Ein halbes Jahrhundert Jazzleidenschaft: Der Weidener Jazz-Zirkel hat am Freitagabend im alten Ringkino, heute bekannt als "Die Sünde", sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Vor ausverkauftem Haus sorgte das "Orjazztra Vienna" des österreichischen Komponisten und Posaunisten Christian Muthspiel mit "La Melodia della Strada" für ein Konzerterlebnis der Extraklasse.
Das 18-köpfige Ensemble aus Wien füllte den Raum mit einem orchestralen Klangkörper, der weit über klassischen Bigband-Sound hinausging. Mit doppelter Rhythmusgruppe, kraftvollen Bläsern, Piano und viel Raum für solistische Improvisationen entfalteten die Musiker Klangbilder, die an die Traumwelten des Regisseurs Federico Fellini erinnerten. Das Publikum erlebte einen Abend, der Jazz in seiner ganzen Vielfalt zeigte. Mal war es schwelgerisch, mal rhythmisch packend. Immer voller Energie, aber nicht jedermann zugänglich. Dazu war diese Art Musik zu kompliziert und vertrackt. Begeistert waren die Zuhörer vor allem von der Präzision des Zusammenspiels.
Die von Fellini inspirierte und von Muthspiel komponierte Musik war ein tolles Thema, zumal früher in diesem Kino sicherlich viele Filme des italienischen Starregisseurs liefen. Dieses spezielle Programm wurde nur 28 Mal in Europa aufgeführt. Das Weidener Konzert bildete den Schlusspunkt. In dieser Form wird es diese Aufführung nicht mehr geben.
Muthspiel hatte Posaune sowohl für Klassik, als auch für Jazz studiert und war mit diesem Instrument in der ganzen Welt unterwegs. Heute überlässt er das Spielen lieber anderen. Schon früh gründete er Ensembles für seine Kompositionen, mit denen er bei großen europäischen Musikfestivals für zeitgenössische Musik auftritt.
Dass ein solches Spitzenorchester überhaupt in Weiden gastierte, war dem unermüdlichen Engagement des Jazz-Zirkels zu verdanken. Gegründet 1974 von Alfred Hertrich und Frank Hartmann, entwickelte sich der Verein zu einer festen Größe in der deutschen Jazzszene. Heute zählt er rund 140 Mitglieder. Seit 27 Jahren steht Reinhard Roth an der Spitze des Vereins, der immer wieder betont: "Jazz muss man live hören. Jedes Konzert ist einmalig."
Genau das war am Freitagabend zu spüren. Zwischen konzentrierter Stille und begeistertem Applaus feierte das Publikum nicht nur ein außergewöhnliches Konzert, sondern auch die Geschichte eines Vereins, der Weiden seit 50 Jahren internationale Stars, unvergessliche Jazz-Abende beschert. Es war ein Genuss für Auge und Ohr. Ohne großzügige Spender wäre dieses musikalische Ausnahme-Event nicht möglich gewesen.
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