehr geeignet. Der Umstand, dass der gesamte Gebäudekomplex unter Denkmalschutz steht, tat sein Übriges: Niemals hätte man die Kosten für die Renovierung auf wirtschaftlich tragfähige Beine stellen können. So schien sein Schicksal besiegelt. Bis die Familie Frank kam.

Start als Selbstversorgerprojekt

„Jahrelang habe ich wehmütig beobachtet, wie der Mitterhof verfällt. Bis die Idee kam, dort wieder Landwirtschaft zu betreiben“, sagt Matthias Frank im Rückblick. Als er seine Frau Kerstin in das Vorhaben einweiht, hält sie ihn erst für verrückt. Doch schließlich ist sie bereit mitzumachen. „Wir wollten gesundes Fleisch aus einer naturnahen Landwirtschaft produzieren. Es startete als Selbstversorgerprojekt. Den verwahrlosten Hof zu sanieren, daran war bei der Übernahme nicht zu denken.“

Die veralteten Stallungen hätten keine Haltung gängiger Tierrassen zugelassen. Die Wende kommt mit dem Strauß: Die arrondierten, langen und ebenen Weiden eignen sich perfekt für die Tiere, auch die Herrichtung von Stall und Schlachtraum war aus eigener Kraft zu stemmen. Mit den Tieren kamen die Besucher und damit Zuversicht. Menschen interessierten sich für den Hof, das machte den beiden Mut.

Die ganze Familie hilft mit

„Wir haben mit Führungen begonnen. Bald kam die Idee, Kaffee und Kuchen zu verkaufen. Kerstin bäckt wunderbar und hat mit dem Hofcafé ein zweites Standbein etabliert und ihre Berufung gefunden“, erzählt Matthias sehr stolz. Er betont häufig, dass das es den Hof ohne seine sprichwörtlich "bessere Hälfte" nicht geben würde. Überhaupt hilft die ganze Familie mit. Zusammen haben sie das Unmögliche möglich gemacht und dem Mitterhof neues Leben eingehaucht.

Zu den Straußen gesellten sich im Lauf der Jahre Weideschweine und ein kleiner Streichelzoo gefährdeter Nutztierrassen. Eine arbeitsintensive Form der Landwirtschaft, aber eine, die sich in dem alten Gemäuer betreiben lässt. Jeden Freitag kommt das Sozialteam aus Tirschenreuth und hilft, den Schweinestall zu misten. Das Sozialteam betreut psychisch kranke und behinderte Menschen, die Arbeit mit den Tieren am Hof ist bei ihnen sehr beliebt.

Naturnahe Tierhaltung

So ist genau die Art von Landwirtschaft entstanden, von der die Familie Frank immer geträumt hat: mit genügsamen Tieren, die naturnah gehalten werden und nur natürliches Futter fressen. Der Hof ist so zu einer Nutztierarche geworden mit Führungen, Direktvermarktung, Hofcafé und den sogenannten Dinners. Das sind Abende, an denen Menüs aus den Produkten des Hofes gekocht werden: Vom Urschwein, vom Strauß oder von beiden. Auch Grillabende sind im Sommer sehr beliebt in der historischen Kulisse des Innenhofs. Corona hat die Familie kreativ gemacht und mit einem Sonntagsbraten "to go", Kuchen "togo" und vielen eingemachten Köstlichkeiten konnten sie sich bislang gut über Wasser halten.

Dass die Franks so weit gekommen sind, hat sie selbst überrascht. Beide konnten im Verlauf der letzten vier Jahre in Vollzeit in den Mitterhof einsteigen. Das hätten sie alleine nicht geschafft: Ohne die Kunden und die Waldsassener, für die der Mitterhof ein beliebtes Ausflugsziel ist, hätten sie das nie erreicht. Jetzt brauchen sie ihre Kunden und Sympathisanten mehr denn je.

Restaurant in der Remise

Die Veredelung und der Verkauf der Produkte am Hof gehören zwingend zum Konzept; anders wäre er nicht wirtschaftlich zu betreiben. Damit dieser Bereich sich weiter gut entwickeln kann, soll die Remise zu einem rustikalen Restaurant und einer Produktionsstätte umgebaut werden. Hier könnten sie dann die beliebten Dinner in stimmigem Ambiente abhalten, kochen und einwecken und den Ort auch für Veranstaltungen und Feiern zur Verfügung stellen. Da alle Gebäude des Hofes unter Denkmalschutz stehen, ist auch dies eine aufwendige und kostspielige Angelegenheit. Ohne Hilfe ist kein einziges Gebäude wirtschaftlich tragfähig zu sanieren.

