Weiden in der Oberpfalz
02.01.2019 - 18:05 Uhr

Druck ist das Schlüsselproblem

Dieses Klicken schießt in Mark und Bein: Die Tür ist ins Schloss gefallen und kein Schlüssel in Reichweite. Hilfe! Unter vielen seriösen Notdiensten tummeln sich: Abzocker.

von mvs
Prävention: Diese drei guten Vorsätze für 2019 lassen sich schnell und leicht umsetzen. Bild: mvs
Prävention: Diese drei guten Vorsätze für 2019 lassen sich schnell und leicht umsetzen.

Wie man sich vor ihnen schützt, schildert Elisabeth Graml von der Verbraucherzentrale Weiden im OWZ-Interview.

ONETZ: Wie viel darf eine Türöffnung kosten?

Elisabeth Graml: Eine stichprobenartige Umfrage der Verbraucherzentrale hat ergeben, dass in unserer Region tagsüber an einem Werktag für eine einfache Türöffnung ungefähr 70 Euro angemessen sind, nachts und an Sonn- und Feiertagen ungefähr 120 Euro, plus minus geringfügige Änderungen je nach Dienstleister. 2018 klopften vermehrt im Herbst Menschen bei mir an, die über den Tisch gezogen worden waren.

ONETZ: Sie haben hier eine Abrechnung aus dem Februar 2018, die heraus sticht ...

Ja, bei einer Verbraucherin wurden erst 189 Euro für einen Einsatz von 18.50 Uhr bis 19.20 Uhr eingetragen, was schon recht hoch ist. Als sie unterschrieben hatte, wurden weitere Zuschläge ergänzt, in dieser Reihenfolge: 20 Euro Anfahrtspauschale, 94,50 Euro Abendpauschale, 39 Euro Mehrarbeitszeit für jede angefangene Viertelstunde, der Einbau eines neuen – übrigens weder gewünschten noch notwendigen – Schlosses für 310 Euro. Angekreuzt war auch der Vermerk „Sicherheitsschloss“ für 149 Euro, was auch immer damit gemeint ist. In der Summe: brutto 955 Euro.

ONETZ: Das ist happig. Wie ging es weiter?

Die Betroffene war schockiert und überrumpelt, hat alles gezahlt, worüber sie auf die Schnelle verfügen konnte, 600 Euro. Als ihr postalisch eine Mahnung über den restlichen Betrag zugestellt wurde, kam sie zu mir in die Beratungsstelle. Ich habe einen Widerspruch formuliert, der die Zahlung verweigert und zugleich eine Erstattung der horrenden Mehrkosten forderte. Außerdem habe ich ihr empfohlen, bei der Polizei Anzeige zu erstatten, aber dazu keine Rückmeldung mehr erhalten.

ONETZ: Wie konnte es zu dieser Situation kommen?

Vorneweg: Auch gestandene Mannsbilder werden so über den Tisch gezogen. Denn die Situation ist besonders: Schläft hinter verschlossener Tür ein kleines Kind? Steht der Topf auf dem Herd? Ist es Samstagnacht um 1 Uhr? Oder wird mir mit dem ,Kumpel’ gedroht, der im Auto vor dem Haus wartet? Meine Erfahrung zeigt: Es kann jeden treffen.

ONETZ: Wie gehen Abzocker vor?

Abzocker achten darauf, bei Google-Suchen weit oben aufgelistet zu werden, nutzen kostenlose 0800-er-Nummern, sind aber nicht unbedingt an der Telefonnummer zu erkennen: 0961-er Nummern können auch in ein Call-Center umgelenkt werden. Der eingetroffene Dienstleister öffnet umständlich, statt in wenigen Minuten die Tür, stellt eine überhöhte Rechnung und baut dann Druck auf.

ONETZ: Was empfehlen Sie Betroffenen?

Präventiv kann man die Nummer eines örtlichen Schlüsseldienstes mit Anschrift in der näheren Umgebung im Handy speichern, unter der Fußmatte hinterlegen oder an den Briefkasten kleben, und auch einen Schlüssel bei einer oder zwei Vertrauenspersonen hinterlegen, beispielsweise den Nachbarn. Oder man wartet auf jemanden mit Schlüssel – eine Übernachtung im Hotel kann günstiger sein als eine Türöffnung. In der Situation selbst hilft, konkret zu schildern, was passiert ist, klare Vereinbarungen zu treffen und nur zu zahlen, was zu vernünftigem Preis vereinbart wurde. Fühlt man sich abgezockt, hat man das Recht standhaft und stur die Zahlung zu verweigern, sich auch lauthals Hilfe zu holen und die Polizei zu verständigen. Das hilft.

ONETZ: Und im Nachhinein ...

... ist es schwierig. Denn auf den Rechnungen sind zuweilen keine Kontaktdaten angegeben, oder niemand ist erreichbar. Da helfen nur noch Anzeige und Anwalt – ein Aufwand, den viele nicht betreiben wollen, zumal nicht jeder Fall so eindeutig ist wie der geschilderte. In einem ,meiner’ Fälle wurden ,nur’ 200 Euro gefordert und gezahlt – nicht so eindeutig überhöht, als dass man gleich von Abzocke ausgehen könnte.

ONETZ: Haben Sie sich schon mal ausgesperrt?

(lacht) Natürlich. Bei mir ist der Schwiegervater mit dem Ersatzschlüssel angerückt. (mvs)

Service:

Schutz für Verbraucher

Die Weidenerin Elisabeth Graml berät seit 1999 Verbraucher zu Rechts- und Versicherungsfragen in den Räumen der Verbraucherzentrale Bayern in der Herzogstraße 14 in Weiden.

Die Broschüre „Das Geschäft mit Ihrem Notfall – Tipps zu Tricks von Schlüsseldiensten und Co“ kann wieder ab 7. Januar ohne Terminvereinbarung montags zwischen 9 und 12 Uhr und mittwochs zwischen 13 und 15 Uhr abgeholt werden. Ein Beratungstermin zu anderen Zeiten kann unter Telefon 0961/36100 vereinbart werden.

Weitere Informationen und die Beratungsstellen in der Region gibt es auf www.verbraucherzentrale-bayern.de. (mvs)

Dreiste Abzocke: Nachdem eine Rentnerin 139 Euro für eine Türöffnung per Unterschrift bestätigt hatte, notierte der Schlüsselnotdienst weitere fiktive Kosten. Endsumme: 954,85 Euro. Bild: Elisabeth Graml/ Verbraucherzentrale
Dreiste Abzocke: Nachdem eine Rentnerin 139 Euro für eine Türöffnung per Unterschrift bestätigt hatte, notierte der Schlüsselnotdienst weitere fiktive Kosten. Endsumme: 954,85 Euro.
Elisabeth Graml von der Verbraucherzentrale Bayern in Weiden weiß Rat. Archivbild: Petra Hartl
Elisabeth Graml von der Verbraucherzentrale Bayern in Weiden weiß Rat.
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.