Weiden in der Oberpfalz
07.10.2018 - 17:18 Uhr

Infostände der Parteien am Oberen Markt: Polizei rückt an

Am Alten Rathaus läuten am Samstag die Glocken für die Frischvermählten. Ein paar Meter weiter brennt die Luft. Die Polizei muss anrücken, um die Situation bei den Infoständen der Parteien am Oberen Markt zu entschärfen.

Das Kreuz beginnt bereits vor der Wahl. Zum Beispiel beim Informieren an den Ständen der Parteien. Bild: Sebastian Gollnow/dpa
Das Kreuz beginnt bereits vor der Wahl. Zum Beispiel beim Informieren an den Ständen der Parteien.

"Das war so eine aufgeheizte Atmosphäre. Es war so unschön, so giftig, so wenig sachlich. Ich stand da wie gelähmt", erinnert sich Angela Voit-Langer an die Szenerie am Samstagmittag.

Am Oberen Markt informieren wie bereits an drei Samstagen zuvor Vertreter verschiedener Parteien an ihren Ständen. Die Sonne scheint, im Alten Rathaus wird geheiratet, davor Eis gegessen und rundherum fleißig eingekauft. Voit-Langer plaudert gerade vor dem Schuhgeschäft mit ihrer Freundin Claudia Hösch. "Plötzlich hören wir, wie eine Frau schreit: ,Lauf, lauf!'" Davon aufgeschreckt, sehen die Frauen, wie ein Mann quer über den Oberen Markt rennt. Hinter ihm her läuft AfD-Kandidat Stefan Löw "mit hocherhobenen Fäusten und Drohgebärden", sagt Hösch.

"Keine Verfolgung"

"Das ist Blödsinn", sagt AfD-Direktkandidat Stefan Löw am Sonntag auf Nachfrage. "Da war nichts mit Verfolgung." Die Frau habe zwei Senioren der AfD als "Ferkel" betitelt. Er geht ihr deshalb hinterher, will ihre Personalien erfragen, um eine Anzeige zu ermöglichen. Doch die Frau habe sich geweigert, Daten preiszugeben. "So habe ich das Recht nach § 127 Absatz 1 Strafprozessordnung genutzt und ihr erklärt, sie zu verhaften, bis die Polizei kommt." Der Mann der Frau habe sich daraufhin eingemischt, Löw an den Handgelenken gepackt und ihn bis zum Freien-Wähler-Stand geschoben.

Die Männer schubsen und schreien, die Frau will schlichten, erinnert sich dagegen Tobias Groß. "Da bin ich dazwischen", sagt der Freie Wähler. "Ein Riesengeschrei war das", meint Ali Daniel Zant von den Linken. Und mit dem Dazwischengehen sei's nicht erledigt gewesen.

"Da kamen immer mehr AfD-Anhänger", sagt Groß. Angeblich sind AfDler aus Chemnitz zur Unterstützung für die Weidener Infostand-Mannschaft gekommen. Der Pulk mit Löw und den beiden Passanten sei weitergezogen in Richtung Grünen-Stand, wo der Streit wieder aufflammt. "Löw hat gerufen ,Ich verhafte Sie hiermit. Ich darf das, ich bin Polizist'. Die Frau war mit den Nerven am Ende", sagt Zant. Dann fahren Polizeiwagen vor. "Der Ehemann der Frau hat die Polizei gerufen", sagt Löw. Sie bleibt, bis die Parteien ihre Stände gegen 13 Uhr abbauen. Zu groß ist noch immer der Auflauf, zu emotionsgeladen die Diskussionen zum Geschehen.

Einen Polizeibericht zu den Vorfällen am Oberen Markt gibt es tags darauf nicht. Auf Nachfrage sagt ein Polizeisprecher, wegen laufender Ermittlungen wollen die Beamten bis dato keine Auskunft erteilen. Vielleicht muss erst das Videomaterial ausgewertet werden, das ein AfD-Anhänger laut Claudia Hösch während des Tumults angefertigt hat.

Ali Daniel Zant von den Linken spricht von einem "brutalen Angriff des AfD-Direktkandidaten Löw auf eine bürgerliche Passantin und deren Mann, der seine Frau schützen wollte". Die Polizei hat laut Löw nun die "Ferkel"-Anzeigen der Senioren zu bearbeiten sowie seine wegen Verleumdung gegen Ali Zant. "Ich bin nirgends mit erhobenen Fäusten hingelaufen", sagt Löw.

Auf der Facebookseite der AfD Weiden heißt es: "Nein, da ging [am Infostand] nichts schief. [Der Polizeieinsatz] fand statt, weil sich AfD-Mitglieder wieder einmal [...] bepöbeln, bespucken und beleidigen lassen mussten." Der Regensburger Benjamin Nolte, Nummer zwei auf der AfD-Landesliste, postet schlicht: "Bei herrlichem Wetter einen sehr erfolgreichen Infostand mit meinen Parteifreunden Roland Magerl und Stefan Löw durchgeführt. " Claudia Hösch dagegen resümiert: "Ich bin erstaunt und erschrocken, wie schnell so was ausarten kann." Freundin Angela Voit-Langer sagt: "Das war bedrohlich und beängstigend."

