Zum 150. Geburtstag von Max Reger: Ein Komponist zwischen Genie und Absturz

Weiden in der Oberpfalz
18.03.2023 - 12:24 Uhr
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Max Reger ist kein Bach, Mozart oder Beethoven. Trotzdem führt in Weiden kein Weg an ihm vorbei. Zu seinem 150. Geburtstag haben wir Weidener gefragt, was sie an dem Komponisten und seiner Musik so faszinierend finden.

Max Reger, das ist der mit der Halle, oder? Wenn man auf den Straßen von Weiden Menschen fragt, wer Max Reger ist, folgt oft betretenes Schweigen. "Ein Autor vielleicht?" Kalt. "War das ein Lehrer?" Wärmer – Reger stammte immerhin aus einer Lehrerfamilie und wäre fast selbst einer geworden. "Den hatten wir in der Schule, in Musik." Noch wärmer. Trotzdem: Die Stadt Weiden ist stolz auf ihren – mehr oder weniger – bekannten Sohn.

So stolz, dass dieses Jahr, das, in dem der Komponist 150 Jahre geworden wäre, ordentlich gefeiert wird. Mit Projekten, einem Festbier, einer Sonderbriefmarke und "ein paar lustigen Dingen", wie Petra Vorsatz erzählt. Als Leiterin des Amtes für Kultur, Stadtgeschichte und Tourismus hat sie die Hand über alle geplanten Konzerte und Aktionen im Reger-Jahr. Und außerdem viel Wissen über und noch mehr Leidenschaft für den Komponisten. "Für mich ist Max Reger eine der interessantesten Persönlichkeiten der Musikgeschichte."

Meister des Eigenmarketings

Das Besondere an ihm, so Vorsatz, ist seine Vielfalt. "Er kann eigentlich alles, Orgel, Kammermusik, Lied. Ich sage immer, wenn er noch älter geworden wäre als 43 Jahre, hätte er vielleicht noch eine Oper komponiert." Doch nicht nur musikalisch fasziniert Reger die Archivarin. Er sei etwa auch ein Meister des Eigenmarketings gewesen, habe systematisch für die Verbreitung seines Werkes gesorgt. "Der hat ganz viele Werke berühmten Künstlern seiner Zeit gewidmet. Die hatten eigentlich gar keine andere Chance, als sie zu spielen."

Trotz allen Erfolgs, den Reger in Wiesbaden, München und Leipzig hatte, war der Komponist im Herzen immer Weidener. Auch wenn er der Stadt nicht ganz unkritisch gegenüberstand: "Für Weiden ist nun auch der Zeitpunkt gekommen, dass die Weidener aus dem Winterschlaf erwachen", und "Schlägt denn der Puls des Lebens in Weiden überhaupt? Das alte, liebe Nest", soll er gesagt haben. "Also, schon ein bisschen liebevoll-herablassend, aber er hat sich hier auch wohlgefühlt", denkt Vorsatz.

Nach einer großen Krise 1898 holte ihn seine Schwester Emma zurück in das Elternhaus in der Bürgermeister-Prechtl-Straße. Hier hat er sich nicht nur von einer unglücklichen Liebe und enormem Stress erholt, sondern auch einige seiner bedeutendsten Werke geschrieben. Etwa die Phantasie und Fuge über B-A-C-H, die so kompliziert war, dass Kollegen entsetzt waren.

Komplex und üppig

Dass Reger sehr komplex und deshalb verdammt schwer zu spielen ist, können die Jazzmusiker Jeremias Kaiser und Lukas Höllerer sowie Diplompianist Lars David Kellner bestätigen. Drei Musiker, drei Weidener, und trotzdem haben sie sehr unterschiedliche Herangehensweisen an Regers Musik.

