Weiden in der Oberpfalz
28.07.2020 - 15:24 Uhr

Ein "Defi" für jeden Weidener Ortsteil

Braucht Muglhof wirklich einen Defibrillator? Die Stadtverwaltung erkennt zunächst "keine Notwendigkeit" für den Lebensretter. Der Stadtrat dann aber durchaus. Auch andere Ortsteile sollen jetzt mit Geräten ausgestattet werden.

Der Defibrillator am Witt-Platz war laut Stadtrat Rainer Sindersberger zwei Mal in zehn Jahren im Einsatz. Bild: Gabi Schönberger
Der Defibrillator am Witt-Platz war laut Stadtrat Rainer Sindersberger zwei Mal in zehn Jahren im Einsatz.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Defibrillator "draußen auf dem Land" mal ein Leben rettet, ist verschwindend gering. Selbst in der weit belebteren Weidener Innenstadt kommen die "Defis" nur selten zum Einsatz. Insgesamt fünf Notrufsäulen stehen dort an stark frequentierten Orten, zum Beispiel am Issy-les-Moulineaux-Platz und im Max-Reger-Park. Ein sechster Lebensretter für Muglhof? Die Stadtverwaltung sieht dafür schlicht "keine Notwendigkeit", wie Rechtsdezernentin Nicole Hammerl in der Stadtratssitzung ausführt. Doch die Stadträte widersprechen – auf breiter Front. Nicht nur Muglhof, auch andere Ortsteile sollen nun mit "Defis" ausgestattet werden.

Als vordringlich galt der Wunsch, den der bisherige Ortsteilsprecher Reinhard Greiner an die Stadt herantrug, dabei offenbar nicht. Der Antrag datiert vom Februar. Greiner begründet ihn in der Sitzung am Montag in der Max-Reger-Halle selbst, bittet darum, "auch in den Ortsteilen Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen". Bei "Herzinsuffizienz oder Vorhofflimmern" seien die ersten Minuten entscheidend. "Und ein Krankenwagen braucht schon mal eine halbe Stunde, bis er bei uns draußen ist".

Ein Satz, der die Stadträte aufhorchen lässt. SPD-Fraktionschef Roland Richter sowie -Stadtrat und Arzt Matthias Loew machen hier "das eigentliche Problem" aus. Die Stadt müsse nachhaken, auch die Frage stellen, weshalb der Rettungshubschrauber offenbar nicht eingesetzt werde. Loew will das Thema bereits diesen Mittwoch beim Rettungszweckverband ansprechen. Bürgerlisten-Stadtrat Jürgen Mayer, Leiter der Integrierten Leitstelle, kann die Überschreitung der vorgeschriebenen 15-Minuten-Hilfsfrist nicht bestätigen. "Wir prüfen das regelmäßig." 2019 habe es einen einzigen internistischen Einsatz in Muglhof gegeben.

Die Standorte der Defibrillator-Säulen in der Weidener Innenstadt. Grafik: Stadt Weiden
Die Standorte der Defibrillator-Säulen in der Weidener Innenstadt.

Überhaupt die Statistik. Auf den ersten Blick spricht sie generell gegen "Defis". Ein Gerät sei dort vonnöten, wo es in drei Jahren zu mindestens zwei Fällen von Herz-Kreislauf-Stillstand kommt, nennt Loew eine Faustregel. "Eine solchen Punkt haben wir in ganz Weiden nicht." Die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes sei in der Innenstadt natürlich höher als auf dem Land. "Trotzdem gibt es keinen Grund, das Leben in der Stadt anders zu gewichten als draußen." Theodor Klotz, Chefarzt am Klinikum, stimmt zu: "Auch wenn das selten benutzt wird, heißt das nicht, dass es überflüssig wäre. Prinzipiell gilt: Je mehr Defis, desto besser." Wichtig sei die Schulung, machen die Experten deutlich. Viele Passanten trauten sich nicht, im Notfall auf die technische Hilfe zurückzugreifen. "Der Defi ist kein Allheilmittel, sondern ein unterstützendes Gerät", sagt Jürgen Mayer. "Die händische Reanimation gehört mit dazu."

Ein "Defi" im Einsatz in Amberg

Das Gerät am Josef-Witt-Platz sei in zehn Jahren zwei Mal benutzt worden, berichtet Rainer Sindersberger (Freie Wähler/FDP). In den dortigen Geschäften gebe es Beauftragte, die den Umgang mit dem Defibrillator beherrschen. Weiden sei 2010 "Vorreiter" gewesen, betont BL-Mann Mayer. Mittlerweile hätten beispielsweise Tirschenreuth und Marktredwitz stark nachgezogen. Grafenwöhr halte sogar neun "Defis" vor. Der Leitstellen-Chef nennt weitere Zahlen: Der Defibrillator am ZOB sei fünf Mal im Einsatz gewesen, konnte zwei Mal tatsächlich Leben retten – ebenso wie das Gerät im Max-Reger-Park. Andere "setzen dagegen Spinnweben an". Trotzdem mahnt Mayer, in den Bemühungen nicht nachzulassen: "Weiden war vor 10 Jahren Vorzeigestadt. Das sollten wir auch weiter sein."

"Defi"-Vortrag an der OTH

Gerald Bolleininger (SPD) listet die Kosten auf: 2500 bis 3000 Euro koste die Anschaffung des Geräts, etwa 500 Euro in fünf Jahren die ständige Wartung. Für die bisher fünf Säulen, finanziert durch Sponsoren, hat die Stadt einen Vertrag mit der Firma ATB Automatentechnik Baumann, die den Unterhalt kostenfrei übernimmt. Für weitere Säulen steht sie nicht zur Verfügung. Anders als die Rechtsdezernentin wollen die Stadträte daraus jedoch nicht folgern, dass die Ortsteile leer ausgehen müssen. "Es ist nicht nachzuvollziehen, dass dort keine Notwendigkeit bestehen sollte", meint Heiner Vierling. Ähnlich äußern sich Gisela Helgath (ÖDP), Sabine Zeidler (SPD), Laura Weber (Grün.Bunt.Weiden) und Manfred Schiller (AfD).

Wegen dieses eindeutigen Meinungsbildes dreht OB Jens Meyer den zunächst ablehnenden Beschlussvorschlag der Verwaltung komplett: Muglhof soll einen Defi beim Feuerwehrhaus bekommen, die Stadt sucht nach Sponsoren auch für weitere Geräte in den anderen Ortsteilen. Der Beschluss dazu ergeht einstimmig.

 
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