Samstag: Neue Info-Runde

Am Samstag, 13. Oktober und damit einen Tag vor der Landtagswahl, bauen die Parteien am Oberen Markt wieder ihre Stände auf. Vielleicht auf Anraten der Polizei mit ein wenig mehr Abstand zueinander. "Angst habe ich wegen des Vorfalls vor nächsten Samstag keine. Ich freu mich auf die Gespräche", sagt Groß. Trotzdem hofft der Freie Wähler, dass die Polizei nicht mehr vorbeischauen muss.

"Beim nächsten Infostand wird die Polizei mit einer Streife vor Ort sein", sagt dagegen Löw von der AfD. Das hat sie nach eigener Aussage nicht unbedingt vor: "Nein, eine generelle Polizeipräsenz bei Infoständen von Parteien ist nicht vorgesehen. Da müssten wir ja jede Kindergartenparty betreuen. Personell ist das nicht zu stemmen. Wir kommen nur, wenn was ist", sagt ein Polizeisprecher.

Angemerkt:

Ja, Diskussionen gehören zum Politgeschäft. Kritik und Beleidigungen manchmal leider auch. „Was meinen Sie, wie oft wir als Kommunistenschweine beschimpft werden“, sagt etwa der Linke Ali Zant. Deshalb handgreiflich zu werden, käme ihm nicht in den Sinn. „Klar, gibt’s auch mal heftigere Diskussionen“, meint Thomas Groß von den Freien Wählern. „Aber da steh’ ich doch drüber.“

Klar muss man sich nicht alles gefallen lassen. Eier oder Tomatenwürfe etwa, wie sie Helmut Kohl (CDU), Gerhard Schröder (SPD) und Oskar Lafontaine (Linke) einstecken mussten, gehen gar nicht. Aber ist es tatsächlich eine Riesensauerei, wenn einer „Ferkel“ ruft? Oder ist das eine der Attacken, die Politprofis gelassen an sich abperlen lassen können, vor allem, wenn sie selbst gerne mal provozieren? Der Königsweg bleibt die harte, verbale, sachliche Auseinandersetzung. Schon, um unbeteiligten Bürgern wie am Samstag am Oberen Markt den Schrecken einer Eskalation zu ersparen. (mte)

 
Kommentare

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Dr. Jürgen Spielhofen

Mich wundert es (eigentlich nicht!), dass hier nicht die Betroffenen der Beleidigung im Mittelpunkt stehen, sondern die Beleidigerin moralisch unterstützt wird, flankiert von "Freunden" der AfD aus dem linken und grünen Lager. Eine andere Darstellung der Vorgänge und Hintergründe hätte man erfahren können, wenn man auch am AfD-Stand recherchiert hätte, der nur wenige Meter entfernt war. Erst kürzlich hat sich der NT (in einem Artikel über mich) darüber beklagt, dass die AfD von "Lückenpresse" spricht. Wen wundert's?

08.10.2018
Volker Hendl

Die anderen Parteien müssen schon mächtig Angst haben vor nächsten Sonntag, das sie mit allen Mitteln gegen die AFD vorgehen!

08.10.2018
Stefan Löw

"Das war so eine aufgeheizte Atmosphäre. Es war so unschön, so giftig, so wenig sachlich. Ich stand da wie gelähmt", erinnert sich Angela Voit-Langer an die Szenerie am Samstagmittag.

Löw: Richtig, ihr Verhalten war unsachlich. Sie wurde angewiesen zu warten bis die Polizei kommt um ihre Personalien aufzunehmen, da sie verdächtig ist eine Straftat begangen zu haben. Sie wollte aber flüchten.

Davon aufgeschreckt, sehen die Frauen, wie ein Mann quer über den Oberen Markt rennt. Hinter ihm her läuft AfD-Kandidat Stefan Löw "mit hocherhobenen Fäusten und Drohgebärden", sagt Hösch.

Löw: Warum sollte ich den Mann verfolgen? Der hat mit der ganzen Sache nichts zu tun.

"So habe ich das Recht nach § 27 Absatz 1 genutzt und ihr erklärt, sie zu verhaften, bis die Polizei kommt."

Löw: Bitte richtig zitieren! Es lautet § 127 Absatz 1 der Strafprozessordnung.

Der Pulk mit Löw und den beiden Passanten sei weitergezogen in Richtung Grünen-Stand, wo der Streit wieder aufflammt. "Löw hat gerufen ,Ich verhafte Sie hiermit. Ich darf das, ich bin Polizist'.

Löw: Der Streit ist nicht wieder aufgeflammt, im Gegenteil, beide Gruppen haben sich getrennt und außerdem wurde, als wir zu dem Stand der Grünen zurückgekehrt sind, nichts mehr in der Art gerufen.
Am Anfang, als ich die Frau angesprochen habe, wurde ich gefragt ob ich Polizist sei. Ich habe erwidert, dass das Recht einen Straftäter festzunehmen bis die Polizei kommt jedermann hat. Ich habe nie erwähnt, dass ich Polizist bin.

07.10.2018
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