"Reger muss wahnsinnig große Hände gehabt haben, denn wenn ich seine Harmonium-Werke spiele, merke ich, wie mir hinterher die Hand wehtut", erzählt Kellner. Er hat auf dem Harmonium, das der Orgel ein wenig ähnelt, mehrere Stücke von Reger eingespielt und ist deshalb vertraut mit dessen Werken. "Gutes Legato, stimmige Interpretation, das sind große Herausforderungen in Regers Musik. Und natürlich überhaupt mal dieses Wirrwarr und dieses sehr Üppige, das er in seiner Musik hat, geistig und emotional zu durchdringen. Das ist eine Lebensaufgabe, wahrscheinlich."

Klassiker neu interpretiert

Kaiser und Höllerer haben einen etwas anderen Weg gewählt, sich mit Regers Musik auseinanderzusetzen. Im Reger-Jahr 2016, damals war der 100. Todestag, beauftragte sie das Kulturamt Weiden damit, das Projekt "Reger/Now" auf die Beine zu stellen. Die beiden haben mit ein paar weiteren Freunden eine Band, das Strompost-Kollektiv. "Wir haben uns größte Mühe gegeben, mit unseren Einflüssen seine Musik ein bisschen neu zu interpretieren", so Höllerer.

Dazu haben sich die Musiker Stücke ausgesucht, unter anderem aus dem Klavieralbum "Blätter und Blüten". Daraus hat Kaiser die Harmonien genommen und Jazz-Stücke gemacht. Manchmal hat auch sein Vater Hanns-Friedrich Kaiser, der ehemalige Meister der Reger-Orgel in der Kirche St. Michael, seinen Senf dazugegeben. Höllerer: "Wir haben bei Jeremias zu Hause geprobt, haben an einem neuen Stück gearbeitet. Auf einmal kommt Jeris Papa aus der Küche, sagt 'Jeremias, macht mal hier und da und so, und dann ist es Reger.' Und ist wieder ab in die Küche."

Klischees abbauen

Trotz aller Improvisation und allem Jazz sollte Reger nicht unkenntlich werden. "Wir haben versucht, seine Harmonien aufzunehmen, aber das auf die Struktur und die Einfachheit von zeitgenössischen Jazzsounds zu bringen. Reger zeichnet sich ja oft durch viele unvorhergesehene Wendungen aus und Dinge, die einem auffallen als Hörer."

Das findet auch Kellner: "Reger ist nicht nur ein Mikrokosmos, sondern ein Makrokosmos." Beim ersten Hören denke man sich, dass man das Stück noch einmal hören müsse. Und das kann das Zuhören schwer machen, das sieht auch Vorsatz ein. "Wir hoffen, dass wir einige Klischees abbauen, die immer noch ein bisschen existieren." Klischees wie zu komplex, zu viel, zu laut. Oder: "Verquertheit und der nicht ganz einfache Ansatz", wie es Höllerer ausdrückt.

Zur Bekanntheit beitragen

Doch gerade das ist das Interessante an Regers Musik. Und deshalb gibt es verschiedene Aktionen in diesem Reger-Jahr. "Wir hoffen sehr, dass wir viel dazu beitragen, dass die Weidener Reger kennen", so Vorsatz. An erster Stelle stehen da die Max-Reger-Tage, bei denen dieses Jahr am 19. März unter anderem das Chorwerk Ruhr Reger und Brahms auf die Bühne bringt. "Aber wir haben auch ein paar lustige Dinge vor", sagt Vorsatz lachend. "Nachts im Museum" mit der FOS/BOS, eine Reger-Nacht mit verschiedenen Standorten in der Stadt, ein Konzertabend, bei dem Organisten über Stücke von Reger improvisieren, die man sich wünschen kann. Außerdem ein Kinderprojekt, bei dem die kleinen Teilnehmer der großen Reger-Orgel ganz nah kommen dürfen.

