Waldthurn
10.06.2018 - 16:37 Uhr

Von Wall umgebener Turm

Georg Schmidbauer improvisiert: Weil ein Gewitter aufzieht, macht er aus der heimatgeschichtlichen Wanderung einen virtuellen Streifzug mit überraschenden Erkenntnissen über die Geschichte von Waldthurn.

(fvo) Der Heimatkundliche Arbeitskreis ist gerademal drei Tage alt, da führte Vorsitzender Georg Schmidbauer bei einer heimatgeschichtlichen Wanderung geschichtsinteressierte Frauen und Männer durch Waldthurn. Bereits nach den ersten Erklärungen zog über den Ort am Fuße des Fahrenbergs ein Gewitter auf, kurzerhand nahm Schmidbauer mit seinen bildhaften Erzählungen die Geschichtsinteressierten, die bis aus Berlin gekommen waren, unter dem Dach des Heimatmuseums an der Vohenstraußer Straße virtuell, aber trocken mit durch den Ort.

Er erklärte kurz die einzelnen Herrschaften von Waldthurn, angefangen von den Herren von Waldthurn (bis 1308), über die Herren von Waldau auf Waldthurn (1308 bis 1540), Herren von Wirsberg (1540 bis 1647), die herrenlose Zeit (1540 bis 1647), das goldene Zeitalter unter den Fürsten von Lobkowitz bis hin zur heutigen Zeit unter den Bayern, die seit 1807 dauert.

"Der Ortsname Waldthurn hat nichts mit einem Wald zu tun." An der alten Heerstraße Nürnberg-Pilsen wurde zur Sicherung im 12. Jahrhundert ein Burgstall errichtet. Dieser bestand aus einem hölzernen Turm auf einem künstlichen Hügel, der von einem aufgeschütteten Wall umgeben war. Der Name Thurnbühl bedeutet Turm (Thurn) auf dem Hügel oder der Anhöhe (Bühl). Der Ortsname ist demnach zu deuten als ein von einem Wall umgebener Turm. Nach dem Kauf der Herrschaft Waldthurn ließ Fürst Wenzel Eusebius 1666 ein neues vierflügeliges, dreigeschossiges Schloss mit 30 Zimmern als Sommersitz errichten. Es war der Lieblingsort der Fürstin Augusta Sophia. Der Fürst weilte meist in der österreichischen Hauptstadt Wien und kam nur drei- bis viermal im Jahr nach Neustadt. "Das Lobkowitzer Gebiet reichte von Weiden aus inklusive Neustadt bis an die Grenze zu Böhmen", erklärte der Sprecher auf die Frage eines Interessierten aus der Bundeshauptstadt. 1807 ging das Gebäude in bürgerliche Hände, es entstand ein Wirtshaus, die "Post", später der Kindergarten, und derzeit nützt es die katholische Pfarrgemeinde als Pfarrheim. Der "Schmidbauer-Schorsch" erläuterte die verschiedenen Stationen. Er erklärte die geschichtlichen Hintergründe des Lobkowitzbrunnens samt der bemerkenswerten Löwen-Reliefbilder.

So sahen viele zum ersten Mal den Wappenstein des "energischen" Georg Christoph Wirsberg und seiner Frau Salome, geborene Schwanberg, am ehemaligen Gärtnerhaus. Aufmerksamkeit erregten die kostbaren Zunftstangen in der Pfarrkirche St. Sebastian, die früher St. Jodok hieß. Zunftpatrone sind beispielsweise der heilige Wolfgang, der Patron der Zimmerleute und Bildschnitzer. Waldthurn war im 18. Jahrhundert geradezu eine Hochburg von hervorragenden Bildschnitzern und Kunstschreinern. Auch der Pestheilige, der heilige Rochus, ist vertreten. Die Zunftstangen werden heute bei der Fronleichnamsprozession durch die Straßen getragen. Schmidbauer berichtete von den Gruften der Wirsberger in der Pfarrkirche.

Über den Marktplatz ging es zur Darstellung der Krönung Mariens. Die achtkantige Säule, umgeben von einer Balustrade, wurde 1724 errichtet und wird im Volksmund Dreifaltigkeitssäule genannt. Einen Steinwurf entfernt waren die herrschaftliche Brauerei Bodensteiner und das "Untere Tor" mit Amtsknechtwohnung (Gerichtsdienerhaus), gleichzeitig Fronfeste (Gefängnis). Das Obere Tor war früher auf Höhe des Gesundheitszentrums.

Schmidbauer erzählte vom alten Schloss Waldthurn, erbaut um 1200. "Wir hatten bayernweit 1948 das erste ,Haus der Bäuerin', das später Schule und heute eine Arztpraxis beheimatet. Ich habe im heutigen Wartezimmer Unterricht gehalten", erinnert sich der ehemalige Lehrer.

Unterhalb des heutigen "Hauses der Bäuerin" befand sich die fürstliche Meierei. Es war ein Gutshof der zur Burg, zum alten Schloss, gehörte. Dort wurden knapp 60 Rinder, 12 Schweine, aber auch "Vier indianische Hennen", wie man damals Truthähne nannte, gehalten. Bis 1807 war gegenüber eine große Schäferei mit 1000 Schafen im Sommer und 400 im Winter.

Zur Speisung der Schlossmühle staute man die Luhe im ehemaligen Schlossweiher auf. In diesem kleinen See, der bis zur Grubmühle ging, schwammen täglich viele Gänse, was den Waldthurner zu ihrem Spitznamen "Gänsbürger" oder auch "Gänstatscher" verhalf. Die Statue des heiligen Nepomuk wurde vor Jahrzehnten gestohlen. Nach Jahren der Fahndung tauchte sie in Oberbayern wieder auf und steht heute im Heimatmuseum.






 
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