Waldthurn
23.12.2019 - 11:33 Uhr

"Bei ,Stille Nacht' könnte man weinen": Weihnachten in der Großfamilie

Wenn bei Martina Betz an Heiligabend das Glöckchen klingelt, leuchten nicht nur Kinderaugen. Die 35-Jährige aus Waldthurn feiert mit 13 Verwandten. Die Bescherung dauert Stunden, und damit alle Platz haben, müssen Möbel gerückt werden.

Unter den Weihnachtsbaum passen all die Geschenke für 14 Personen nicht. Bild: exb/Lindner
Unter den Weihnachtsbaum passen all die Geschenke für 14 Personen nicht.

"Wir feiern schon, so lange ich denken kann in dieser Runde", sagt Martina Betz. Sie wohnt mit ihren Töchtern Sophia (10) und Pauline (2) sowie ihrem Freund Martin Gollwitzer in Waldthurn. Ihre Familie reist zu Heiligabend aus Orten quer durch den Landkreis an: Floß, Würzelbrunn bei Floß, Reiserdorf bei Störnstein, Neustadt, Weiherhammer und Wildenau. Drei Generationen verbringen die Feiertage miteinander.

Die Vorfreude ist groß bei den großen und kleinen Mitgliedern der Familie. Heidrun Lindner, Schwester von Martina Betz, fasst es in Worte: "Der Weihnachtsduft im Zimmer und das Leuchten der Lichter sind gigantisch. Da kommt man gleich in Stimmung, wenn alles so schön hergerichtet ist", schwärmt sie. Endlich sei es nun wieder so weit.

Zunächst besuchen alle zusammen die evangelische Kirche. "Alle zusammen" heißt: Martina Betz mit Freund und Töchtern, ihre Schwester mit ihren Kindern Anja (27) und Matthias (22) sowie deren Partnern Manuel und Anna-Lena und Hund Nayla, Heidrun Lindners getrennt lebender Ehemann, ihr Bruder Rainer Bock mit seiner Tochter Jasmin Griebsch (23) und ihrem Freund Armin Meier (25) und nicht zuletzt Martina Betz' Eltern Else (68) und Karl Bock (75). Die beiden jüngsten spielen als König und Engel im Krippenspiel mit. "Die Gänsehaut kommt, wenn in der Kirche ,Stille Nacht' erklingt", sagt Martina Betz. Und ihre Mutter ergänzt: "Da könnte man weinen."

Lendentopf für alle

Nach dem Kirchenbesuch wird gemeinsam gegessen. "Wir haben in der Vergangenheit schon Möbel umgeräumt, damit alle Platz haben", erinnert sich Martina Betz. Notfalls werde der Lendentopf ("Den kann man gut vorbereiten") in mehreren Etappen gegessen. Beim Gedanken an das Essen für so viele Leute wird sie nicht nervös. Zumal die Feiertage fair aufgeteilt werden: Am ersten Feiertag kocht ihre Schwester für alle, am zweiten ihre Mutter.

Nach dem Essen läutet das Glöckchen, das in der Familie schon seit Jahrzehnten zu Weihnachten erklingt. "Es kam schon zum Einsatz, als wir noch Kinder waren", erinnert sich Martina Betz. Im Weihnachtszimmer spielt die Zehnjährige Flöte, und die Familie singt.

Vor dem Weihnachtsbaum stapeln sich Geschenke. "Es ist aber nicht so, dass sich alle ungeduldig darauf stürzen", sagt Martina Betz. Stattdessen werde eines nach dem anderen ausgepackt. "Sophie und Pauline lesen vor, von wem und für wen welches Geschenk ist. Die längste Bescherung hat einmal bis 1 Uhr nachts gedauert." Danach sehe es im Weihnachtszimmer immer "etwas chaotisch" aus.

"Das Schönste ist, dass wir alle zusammen sind und es endlich ruhig werden kann", sagt Martina Betz. Für sie ist das kein Widerspruch. Und sie ist dankbar: "Es ist nicht selbstverständlich, dass wir zusammen feiern können." Ihre Schwester stimmt zu: "Das Schönste ist, dass der Stress vorbei ist, dass Ruhe einkehrt und wir zusammen auspacken können."

Nikolaus oder Christkind?

Für Sophie und Pauline sind die Geschenke der Höhepunkt. Die Zweijährige kann sich an ihr erstes Weihnachten im vergangenen Jahr kaum erinnern - an das große Auto, das sie geschenkt bekam, allerdings schon. Sie ist aber nicht ganz sicher, ob es der Nikolaus oder das Christkind gebracht hat. Sie habe lange ans Christkind geglaubt, erinnert sich ihre Oma Else. Für sein Pferd habe sie deshalb früher jedes Jahr Heu nach draußen gebracht. "Meine Geschwister und ich haben als Kinder immer am 23. Dezember Ärger bekommen, weil wir so aufgeregt und neugierig waren", erinnert sich Martina Betz. "Unser Papa hat oft gewarnt, er würde den 24. aus dem Kalender ausreißen, und dann würde er ausfallen."

Ihrer Mutter fällt noch eine Anekdote ein. Vor Jahren gab es ein Geschenk mit sehr viel Papier drumherum. "Ist das alles Müll, oder was?", fragte die damals dreijährige Sophie. "Es gibt eigentlich jedes Jahr so einen Brüller", erzählt Martina Betz. Ihre Mutter habe einmal Tickets für Florian Silbereisen bekommen. "Ich habe gedacht, hoffentlich muss ich da nicht mitgehen. Am Ende hatten wir aber alle Tickets, und es war sehr schön."

Ihre Mutter Else Bock mag vor allem das Zusammensein nach der Bescherung. "Früher habe ich an Heiligabend im Kirchenchor gesungen. Heute bleibe ich daheim. Man fühlt sich dem Verein schon verpflichtet, aber die Familie sollte ja an erster Stelle stehen." Seit 25 Jahren singt die 68-Jährige im evangelischen Kirchenchor Floß. Und sie bleibt ihm trotz Familienfeier auch an Weihnachten treu: Sie singt nun am ersten Weihnachtsfeiertag statt an Heiligabend.

Der Zusammenhalt ist groß: Die Familie verbringt nicht nur Weihnachten, sondern auch Nikolaus, die Flosser Kirwa, Geburtstage und Ostern zusammen. "Wir sind zusammengewürfelt, aber trotzdem passt alles. Jeder freut sich darauf, und keiner hat das Gefühl, dass er dabei sein muss", erzählt Martina Betz. Es verschwinde auch niemand vorzeitig, sagt ihre Schwester. "Normalerweise bleibt jeder von uns bis zum Schluss."

 
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