Als ich zur Schule ging, wurden in der Biologie alle Lebewesen in zwei „Reiche“ eingeteilt: Pflanzen und Tiere. Die Pilze wurden ins Pflanzenreich geordnet, was einigermaßen logisch schien, da sie sich doch nicht fortbewegen können und Wurzeln im Untergrund haben.
Unsere Kinder lernten in der Schule eine neue biologische Einteilung kennen: Pilze haben jetzt ihr eigenes Reich.
Ein außergewöhnlicher Vertreter dieser Lebensform ist die „Gelbe Lohblüte“, die nahezu weltweit vorkommt und von Frühling bis Herbst auch in unseren Wäldern zu finden ist. Die „Hexenbutter“, wie sie auch genannt wird, lebt auf und ernährt sich von abgestorbenen Pflanzenteilen wie totem Holz oder Rinde. Gefressen oder verdaut werden aber auch Bakterien, die auf dem Untergrund wachsen. Die Gelbe Lohblüte ist nicht unbedingt an feuchte schattige Waldböden gebunden, sie kann auch auf Rasenflächen oder auf Steinböden vorkommen.
Zu verwechseln ist dieses Wesen, das zur den Schleimpilzen zählt, im Prinzip mit nichts: schaumig-gelb oder blassgelb bis weiß, in kleinen Tropfen oder Polstern bis Handtellergröße.
Auffällig ist, dass meist auf der einen Seite der Hexenbutter ein vertrockneter Schleimrest zu sehen ist, fast so wie die Schleimspur einer Schnecke. Das liegt daran, dass die Lohblüte tatsächlich in der Lage ist, sich fortzubewegen: sie kriecht über die Unterlage, aus der sie aus Sporen erwachsen ist.
Sie ist nicht giftig und richtet keinen Schaden an Pflanzen über die sie kriecht an. Aber sie kriecht – ein Pilz.
Es gibt Versuche, die gezeigt haben, dass diese kriechenden Schleimpolster sogar in der Lage sind, Nahrung in einem einfachen Labyrinth gezielt aufzusuchen.
Ein Wesen also, das keine Wurzeln im Untergrund hat, keine Photosynthese betreibt und sich – wenn auch sehr langsam – fortbewegen kann, und das wahrscheinlich sogar zielgerichtet: ein Schleimpilz.
Werden unsere Enkel eine weitere biologische Kategorie des Lebens lernen: die Schleimpilze?
Unsere Kolumne
Wolfgang Winter ist beruflich wie privat viel in der Natur in und um Weiden unterwegs und engagiert sich beim Landesbund für Vogelschutz (LBV). Er berichtet von seinen Beobachtungen auf den Streifzügen.
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