Deutlich mehr Teilnehmer als die Jahre zuvor sind zum traditionellen Gedenken an die Opfer der Pogrome 1938 an das Mahnmal in der Konrad-Adenauer-Anlage gekommen. Die Lage am Sonntag ist leicht angespannt. Die Polizei sichert wie immer die harmonische Veranstaltung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Stadt ab. Dennoch kommen Gedanken an die Schüsse von Halle hoch, bei den mehr als 250 Teilnehmern und auch in den Reden des Nachmittags.
"Zeichen setzen und Lichter anzünden ist gut, aber nicht genug. Wir müssen selbst Lichter und Zeichen sein", bringt es die Schriftführerin der Gesellschaft, Constanze Schöner, angesichts des wachsenden Radikalismus in der Gesellschaft auf den Punkt. Allen Formen von Antisemitismus entgegenzutreten, ist die klare Botschaft der Gedenkfeier. Eine Erinnerungskultur reiche nicht aus, Schreckliches zu verhindern, sagt auch Susanne Kempf, die mit der Lichter-Aktion "Aufwachen" die Feier unterstützte.
Stimmen für die Verstummten
"Es ist richtig, zu schweigen und der Opfer des Holocaust zu gedenken, aber noch wichtiger, dass wir unsere Stimme wieder erheben, erheben gegen Hass und Gewalt, erheben für diejenigen, deren Stimmen verstummt sind", fordert Bürgermeister Jens Meyer. Für die 55 Weidener Opfer der Shoa und aus weiteren Gruppen - Kinder, Frauen, Männer -, deren Namen zum Gedenken verlesen wurden.
Auf die Verrohung der Sprache folge die Verrohung der Sitten und schließlich die Gewalt. "Zeigen Sie klare Kante und stehen Sie 'auf der anderen Seite'", fordert Meyer.
Die Nacht vom 9. auf den 10. November sei der Übergang zur organisierten Deportation der Juden gewesen, sagt Leonid Shaulov, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Weidens. Was dieses "endlose Meer aus jüdischen Tränen", wie es Shaulov treffend bezeichnet, für die Einzelnen bedeutete, verdeutlicht eine Gruppe Schüler der BOS. Mit Pfarrer Hans-Martin Meuß stellen sie mit Ausschnitten aus einer Artikelserie der Oberpfalz-Medien die Lebens- und Leidensgeschichte des heute in Tirschenreuth lebenden Alexander Frieds vor, der drei Konzentrationslager überlebte.
"Lichtermeer der Versöhnung"
Als nach Einbruch der Dunkelheit die mitgebrachten Teelichter, Kerzen, LEDs und sogar ein Lampion scheinen, strahlt Shaulovs versöhnlicher Wunsch nach einer Gesellschaft, in der alle glücklich leben können, umso heller. Eine Gesellschaft, in der jeder bei Rassismus aber mehr als nur hinsehen muss.
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