Weiden in der Oberpfalz
30.11.2018 - 18:01 Uhr

Bei Blitzeis in die Schule schlittern

Schüler und Eltern im Landkreis Tirschenreuth haben am Freitagmorgen schnell Gewissheit: Dort fallen die Schulen aus. Derweil glühen in den Sekretariaten in Weiden und dem Landkreis Neustadt die Telefonleitungen.

Die richtige Fortbewegungstechnik macht's: Denn das Dahinschlittern will gekonnt sein. Bild: Gabi Schönberger
Die richtige Fortbewegungstechnik macht's: Denn das Dahinschlittern will gekonnt sein.
Weiden in der Oberpfalz30.11.2018

"Findet der Unterricht statt?" Das sei die zentrale Frage all jener gewesen, die ab 7 Uhr beim Augustinus-Gymnasiumdurchklingelten, sagt stellvertretender Leiter Thomas Kreuzer. Die Auskunft lautete: "Sicherheit geht vor." Im Zweifel sollte das Schulkind also später oder gar nicht raus auf die glatte Straße. Die Bilanz: "Knapp 200 Schüler von insgesamt 750 kamen später oder gar nicht." Auch Lehrer verspäteten sich. Schulaufgaben fielen aus. Wer da war, kam in den Genuss eines regulären Unterrichts.

"In der ersten Stunde war es schon schwierig, den Unterricht sicherzustellen", sagt Sigrid Bloch vom Kepler-Gymnasium und spricht von einer "schwierigen Situation". Eltern riefen an, erzählten von Bussen, die nicht fahren, von Straßen, die nicht passierbar sind. "Es ist schwierig bei solchen extremen Wetterbedingungen der Schulpflicht nachzukommen", gibt Bloch zu. Sicherheit ginge schließlich vor. Am Ende seien tatsächlich viele Schüler nicht oder erst verspätet da gewesen. "Und auch Lehrer wohnen nicht gleich neben der Schule." Die Schule ausfallen lassen könne aber nur die Schulamtsdirektorin. "Und eine solche Info habe ich nicht erhalten."

Die Zeiger stehen mittlerweile auf 11 Uhr. "Ich bin erst seit zehn Minuten hier", sagt Reinhard Hauer. Das Blitzeis hat den Chef des Elly-Heuss-Gymnasiums selbst kalt erwischt. Die Straße vor seinem Haus war lange eine Eislaufbahn. Ähnlich wie vermutlich bei 160 Schülerinnen, die an diesem Tag am "Elly" fehlen. "Wir mussten sogar ein Projekt absagen, weil die Kinder aus Vohenstrauß nicht kommen konnten."

An der Sophie-Scholl-Realschule" herrschte die erste Stunde Chaos", sagt stellvertretender Leiter Georg Hammer. "Denn die Kinder kamen zu spät oder gar nicht, weil Busse nicht fuhren." Vereinzelt seien auch Lehrer zu spät gekommen. Am Ende fanden etwa 80 Prozent der Schüler zum Unterricht, zwei Schulaufgaben mussten verschoben werden.

"In der ersten Stunde schreiben wir in der Regel gar keine Schulaufgabe", sagt der Leiter der Hans-Scholl-Realschule, Michael Meier. Dementsprechend ginge das Problem der Schulaufgabenverlegung gegen Null, zudem fehlten nur etwa 20 Prozent der Schüler. "Die Kleinen waren fast alle da, in den höheren Jahrgangsstufen wurde es lichter." Zudem musste nur auf einen Lehrer verzichtet werden - "und der kam von weiter her aus der Nähe Regensburgs". Den Unterricht habe man einfach verstärkt für Wiederholungen genutzt. "Es gibt immer Tage, an denen man improvisieren muss. Heute war einer davon."

An einen geordneten Unterricht war auch im GymnasiumEschenbachnicht zu denken. Laut Knut Thielsen waren um 8 Uhr von den 750 Schülern nur 150 anwesend, dazu fehlten etliche Lehrer. Mit ein Grund dafür war "Antenne Bayern". Der Radiosender verbreitete, dass die Schule in Eschenbach ausfällt. Da nützte auch später die Entschuldigung nichts mehr. Die Schüler ließen sich im Laufe des Vormittags abholen. Klausuren und Schulaufgaben wurden verschoben.

Von einem "ganz normalen" Unterricht bis 13 Uhr am NeustädterGymnasiumberichtet Anton Hochberger. Weit über die Hälfte der Pennäler seien gekommen.

