"Tzeva Adom! Tzeva Adom!" – "Farbalarm Rot!" Eigentlich wollte Rabbiner Dannyel Morag bei der Gedenkfeier an die Pogromnacht gerade das "Kaddisch", das jüdische Totengebet, sprechen. Doch kurz zuvor vibrierte sein Handy: Raketenalarm in Israel: Angriff aus dem Jemen. Sichtlich bewegt sprach Morag von einem "nicht enden wollenden Tohuwabohu" und schimpfte: "Es weiß der liebe Herrgott, wann das einmal zu Ende ist." Das Warnsignal, so berichtete er, hätten drei Millionen Menschen in Israel zeitgleich erhalten.
Der Vorfall veranlasste ihn, über Demokratie und Toleranz nachzudenken. In Berlin hätten Juden der Opfer der Pogromnacht gedacht, während auf der gegenüberliegenden Straßenseite Rechtsextreme Parolen riefen. "Kann man das an einem solch tragischen Gedenktag für die Menschheit nicht verhindern?", fragte der Rabbiner. "So eine Demokratie kann ich nicht verstehen." Erst dann sprach er das Kaddisch.
"Unser Wunsch ist Frieden"
Zur Gedenkfeier in der Konrad-Adenauer-Anlage hatte die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit eingeladen. Zahlreiche Bürger nahmen Teil. Die Politik war unter anderem mit den Landtagsabgeordneten Stephan Oetzinger und Laura Weber sowie Landrat Andreas Meier vertreten. Vor Rabbiner Morag sprach Leonid Schaulov, Vorstand der Jüdischen Gemeinde. "Unser Wunsch ist Frieden und nochmals Frieden", sagte er. Auch Imam Maher Khedr schloss sich diesem Wunsch an: "Gott hat uns nicht erschaffen, dass wir uns gegenseitig hassen."
Oberbürgermeister Jens Meyer erinnerte an den 9. November 1938, als in Deutschland Synagogen brannten, Geschäfte und Wohnungen jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger zerstört wurden. Auch in Weiden. Hunderte Menschen wurden getötet, Tausende inhaftiert. "Pure Willkür war das", sagte Meyer. Der 9. November sei ein Schicksalstag der deutschen Geschichte: "Die Demokratie wurde mit Füßen getreten."
Für Freiheit einstehen
Heute, so Meyer weiter, sei das Gedenken bedrückend aktuell. "Antisemitismus hat in unserem Land in letzter Zeit spürbar zugenommen. In den Medien, auf offener Straße und selbst in den Schulen." Das gesellschaftliche Klima sei rauer geworden. "Hetze und Hass greifen um sich. Rechtspopulisten, Antisemiten und Rassisten versuchen, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben." Als mahnendes Beispiel verwies er auf ein in den Gehsteig eingemeißeltes Hakenkreuz unweit des Gedenksteins. "Wir müssen einstehen für Freiheit, Demokratie und Toleranz."
Schülerinnen des P-Seminars vom Kepler-Gymnasium erzählten von der Verlegung von "Stolpersteinen" im Stadtgebiet und verlasen die Namen der 56 ermordeten Weidener Juden. Musikalisch umrahmten Klaus Luther (Gitarre) und Christoph Pausch (Geige) die Feierstunde.
Im Schlusswort stellte Pfarrer Alfons Forster, katholischer Vorsitzender der Gesellschaft, die bange Frage nach der Zukunft im Nahen Osten. Radikale Terroristen der Hamas bestimmten die Geschicke des palästinensischen Volkes, während Israels Regierung von rechtsnationalen Partnern abhänge. "Wie soll da ein Friedensprozess in Gang kommen?", fragte Forster. Er entließ die Teilnehmenden mit der Hoffnung, dass aus Erinnerung Verantwortung wächst.
















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