Weiden in der Oberpfalz
20.01.2022 - 11:35 Uhr

Eine Frau von Welt: Trauer um Marianne Succhi

Marianne Succhi ist tot. Sie hat ihrer Heimatstadt Weiden früh den Rücken gekehrt und kam im Alter zurück. Dazwischen lag ein Leben voller Abenteuer. Marianne Succhi wurde 89 Jahre alt.

Marianne Succhi. Bild: privat
Marianne Succhi.

Ein Mädchen, das 1933 geboren wurde, hatte nicht viel mehr Karriere in Aussicht, als Hausfrau und Mutter zu werden. Es gab aber auch damals schon Traumberufe. Einer der beliebtesten, bei Älteren als neumodisch verpönt: Stewardess, die Welt sehen und einen Mann kennenlernen, der einem diese Welt zeigt.

Nur wenige Mädchen aus dieser Generation, erst recht aus der Oberpfälzer Provinz, haben sich diesen Wunsch erfüllt. Marianne Succhi hat es geschafft. Die Weidenerin starb mit 89 Jahren in ihrer Heimatstadt. Zuvor hatte sie in Afghanistan, im Iran, in der Karibik, Nairobi, den USA und Berlin gelebt.

Das Fernweh lag der gebürtigen Marianne Binner offenbar im Blut. Die Tochter eines städtischen Beamten und einer Kontoristin absolvierte die Handelsschule, um gleich danach als Au-pair-Mädchen und später als Model in London zu arbeiten. Über eine Diplomatenfamilie, in deren Diensten sie stand, kam sie mit 24 Jahren in die USA. Dort fand die attraktive Blondine eine Anstellung als Stewardess bei Pan Am. Der Mädchentraum wurde wahr: Gleich beim ersten Flug lernte sie Julius kennen, einen Italo-Amerikaner aus Triest. Die beiden heirateten und blieben bis zum Tod des Mannes 2003 zusammen.

Nie nur Manager-Gattin

Julius hatte damals bereits eine leitende Position bei Pan Am. Er war Chef des Kabinenpersonals. Später baute er als Manager Stützpunkte der Fluggesellschaft in aller Welt auf, unter anderem im geteilten Berlin, das die Lufthansa nicht mehr anfliegen durfte. Marianne war immer dabei, hielt ihm den Rücken frei, begnügte sich aber nie mit der Rolle der Businessman-Gattin.

Am allerwenigsten in West-Berlin, wo das Paar in den 1960er und 70er Jahren lebte. Dort engagierte sich die Weidenerin über zehn Jahre für sozial benachteiligte Kinder. Ihrer Initiative sind ein Waisenhaus und eine Tagesstätte mit zu verdanken. Mit 37 Jahren bekam sie dafür das Bundesverdienstkreuz, übergeben vom Senator für Arbeit und Soziales, Harry Liehr (SPD).

Als der Job ihren Mann nach Nairobi verschlug, setzte Marianne dort ihren Elan in gleicher Weise für Kinder ein. Dazwischen ließ das Paar kaum ein Abenteuer aus. Es war mittendrin beim Militärputsch in Kenia, beim Mauerfall in Berlin, lernte im Iran den Schah kennen und wurde 1982 anlässlich des ersten Pan-Am-Flugs von Berlin nach Stockholm per Handschlag von einer ehemaligen Hostess begrüßt: Silvia Sommerlath, inzwischen Ihre Königliche Majestät von Schweden.

Um die Jahrtausendwende wurde es ruhiger um die Succhis. Die Mütter wurden krank und - noch schlimmer - auch Julius. Die Ärzte diagnostizierten einen Hirntumor. Alles Gründe, die Reisen und das gesellschaftliche Leben zurückzufahren und in die Oberpfalz zurückzukehren.

Also zogen die kinderlosen Succhis nach Etzenricht. Dort starb Julius am zweiten Weihnachtsfeiertag 2003. Marianne nahm daraufhin eine Wohnung in der Weidener Innenstadt. "Sie wollte keinesfalls irgendwann allein sein", sagt ihre Adoptivtochter Melanie Succhi-Bergemann, die bei BHS Corrugated in Weiherhammer arbeitet. Sie wurde von Marianne keine zehn Jahre vor deren Tod als erwachsene Frau adoptiert.

Wie sich die beiden kennenlernten ist eine kuriose Geschichte, erzählt Melanie: "Ich war ebenfalls Flugbegleiterin in Berlin und hatte bei Julius ein Vorstellungsgespräch. Als wir über meine Herkunft sprachen, sagt er plötzlich: ,Die schönsten Frauen kommen aus Weiden, ich hab auch eine. Sie sind eingestellt'."

Bekannt als Englisch-Dozentin

Die Mutter behielt ihre Lust auf Neues und ihr geselliges Wesen bis ins hohe Alter bei. Viele Weidener kennen die weltläufige Dame als charmante Plauderin aus den Englisch-Konversationsstunden im Maria-Seltmann-Haus. "Sie hat das von 2006 bis 2017 gemacht, die Teilnehmer waren begeistert", erinnert sich Organisatorin Susanne Meichner an eine Kursleiterin, die "sehr angenehm und zurückhaltend" auftrat.

In Weiden hatte die Weltenbummlerin schnell Anschluss. Gern besuchte sie Theater-, Oper- und Ballettvorstellungen. Oder sie strickte mit Freundinnen Decken und sammelte Kleidung für ein Waisenhaus in Kenia, zu dem die Verbindung auch in der Zeit nach Pan Am nicht abriss. Als die Gesundheit nicht mehr so mitspielte, brachte sich Marianne Succhi in der Parkinson-Selbsthilfegruppe ein. Bis ihr Herz am 14. Januar aufhörte zu schlagen.

Viele hätten gerne noch einmal Geschichten aus ihrem Leben gehört, die durchaus aktuellen Bezug haben. So erzählte sie der ehemaligen NT-Redakteurin Jutta Porsche 2015 über ihre Anfänge als Stewardess: "Bevor wir zum ersten Flug starten durften, kamen die Impfungen: 22 Stück in 3 Tagen. Gegen Cholera, Gelbfieber und, und, und ... die Arme sind dick angeschwollen."

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"Bevor wir zum ersten Flug starten durften, kamen die Impfungen: 22 Stück in 3 Tagen. Gegen Cholera, Gelbfieber und, und, und ... die Arme sind dick angeschwollen."

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