Weiden in der Oberpfalz
28.09.2018 - 10:31 Uhr

K7: Ein Auge für das Unsichtbare

Im "Ortsrichter-Stüberl" in Reuth bei Erbendorf war 2011 der Wirt tot gefunden worden. Die Tatwaffe lag in einem Regal. Optisch war an dem Hammer nichts zu sehen. Doch er war da: der unsichtbare Beweis. Ein Besuch bei der Spurensicherung.

Pinseln geht immer. Der Klassiker bei der Spurensicherung wird heute noch angewandt: Aufgestäubtes Metallpulver oder auch Bärlappsporen heften sich an Fingerspuren. Bild: gsb
Pinseln geht immer. Der Klassiker bei der Spurensicherung wird heute noch angewandt: Aufgestäubtes Metallpulver oder auch Bärlappsporen heften sich an Fingerspuren.

"DNA hat eine gemeine Eigenschaft: Sie ist unsichtbar", sagt Karlheinz Grundler, Leiter des Kommissariats 7 ("Zentrale Dienste"), zuständig für Spurensicherung. Einer seiner Kriminalhauptkommissare, Ingmar Feistel, sicherte damals die "latente Spur" am Fäustel. Der Täter hatte am Griff Körperzellen hinterlassen. Das DNA-Profil passte zu einen Wirtshausgast aus Weiden, der den Mord auch gestand. Für Ersten Kriminalhauptkommissar Grundler zeigt sich hier gut, wie sich Personen- und Sachbeweis optimal ergänzen. Gut dokumentierte Spuren können Alibis entkräften, Geständnisse bestätigen, Tatabläufe erklären.

Seit 2011 steht das K7 unter seiner Leitung. Etwa zu dieser Zeit setzte eine Serie von aufsehenerregenden Kapitaldelikten in der Region ein, die erst 2016 abriss. "Wir hatten einen Fall kaum abgeschlossen, stand der nächste an der Schwelle." Der Spurensicherung kam dabei eine zentrale Rolle zu. Beispiel: "Ermittlungsgruppe Siedlung". Unmittelbar nach dem nächtlichen Raubüberfall am Hammerweg holte der Kriminaldauerdienst die "Spusi" aus dem Bett. "Wenn so etwas passiert, geht das von Null auf 100 in Sekunden."

Für die EG Siedlung sicherte die Tatortgruppe - bestehend aus Spurensicherungsbeamten aller Kripos der Oberpfalz - annähernd 1000 Spuren. Über 500 Klebestempel wurden eingetütet. Der Klebestempel hat im Alltag dem Klebeband ("Tesa") den Rang abgelaufen. Es handelt sich dabei um die Entwicklung eines Kriminalbeamten aus Nürnberg, die inzwischen in Serie gefertigt wird. Der Schaumstoffstempel hat eine Klebefläche an der Spitze. Damit lassen sich winzige Partikel auftupfen.

Anzüge: weiß und heiß

Wenn die Männer in den weißen Schutzanzügen am Schauplatz eines Verbrechens eintreffen, "dann gehört der Tatort erst einmal uns", sagt Grundler. "Das ist nicht wie im Krimi, wo die Sachbearbeiter zwischen der Spurensicherung rumhupfen." Die Kriminalbeamten teilen den Tatort in Sektoren auf. Im Uhrzeigersinn arbeiten sie sich durch jeden Raum. Die Kommissare fotografieren jedes Detail. Sie skizzieren und protokollieren die Situation. Am Hammerweg ging zusätzlich das LKA mit dem 3-D-Scanner durchs Haus und machte es damit virtuell begehbar.

Es gilt: "Möglichst alles sammeln. Man weiß nicht, was einmal wichtig wird", sagt Grundler. Asservate werden eingetütet, wie Kleidung, Messer, Taschentücher. Andere Spuren werden vor Ort gesichert, wie Abdrücke an Türklinken. In den weißen Anzügen wird es schnell warm. "Nach fünf Stunden ist man platt", sagt Feistel. Folge: "Im Sommer steigen wir in Unterwäsche in die Dinger."

