„Wer hätte vor einem Jahr im März gedacht, dass Luthers berühmte Sentenz vom Apfelbäumchen im Zusammenhang mit dem aktuellen Geschehen in der Ukraine von so unmittelbar konkret brutaler Aktualität sein könnte. Und wenn die Welt untergehen würde … Wir sind nah dran.“ Der Chef des Weidener Kunstvereins, Wolfgang Herzer, nahm am Mittwoch bei der Eichenpflanzung zu Ehren von Joseph Beuys in der Kurt-Schumacher-Allee die weltpolitische Lage zum Anlass, wie Martin Luther und Joseph Beuys an eine menschliche Zukunft zu glauben.
Herzer konnte nicht umhin, die rund fünf Meter hohe Eiche mit einem Lebend-Projektil zu vergleichen, das wie eine grüne Rakete aufschieße. "Wenn wir das Ohr an die Container-Wandungen legen, könne wir im Metall den Geschützdonner hören."
Der Kunstverein habe sich im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Museum "Dasmaximum" in Traunreuth und dem Arbeitskreis "Stadtkultur Netzwerk Bayerische Städte" dazu entschlossen, anlässlich des 100. Geburtstags von Künstler Joseph Beuys in dieses bayernweite Kunstprojekt einzusteigen.
Lebendiger Baum, totes Gestein
Bei dem international renommierten Künstler hätten klassische Künste genauso Platz gefunden, wie die avantgardistische, sozial-interaktive Form der Performance und Objektkunst. Kernbegriff und bildnerisches Grundmotiv seines Schaffens sei die Herstellung "demokratisch-bürgerschaftlicher Prozesswärme im ökologischen Zusammenhang" gewesen.
Das Bild des lebendigen Baumes und des toten Gesteins habe der Künstler als Sinnbild allgemeiner dialektischer Lebensprozesse verwendet, erklärte Herzer. "Die Idee der Eichenpflanzung, in der sich das Beuys'sche Meisterwerk, die Großaktion 7000 Eichen, spiegelt, ermöglicht, dem künstlerischen Erbe auch in praktischer Hinsicht ganz nahe zu sein."
"Weiden als Stadt der Bäume hatte uns mit ihrer eindrucksvollen Grünanlage, darunter auch viele markante Eichen, vor die Frage gestellt, welche Platzierung dem Namen Beuys entsprechen würde." Der Gedanke der geistigen Beweglichkeit, des Transfers künstlerisch- symbolischer Problemlösungen auf außerkünstlerische Bereiche, wie er bei dem Künstler formgebend wirksam gewesen sei, habe zu der Vorstellung geführt, in einer Art Prozession den Baum samt Stein in einem Behälter in zwei Etappen quer durch Weiden zu transportieren, erläuterte Herzer. Im Herbst werde das Kunstwerk auf dem Campus der OTH seinen finalen Platz finden.
Verbindung zu Weiden
Herzers Dank galt den Firmen Garten Punzmann und Bergler, die Baum und Container finanzierten, ein herzliches "Vergelt's Gott" der Stadtgärtnerei. Bürgermeister Lothar Höher stellte die Verbindung des "bedeutendsten Aktionskünstlers des 20. Jahrhunderts" zu Weiden heraus. "Im Sommer 1942 agierte er auf dem Weidener Feldflugplatz Maierhof bei Ullersricht. Als großer Naturfreund zeichnete er schon damals sehr viel und gut." Und er habe sich immer wieder auf den Fichtenbühl hingezogen gefühlt.
OTH-Präsident Clemens Bulitta begrüßte die Entscheidung der Verantwortlichen für den Campus als finalen Platz. "Widersprüchlichkeit, Diskurs und das Auseinandersetzen mit Themen ist das, was uns als Hochschule ganz besonders am Herzen liegt."
Thomas Müller von der Stiftung "Dasmaximum" betonte die ursprüngliche Idee des Kunstwerks. Seinem Verständnis nach hätte eine junge, kleine Eiche am vier Millionen Jahre alten Stein emporwachsen sollen.
Dustin Opitz vom Kollektiv für kritische Stadtgeschichte distanzierte sich von seinen Vorrednern und bezog sich auf den, wie er meinte, nationalsozialistischen Hintergrund des Künstlers. Er hob Beuys' Vergangenheit in der Hitlerjugend und als Elitesoldat in der Wehrmacht hervor. Der Künstler habe die Shoah verharmlost. Gegenüber Bürgermeister Höher kritisierte Opitz den aktuellen Standort des Kunstwerks am Fuße der Judengasse.
Zur Person Joseph Beuys
- Geboren: 12. Mai 1921 in Krefeld
- Gestorben: 23. Januar 1986 in Düsseldorf
- Wirken: Beuys gilt weltweit als einer der bedeutendsten Aktionskünstler des 20. Jahrhunderts; zudem Bildhauer, Medailleur, Zeichner, Kunsttheoretiker und Professor an der Kunstakademie Düsseldorf
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