Apropos Reger-Orgel: Die Orgel in der Kirche St. Michael ist nicht mehr das originale Instrument, auf dem der Komponist selbst spielte. Der originale Spieltisch steht im Max-Reger-Zimmer im Stadtmuseum. Eine Legende, die Vorsatz erzählt, besagt, dass er bei seinem ersten Auftritt mit 14 Jahren nicht wirklich aufgeregt war, sondern lieber vorher noch in Ruhe seine Knackwurst essen wollte, die er in der Tasche hatte. Allerdings ist die aktuelle Orgel ein Instrument, auf dem Reger gerne selbst gespielt hätte. "Mit dieser Orgel kannst du sämtliche Facetten abdecken. Diese Orgel hätte ihm Spaß gemacht", da ist sich die Archivarin sicher.

Brand (VG Neusorg)23.02.2023
Deutschland & Welt16.03.2023
Hintergrund:

Das war Max Reger

  • Geboren: Reger wird am 19. März 1873 in Brand im Landkreis Tirschenreuth geboren.
  • Umzug:Ein Jahr später, 1874, kommt er nach Weiden, weil sein Vater Lehrer an einer Schule in Weiden wird.
  • Klavierunterricht: Reger lernt mit fünf Jahren Klavier bei seinen Eltern, ab 1884 bei Adalbert Lindner, der später auch sein Biograf ist.
  • Lehrerberuf: Seine Eltern wollen, dass Reger Lehrer wird. 1889 besteht er die Aufnahmeprüfung für das Königliche Lehrerseminar Amberg. Trotzdem entscheidet er sich für die Musik.
  • Ausbildung: 1890 zieht er zuerst nach Sondershausen (Thüringen) und studiert bei Hugo Riemann, einem bedeutenden Musiktheoretiker. Im gleichen Jahr folgt er Riemann nach Wiesbaden.
  • Wiesbaden: Hier gewinnt Reger erstmals an Bekanntheit und gibt nebenbei Klavierunterricht. Wegen harter Kritik und einer unglücklichen Liebe erlebt er erste Krisen.
  • Probleme: Im Oktober 1896 beginnt seine einjährige Militärzeit, gleichzeitig macht er Schulden. Auch gesundheitlich ist er angeschlagen, Alkohol und Nikotin hinterlassen ihre Spuren.
  • Rückkehr: Regers Schwester Emma holt ihn 1898 zurück ins Elternhaus in Weiden. Hier ist er produktiv wie lange nicht mehr.
  • Elsa: 1899 verliebt er sich in die geschiedene Elsa von Bercken, sie weist ihn zurück. Erst als Reger 1902 schon in München wohnt, heiraten die beiden.
  • Lehre: Zum Schuljahr 1904/05 wird Reger an die Akademie der Tonkunst in München berufen, legt sein Amt aber im Juli 1906 wieder nieder.
  • Umzug: 1907 zieht Reger mit seiner Frau nach Leipzig, wird hier als einer der führenden Komponisten Deutschlands gehandelt.
  • Berühmt: Das erste Reger-Fest wird 1910 in Dortmund gefeiert und markiert den Höhepunkt seines Ruhms. Auch macht Reger erfolgreiche Konzertreisen. Trotzdem wird er in Leipzig hart kritisiert, was seine Alkoholsucht verstärkt.
  • Dirigent: 1911 wird er Hofkapellmeister am Hof des Herzogs Georg II. von Sachsen-Meiningen. Seine Tendenz, sich zu überarbeiten wird auch hier deutlich.
  • Zusammenbruch: Dieser folgt 1914, woraufhin Reger seine Posten abgeben und auf Kur gehen muss. Trotzdem schreibt Reger weiter.
  • Entspannung: Seine ruhigste Zeit verbringt der Komponist im Sommer 1915 in Jena, schon im Oktober gehen allerdings die Konzertreisen weiter.
  • Tod: In der Nacht zum 11. Mai 1916 stirbt Max Reger an Herzversagen in einem Hotel in Leipzig.

Quelle: Max-Reger-Institut

 
 

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