So sehr der Eisenbahnanschluss im Jahr 1863 die Stadtentwicklung förderte, so sehr durchschnitten seitdem die Gleise das Stadtgefüge, drückten den Stadtteil Stockerhut in die Randlage, machten ihn zum Hinterland. Das erklärte Oberbürgermeister Kurt Seggewiß am Montag bei der Einweihung des Durchstichs, der eine neue Entwicklung ermögliche.
Friedrich Zeiß, zum April 1994 als Stadtplaner nach Weiden gekommen, begann noch im selben Jahr mit den konkreten Planungen für den Durchstich sowie mit dem dafür notwendigen Grunderwerb. Endgültig umgesetzt werden konnten diese Pläne allerdings erst 2015 mit dem KIP1-Förderprogramm des Bundes, mit dem Barrieren im öffentlichen Raum abgebaut werden sollen. Die Gesamtkosten von sechs Millionen Euro seien "schon ein Brocken".
Endlich barrierefrei
Der Durchstich sei nicht nur eine sehr günstige direkte Anbindung des Stockerhuts an die Max-Reger-Straße. Der Tunnel habe auch den Vorteil, die erste und damit derzeit einzige Verbindung über die Bahnlinie hinweg in die Innenstadt zu sein, die barrierefrei ist, also nicht mehr als drei Prozent Gefälle oder Steigung aufweist. Diese Barrierefreiheit sei die Voraussetzung, damit der Durchstich mit Rollstuhl, Rollator uneingeschränkt genutzt werden kann.
Natürlich werde auch die Innenstadt von diesen Besuchern und Kunden enorm profitieren, und das, ohne weitere Parkplatzfragen aufzuwerfen. Die Bewohner und Nutzer der hochverdichteten Innenstadt könnten jetzt den grünen Stadtteil mit wendigen Schritten aufsuchen. Dabei werde das gesamte Umfeld bis hin zum Juz in den nächsten Jahren mit Sicherheit eine dynamische Entwicklung nehmen. Mit Anwohnern und Grundstückseigentümern werde über Vorschläge und Konzepte intensiv diskutiert, kündigte Seggewiß an. Die Rahmenplanung solle bis Sommer 2020 vorliegen.
Bunter Fördermix
Regierungspräsident Axel Bartelt zeigte sich ebenfalls stolz, dass es mit einem bunten Födermix gelungen sei, das sechs Millionen Euro teure Projekt endlich zu realisieren. Zunächst sei es wie eine Utopie erschienen, die über 150 Jahre alte städtebauliche Trennung zweier Stadtteile aufzuheben. Aber die Stadt habe die Herausforderung angenommen und alle Möglichkeiten genutzt. Unterm Strich sei eine Förderquote von rund 70 Prozent aus den verschiedensten Töpfen erreicht worden. "Bund und Freistaat haben kräftig in die Tasche gegriffen."
Ins Schaufenster gestellt
Die Schwarzfahrer drängeln sich an den Bauzäunen vorbei. Sie nutzen seit Wochen die Abkürzung Wittgarten-Durchstich. Zum „Kunstgenuss“ am Freitag waren die Gitter offen. Seit Montag unterquert der Durchstich offiziell den Schienenstrang, der seit jeher den Stadtteil Stockerhut von der Innenstadt abschneidet. Das Projekt, das sich mal kurzerhand um 1,35 Millionen Euro auf 6 Millionen verteuert hatte, feiert Weiden zurecht. Denn neben der kurzen Anbindung für Radfahrer und Fußgänger in die Max-Reger-Straße holt es große Grundstücke aus dem Hinterhofdasein, stellt sie regelrecht ins Schaufenster.
Was nun möglich ist, zeigte zunächst der städtebauliche Wettbewerb, der im Rahmenplan weitergeführt wird: Der „Siechenweiher“ – fast bis hinaus zum Jugendzentrum – soll als kleines Naherholungsgebiet mit Biergarten, Café, Beach-Volley-Ball und Liegewiesen wieder entstehen. Hinzu kommen Ergänzungen im Wohnbau. Hochinteressant sind die Flächen am Durchstich. Hier schlagen die Planer ein Hotel, ein Veranstaltungszentrum und sogar ein Kino vor. Und das sind keine Utopien. Die Grundstücksbesitzer (Stadtwerke und Sparkasse) signalisieren ihre Bereitschaft, die positive Entwicklung voranzutreiben.
Ein Durchbruch des sperrigen Schienenstranges ist geschafft. Es wartet, mindestens genauso lang, immer noch ein weiterer: die Verlängerung des Bahnhofstunnels hinaus ins Lerchenfeld. Mit einem barrierefreien Bahnhof würde diese Untertunnelung ebenfalls eine bisher ungeahnte Entwicklung eines großen Quartiers ermöglichen. Auch dort drängen Flächen ins Schaufenster.
Josef Johann wieder