An vielen heimischen Pflanzenarten kommen Knöllchen, bunte „Pusteln“ oder Bläschen-ähnliche Gebilde, Knollen Fransenbüschel „Mini-Ananas“ und andere Wachstumserscheinungen auf oder unter Blättern, aber auch an Zweigen und Halmen, oder auch an Wurzeln vor: Gall-Wespen waren hier am Werk – vielmehr die Eier der Tiere.
Wobei diese „Wespen“ hier ganz und gar nichts mit den Fliegern zu tun haben, die es im Sommer auf Limo, Kuchen und Eis abgesehen habe: Gall-Wespen sind kaum über einen Millimeter groß.
Eine unglaubliche Vielzahl von Arten kleinster Insekten, denen die Evolution in ihrer Fortpflanzung einen komplizierten und erstaunlichen Mechanismus verpasst hat: Die Weibchen legen ihre Eier in die äußerste Zellschicht eines Blattes. Eine chemische Reaktion der Pflanze auf eine Substanz am Ei veranlasst die Pflanze zur Ausbildung einer „Wucherung“ oder „Galle". Diese Galle bietet der Larve des Insekts Schutz und Nahrung. Wie die Steuerung der Wachstumsgeschwindigkeit der Galle durch die Larve funktioniert, ist noch nicht bekannt.
Gallen gibt es an vielen Pflanzengattungen. An Rosengewächsen und Eichen-Blättern scheinen sie besonders häufig und verschiedenartig zu sein. Bei der Schwamm-Gallwespe, auf die die Kartoffelgallen an Eichenlaub zurückgehen, gibt es eine noch weitaus verrücktere Besonderheit: Aus den Gallen, die während des Frühlings an den Blättern gewachsen sind, schlüpfen jetzt im Sommer Männchen und Weibchen der Wespe, um sich zu paaren. Die befruchteten Weibchen legen ihre Eier dann im Spätsommer, nachdem sie sich unter die Erde verkrochen haben, an den Wurzeln der Eichen. Dort entstehen ebenfalls kleine Gallen, in denen sich wiederum Gallwespen-Larven entwickeln, deren Wachstum eineinhalb Jahre dauert. Nach deren Verpuppung im Herbst des nächsten Jahres schlüpfen im Winter allerdings nur Weibchen, die zudem ungeflügelt und damit Ameisen wesentlich ähnlicher sind, als Wespen. Diese machen sich auf den Weg aus der Erde über den Winterboden den Eichenstamm hinauf, um in den Knospen der Eichen ihre Eier abzulegen, aus denen im Frühling mit den Blättern die neuen Gallen heranwachsen.
Ob und welchen Sinn dieser Generationswechsel haben könnte, ist ebenso nicht bekannt. Den Wirtspflanzen schaden die gallbildenden Parasiten nicht. Aber von Nutzen können oder konnten sie dennoch sein. Und zwar für Menschen, die Wichtiges aufzuschreiben hatten: Werden zerriebene Eichengallen in Wasser eingeweicht und aufgekocht, löst sich Gall-Säure. Versetzt man diese Flüssigkeit mit Eisen-Sulfat, entsteht eine Flüssigkeit, die, sobald sie mit Luftsauerstoff in Verbindung kommt, durch Oxidation sehr dunkel und dauerhaft wird: Gallus-Tinte ist über Jahrhunderte zur Anfertigung wichtiger Dokumente verwendet worden und hat den Namen von den Gallen der Gall-Wespen.
LBV-Mann Wolfgang Winter
Wolfgang Winter ist beruflich wie privat viel in der Natur in und um Weiden unterwegs und engagiert sich beim Landesbund für Vogelschutz (LBV). Er berichtet von seinen Beobachtungen auf den Streifzügen.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.