Ärger macht sich breit bei der Dezernentenrunde am Donnerstagmorgen im Rathaus. OB Kurt Seggewiß, Stadtkämmerin Cornelia Taubmann und Baudezernent Oliver Seidel besprechen die neue Lage: Die Bayerische Staatsregierung beugt sich dem Druck der Freien Wähler. Sie will mit einer Gesetzesänderung die Abrechnung sogenannter Altanlagen freistellen. Nach bisheriger Rechtsauffassung waren die Beiträge für über 25 Jahre alte Erschließungsanlagen spätestens bis zum 31. März 2021 bei den Bürgern einzukassieren.
Im Sommer 2018 war der Stadtrat "auf Tour" durch die Stadt gegangen. Zehn Straßen standen im Fokus. Es sollte geprüft und dann auch beschlossen werden, welche von ihnen noch mit Hochdruck "endgültig" fertiggestellt und abgerechnet werden. Gerade mal bei einer Handvoll schien das rechtzeitig möglich. Doch dort, wie etwa "Am Stein" (Rothenstadt) oder "An der Siedlung" (Hammerweg), regte sich sofort Widerstand. "Warum noch bei uns?"
Bisher konnten sich Stadt und Stadtrat noch ganz gut hinter der Gesetzeslage verstecken. Wenn die Kommune auf die Erschließungsbeiträge verzichte, drohte den Verantwortlichen, dass sie sogar in Haftung genommen werden könnten.
Stadtkämmerin Taubmann spricht von einer "absolut fiesen und feigen Tour" der Staatsregierung, die auf Druck der Freien Wähler, die ihre Erfolge verkaufen wollten, geltendes Recht aushebele und die Kommunen belaste. "Da werden nur mit Blick auf die nächsten Wahlen Dinge durcheinander geworfen, die nichts miteinander zu tun haben. Die Leute werden für dumm verkauft." Weiden habe als Stabilisierungsgemeinde, so betont Taubmann, "überhaupt keinen Ermessensspielraum". Sie könne schlichtweg nicht auf die Erschließungsbeiträge verzichten.
Oberbürgermeister Kurt Seggewiß bestätigt die Kritik der Kommunalen Spitzenverbände (Gemeindetagspräsident Brandl: "Das ist eine ganz fiese Tour von Freien Wählern und CSU") und unterstreicht, dass noch mehr ein Keil zwischen die Kommunen in Bayern getrieben werde. "Reiche Gemeinden können es sich leisten, auf die Beiträge zu verzichten, Städte in Haushaltskonsolidierung - wie Weiden - dagegen nicht." Statt eine saubere landesweite Lösung zu suchen, werde die Verantwortung auf die Bürgermeister und Stadträte abgeschoben, die sich ihren Bürgern gegenüber rechtfertigen müssten, warum sie gegebenenfalls nicht auf die Beiträge verzichten.
Freibierpolitik auf Kosten aller Bürger
Oberbürgermeister Kurt Seggewiß betont, dass die CSU bei den Erschließungsbeiträgen ihre Verlässlichkeit aufgegeben habe. Er schließe sich den Aussagen von Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, an. „Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern hat einen durchsichtigen Versuch gestartet, vermeintliche Wohltaten zu verkünden.“ Die Finanzierung dieser Wohltaten werde allerdings den Kommunen zugeschoben. „Damit kommen zwar einzelne Grundstücksbesitzer in den Genuss günstiger Straßen – zahlen muss dafür die Allgemeinheit aller Steuerzahler.“
Diese Art der Freibier-Politik sei ärgerlich: „Wer etwas verspricht, muss auch bezahlen. Die Freien Wähler und die CSU versprechen Freibier, aber überlassen die Rechnung den Rathäusern – und damit allen Steuerzahlern.“
"Bodenlose Unverschämtheit"
"Von wegen Rechtssicherheit – richtig wäre bodenlose Unverschämtheit.“ Dies ist der erste Kommentar von Stadtkämmerin Cornelia Taubmann zum angekündigten Gesetzentwurf zur Erhebung der sogenannten „Strebs“, bei der die Gemeinden jetzt für alle Baumaßnahmen an Altstraßen ab 1.1.2018 bis 21.3.2021 auf die Erhebung von Beiträgen verzichten können.
Taubmann wird jedenfalls den Weidener Stadträten empfehlen, das eingeräumte Ermessen "sachgerecht auszuüben". "Und das heißt mit Blick auf die Stabilisierungshilfen und fortgesetzter Konsolidierung bleibt entweder nur, die Straßen nicht auszubauen oder den Ausbau mit Beiträgen abzurechnen." Völlig verfehlt sei der Rechtfertigungsversuch der Staatsregierung, den Gemeinden bei Verzicht auf die Beiträge keine Entschädigungen leisten zu wollen. "Die bereitgestellten 150 Millionen Euro sollen den Wegfall der Straßenausbaubeiträge kompensieren und Härtefälle für die Bürger ausgleichen. Sie haben nichts mit der Abrechnung der Altstraßen nach Erschließungsbeitragsrecht zu tun", unterstreicht Taubmann in der Erklärung der Stadt.
Der übliche Weg, sich aus der Konnexität (wer anschafft, zahlt) davon zu machen, funktioniert nach Auffassung der Kämmerin auch hier wieder, weil, „wenn wir nicht erheben, sind wir selber schuld, der Gesetzgeber verpflichtet uns ja nicht zum Nichterheben“.
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