Inklusion federt Fachkräftemangel ab: Metallbauer sorgt für Premiere

Weiden in der Oberpfalz
16.04.2023 - 16:24 Uhr
OnetzPlus

Ein Metallbauer aus Weiden entdeckt durch Zufall, was Beschäftigte in einer Werkstatt für behinderte Menschen handwerklich können. Er hat eine Idee, probiert sie aus, und schreibt damit eine Erfolgsgeschichte.

Am Anfang stand ein Zufall, am Ende entwickelte sich daraus eine Win-win-Situation – und nebenbei ist noch ein Stück Inklusion gelungen. Andy Rentsch, der zuvor in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt war, bekam im Februar eine Stelle auf dem regulären Arbeitsmarkt. Bei der Metallbau-Firma Multi-Metall in Weiden lindert Rentsch jetzt als Metallbauhelfer den Fachkräftemangel und der behinderte 34-Jährige selbst bekommt dafür einen regulären Lohn, der über dem Mindestlohn liegt. Für das Heilpädagogische Zentrum Irchenrieth (HPZ) im Landkreis Neustadt/WN ist dieser Übergang eines Beschäftigten seiner Werkstätten für behinderte Menschen in die freie Wirtschaft eine "Premiere", wie es in einer Pressemitteilung heißt, und "eine Erfolgsgeschichte". Wie verlief sie?

Metallbauer Maximilian Blau kam für einen Auftrag auf das Gelände der Integra, einer ausgelagerten Arbeitsgruppe der HPZ-Werkstätten in Weiden. "Da war ich überrascht, weil man von außen gar nicht sieht, was die dort alles machen." Er erzählt von Montagearbeiten und Beschäftigten, die gekonnt mit Gartenbaugeräten hantierten: "Ich habe gar nicht gewusst, dass sie dort mit solchen Maschinen arbeiten." Er ist begeistert, denkt an seinen eigenen Betrieb, dem es, wie so vielen, an Fachkräften mangelt, und hat eine Idee: "Leute kriegst du keine. Warum nicht so jemanden eine Chance bei dir geben?" Stefan Böhm, Standortleiter der Integra, fand die Idee gut und so besichtigten bald fünf Interessierte Blaus Metallbaubetrieb.

Ohne Schulabschluss, aber mit Arbeitsvertrag

Einer von ihnen wollte sich länger ausprobieren, Andy Rentsch. Daher schufen das HPZ und Blau für ihn einen sogenannten Außenarbeitsplatz. Damit konnte Rentsch ein Praktikum in Blaus Metallbaubetrieb absolvieren, hatte aber jederzeit die Möglichkeit, wieder in die HPZ-Werkstätte zurückzukehren. Auch ein Betreuungsangebot des HPZ gab es für ihn. Rentsch blieb in der Firma, arbeitete gut mit und war lernfähig, wie Blau erzählt. Letzteres ist erwähnenswert, weil Rentsch seine Behinderung selbst als "Lernschwäche" beschreibt und deshalb keinen Schulabschluss hat. Doch das war seinem neuen Chef Blau nicht wichtig. Mit Unterstützung des HPZ bot er Rentsch einen Arbeitsvertrag in seiner Firma an. Seit 1. Februar läuft der Vertrag. Rentsch beschreibt seine Arbeit als Metallbauhelfer so: "Ich bohre, ich grundiere, ich mache das, was anfällt."

"Andy arbeitet bei jedem Projekt mit", erklärt Blau. Seine Firma mit 15 Mitarbeitern baue von der Halle bis zum Geländer alles.

Gehalt als Motivation

Und was war die Motivation, beim Metallbauer zu bleiben? Rentsch muss nicht lange überlegen: "Der Verdienst war der Hauptgrund... Das Geld hat hinten und vorne nicht gereicht." Er habe zusätzlich Grundsicherung (heute: Bürgergeld) beziehen müssen, erklärt er. Anders als Beschäftigte auf dem regulären Arbeitsmarkt erhalten Werkstattbeschäftigte laut Gesetz (§221, SGB IX) ein Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grund- und einem Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Grundbetrag liegt derzeit bei 126 Euro. Wie Rentsch darlegt, bekam er zwar ein Vielfaches davon, aber immer noch zu wenig, um davon in einer eigenen Wohnung zu leben. Und vom Mindestlohn war der Verdienst auch weit entfernt. In der Metallbaufirma ist das jetzt anders. Blau bezahlt ihn über den Mindestlohn. "Gutes Geld für gute Arbeit", sagt er. Rentsch wirkt zufrieden. Auch, dass sein Vertrag in der Firma zunächst nur ein Jahr geht, wie für jeden Neuankömmling in der Firma, ist für ihn in Ordnung: "Hier werden alle gleichbehandelt, so gehört sich das auch."

"Mehr als Probieren geht nicht"

Auch bei der Frage, ob es Probleme gab oder er einmal aufgeben wollte, bleibt er gelassen. "Nicht jeder Tag ist gleich, aber das sei ja bei allen so", sagt Rentsch, blickt zu seinem Chef und beide müssen das Lachen anfangen. "Mehr als probieren kannst du nicht, Angst musst du da nicht haben." – "Ja, aber so ist nicht jeder", antwortet Blau. "Man kann das nur mit gewissen Leuten machen." Und so erzählt der Metallbauer von einem ehemaligen Kollegen von Rentsch, der auch zum Praktikum im Betrieb war, die Firma aber wieder verließ und zu den HPZ-Werkstätten zurückkehrte.

"Das A und O ist die Frage, was der Werkstattbeschäftigte will", sagt Christian Stadler, der Vorstandsvorsitzende des HPZ. Er macht am Telefon deutlich, dass nur "ein ganz kleiner Prozentsatz" der Beschäftigen des HPZ außerhalb der Werkstätten arbeiten wolle. "Die Angst vor dem Scheitern ist groß", sagt Stadler. "Derzeit schnuppern fünf Beschäftigte in Betriebe außerhalb der Werkstätten." Der Großteil der rund 500 Beschäftigen wolle aber bei ihnen bleiben, erläutert er. Vor allem deshalb sei Andy Rentsch eine Premiere gewesen, eine erfolgreiche noch dazu. "Doch das hätte auch anders laufen können", gibt Stadler zu bedenken. In Zukunft wolle sich das HPZ mit dem Integrationsfachdienst zusammensetzen und schauen, was sie gemeinsam beim Übergang von Werkstatt auf den regulären Arbeitsmarkt ermöglichen könnten, sagt der Vorstandsvorsitzende.

"Wir haben es einfach probiert und es hat super funktioniert. Teilweise ist man da auch zu vorsichtig", sagt Metallbauer Blau . "Ich würde es wieder machen, wenn auch nicht gleich. Dazu sind wir zu klein." Der Mehraufwand in der täglichen Arbeit halte sich aber in Grenzen. "Vielleicht muss ich Andy etwas zweimal sagen, aber bei anderen gibt es andere Sachen, die bremsen."

Hintergrund:

Beratung für Arbeitgeber: Die EAA

  • Wer? Abkürzung für Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber, in Bayern angesiedelt bei den Integrationsfachdiensten
  • Was? Trägerunabhängiger Lotse bei Fragen zur Ausbildung, Einstellung, Berufsbegleitung und Beschäftigungssicherung von schwerbehinderten Menschen sowie Unterstützung bei Antragsstellung bei den zuständigen Leistungsträgern (u.a.)
  • Wieviel? Kostenfreies Angebot
  • Kontakt? Kostenlose Service-Nummer: 0800 90 40 001, Internet: www.eaa-bayern.de
 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.