Überhaupt ist die Sanierung des denkmalgeschützten Hofes eine Mammutaufgabe. Perspektivisch soll später ein großer Gebäudeteil zu einer Außenstelle des Sozialteams werden, das damit langfristig einsteigt und ein eigenes Gebäude saniert. Das Haupthaus bleibt ein Café mit Ferienwohnungen im Obergeschoss.

Mammutaufgabe

Dem unermüdlichen Einsatz des Waldsassener Bürgermeisters Bernd Sommer und der Begleitung durch Alfred Wolf und Willibald Perzl im Auftrag der Verwaltung für ländliche Entwicklung ist es zu verdanken, dass die Städtebauförderung nun grünes Licht gegeben hat.

Sobald der Eigenanteil nachgewiesen werden kann, sind sie mit der Förderung dabei. "Am Mitterhof, einem einzigartigen Kulturgut unserer Region, kann mit der Sanierung der Remise begonnen werden", schreiben Wolf und Wehning.

Beteiligung ab 500 Euro und 4 Prozent

Für den aufzubringenden Eigenanteil werden die Franks all ihre Eigenmittel investieren, Eigenleistungen erbringen, einen Kredit aufnehmen und mittels Genussrechten ihre Kunden einbinden. Genussrechte sind ein Finanzierungsinstrument, das eine direkte finanzielle Beteiligung von Bürgern an einem Betrieb ermöglicht. Ab einem Betrag von 500 Euro kann man sich an dem Projekt beteiligen. Die Verzinsung von vier Prozent gibt es in Ware, einlösbar für das gesamte Angebot des Mitterhofs. Insgesamt sollen mit Hilfe der Genussrechte 100.000 Euro gesammelt werden.

„Mit unserem Anliegen, regional, handwerklich und naturnah zu wirtschaften, sind wir unseren Kunden und Freunden, verbunden. Diese Verbindung möchten wir mit der Beteiligung durch Ihre Genussschein-Darlehen intensivieren und vertiefen – Gemeinsam den Mitterhof erhalten“, so Matthias Frank.

"Auch persönlich bin ich von dem Vorhaben überzeugt und werde selber investieren."

Bürgermeister Bernd Sommer

Bürgermeister Bernd Sommer

Bürgermeister Bernd Sommer: „Der Einsatz der Familie Frank und ihr unternehmerischer Mut sind beachtlich. Daher unterstützen wir das Vorhaben mit aller Kraft. Auch persönlich bin ich von dem Vorhaben überzeugt und werde selber investieren.“

Die detaillierten Konditionen des Genussrechts sind ab dem 13. Dezember online (www.straussenfarm-mitterhof.de) abrufbar. Interessierte können sich aber auch direkt an die Familie Frank wenden.

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Wernersreuth bei Bad Neualbenreuth08.11.2020
Hintergrund:

Erstmalige Ausgabe online von Genussrechten

Nachdem wegen Corona eine Präsenzveranstaltung nicht durchführbar ist, werden nun erstmalig in einer Online-Veranstaltung Menschen gesucht, die in den Mitterhof investieren wollen. Am dritten Adventssonntag, 13. Dezember ab 16.30 Uhr, besteht die Gelegenheit, sich über die Plattform "Zoom" bei der Vorstellung des Projekts im Rathaus Waldsassen zuzuschalten und sich über diese besondere Anlageform zu informieren.

  • Das Ehepaar Kerstin und Matthias Frank sowie Heimatunternehmen-Koordinator Alfred Wolf und die Genussrechts-Expertin Petra Wähning stellen gemeinsam mit Bürgermeister Bernd Sommer das Projekt und die Beteiligungsmöglichkeiten per Genussrecht vor und beantworten Fragen.
  • Der Informationsteil dauert maximal 45 Minuten, dann werden Fragen beantwortet. Im Anschluss werden Interessierten die Unterlagen zur Zeichnung von Genussrechten per E-Mail direkt zugesandt.
  • Ganz bequem von zu Hause aus kann man teilnehmen. Benötigt wird dazu nur ein normaler Internetzugang und schon kann man sich per Audio oder Video zuschalten. Die Zugangsdaten stehen auf der Internetseite des Mitterhofs (www.straussenfarm-mitterhof.de).
Zur Nutztierarche geworden ist der Mitterhof. Archivbild: ubb
Zur Nutztierarche geworden ist der Mitterhof.
 
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