Die Spuren werden im eigenen Labor in Weiden aufbereitet, ehe sie an das LKA, externe Gutachter oder die Rechtsmedizin gehen. Immer mehr Verfahren führt das K 7 in Eigenregie durch. Die Kriminaler erinnern dabei an Ärzte im OP: In weißen Kitteln, mit Handschuhen, Mundschutz und OP-Haube stehen sie an einem blanken Metalltisch oder sitzen an ihren diversen Apparaturen.

Grundler und sein Team arbeiten - im positiven Sinne - mit allen Tricks. In ihrem Labor wird Unsichtbares sichtbar. Das geht mit Klassikern, wie Pinsel und Metallstaub. Es gibt chemische Methoden, wie den Cyanschrank, in dem Sekundenkleber auf Asservate gedampft wird: Der Kleber legt sich an Fingerspuren an. Jeder Magier würde staunen angesichts der forensischen Lichtquellen, unter denen Abdrücke auf Falschgeld oder Drohbriefen aufleuchten. Das K 7 bearbeitet rund 400 Spurenfälle pro Jahr ein. Da ist alles dabei: Diebstahl, Sexualdelikte, Drogen...

Schwierig: Arbeit an Leiche

Die Kriminalbeamten müssen sehr genau hinsehen, und das macht ihre Arbeit oft nicht leicht. Sie werden zu erweiterten Suiziden gerufen, toten Säuglingen, Opfern von Schussverletzungen. "Man verbringt oft Stunden bei der Leiche", sagt Grundler. Fingerabdrücke müssen genommen werden, in diesem Fall mit Walze und Druckerschwärze. Auch an toten Körpern werden Abklebungen gemacht. "Man macht Dinge, die man sich nicht vorstellen konnte."

Datenbanken für Fingerabdrücke und DNA:

"Unser Fischteich"

Das K7 ist verantwortlich für den Erkennungsdienst (Foto/Fingerabdrücke) und die DNA-Abnahme. Sie befüllen damit Datenbanken des Bundeskriminalamts. „Unser Fischteich, aus dem wir Täter fischen wollen“, sagt Karlheinz Grundler. Die Datenbanken sind europaweit vernetzt. Es bestehen Abklärungsmöglichkeiten weltweit, „bis zum Südpol“.

Das K7 führt pro Jahr rund 500 erkennungsdienstliche Behandlungen durch. Ein Schnellabgleich mit dem Fingerabdruck-Identifizierungssystem des BKA ist in kürzester Zeit möglich. Im Selbstversuch werden in Weiden Fingerabdrücke gescannt. Nach weniger als einer Minute meldet Wiesbaden: „kein Treffer“.

Für die Aufnahme in die DNA-Datenbank besteht eine andere Rechtsgrundlage. „Die Hürden sind viel höher.“ Die Kripo Weiden befüllt die DNA-Datenbank jährlich mit 200 Personen. Panik vor dem „gläsernen Menschen“ hält der Kommissariatsleiter für überzogen. Theoretisch könnte die DNA Größe, Augen- und Haarfarbe verraten. Tatsächlich sind in der Datenbank reine Zahlenketten abgespeichert. Es gelten Speicherfristen, abhängig von der Straftat.

Und noch eine Aufgabe obliegt dem K 7: die Aktenverwaltung. Kommissar Marco Klotz und die Angestellten Sonja Schmidt und Elisabeth Gedreit verwahren Kriminalakten. Diese sind nicht Fällen, sondern Personen zugeordnet sind. Die Aktensammlung wird derzeit digitalisiert. Es handelt sich nicht um ein ewiges Gedächtnis: Es gelten Speicherfristen. Und: „Es ist auch nicht so, dass jeder Polizist alle Akten lesen kann.“ Wie früher beim Archivraum, gibt es auch auf digitalem Weg eine Zugangskontrolle.

 
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