Beim Nachbarn im Staatlichen Beruflichen Schulzentrum(BSZ) saßen nur 150 der am Freitag üblicherweise 400 jungen Leute in den Klassenzimmern. Chef Anton Dobmayer sprach von einem "an die Situation angepassten Unterricht". Klassen mit wenig Schülern wurden für gemeinsame Projekte zusammengelegt. Die bevorstehende Backaktion in der Grundschule wurde vorbereitet, für das Kasperltheater geprobt oder im Werkraum gearbeitet.

Aus der Not eine Tugend machte auch die Lobkowitz-Realschule. Von den 622 Buben und Mädchen war um 8 Uhr noch die Hälfte absent, bis 9 Uhr immer noch ein Drittel. Irene Sebald ließ Klassen zusammenfassen. Breiten Raum nahmen die Aufbauarbeiten für den großen Weihnachts-Aktionstag an diesem Samstag ein. Andere Kinder ließen sich für Schulaufgaben präparieren. Großes Lob zollt Sebald den Busunternehmen. Sie seien einsichtig gewesen und hätten kritische Gebiete nicht angefahren. Die Schule habe Eltern informiert, dass sie die Kinder nicht in die Schule bringen müssten.

In der Realschule Vohenstraußblieben 140 Kinder weg. Ab der zweiten Stunde lief der Unterricht, wusste Andreas Meier. Der Schulleiter ließ den Pausenhof sperren.

Wegen der überschaubaren Schülerzahl an der Grundschule Vohenstraußwar für Dorit Schmid klar, dass ein regulärer Unterricht nicht möglich ist. Die Kinder wurden bestens betreut, ebenso wie an der Grundschule Neustadt/WN, wo fast die Hälfte fehlte, dazu noch vier Lehrer. Rektorin Heike Merther hatte rechtzeitig die Notfallkette ausgelöst. So erfuhren die Eltern, dass sie ihre Kleinen von der Haltestelle abholen sollen, weil die Busse nicht fahren. Elf Kinder freuten sich etwa über einen Vormittag im Schwimmbad.

Hintergrund:

Selbst die Schulamtsdirektorin kann sich am Freitagmorgen nicht aus dem Haus wagen. Auf Nachfrage, ob die Schule ausfällt, teilt Christine Söllner von zu Hause aus mit: „Wir wurden von den Wetterkapriolen total überrascht. Das Blitzeis hat uns zu spät erwischt.“

Um 6.30 Uhr säßen Schüler schon im Bus auf dem Weg in die Schule. „Eine zu späte Absage führt zu großen Elternirritationen“, erklärt sie ihre Entscheidung in Absprache mit dem Krisenteam gegen den Schulausfall. Dem Gremium gehören der Vertreter eines Gymnasiums, einer Realschule und eines Sonderpädogischen Förderzentrums an. Gegen Mittag zeigt sich die Schulamtsdirektorin erleichtert. Zwar könne sie nicht sagen, wie viele Schüler im Schulamtsbezirk nicht zum Unterricht erschienen sind, „aber vor Ort gab es überall Betreuungsmöglichkeiten, an vielen Schulen wurde ein Notprogramm gefahren“. Im Landkreis Tirschenreuth fiel die Schule ganz aus, Betreuung gab es dort auch für die Schüler, die bereits gekommen waren. „Der Landkreis hat die Meldung aber sehr spät abgesetzt.“ In einer Besprechung des Krisenteams im Oktober sei aber festgelegt worden, dass ein Schulausfall möglichst am Abend vorher anzukündigen sei.

Söllners Fazit: „Ich bin froh, dass nichts passiert ist. Und beim nächsten Fall wird das Krisenteam neu entscheiden müssen.“

Schulamtsdirektorin Christine Söllner. Bild: Gabi Schönberger
Schulamtsdirektorin Christine Söllner.
Im Blickpunkt:

Eiskalt erwischt der überfrierende Regen die Männer der Müllabfuhr. Nichts geht mehr. Sie müssen am Freitagfrüh ihre Arbeit einstellen. Das Landratsamt teilte über seine Abfallapp mit, dass in sämtlichen Orten die Abfallentsorgung abgebrochen worden sei. Dafür müssen die Müllerwerker an diesem Samstag und am Montag, 3. Dezember, eine Sonderschicht einlegen. Die Leute sollen ihre Tonnen stehen lassen, bittet die Kreisbehörde.

 
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