Weiden in der Oberpfalz
19.12.2019 - 18:28 Uhr

OB Seggewiß über Süd-Ost-Link: "Wir kommen uns veräppelt vor"

Bürgermeister und Landräte entlang des geplanten Süd-Ost-Links haben mit der nun festgelegten Trasse gerechnet. Enttäuscht sind sie trotzdem noch. Weil ein Wunsch völlig ignoriert wurde.

Der geplante Trassenverlauf im Raum Weiden/Neustadt. Grafik: Bundesnetzagentur
Der geplante Trassenverlauf im Raum Weiden/Neustadt.

Zwischen Püchersreuth und Leuchtenberg sind die Rathauschefs vor allem sauer, dass die Bündelung der Leitung entlang der A 93 nicht geprüft wird. Weidens Oberbürgermeister Kurt Seggewiß nennt das eine "große Sauerei". "Wir kommen uns alle ziemlich veräppelt vor."

Landrat Andreas Meier verweist auf seinen Schriftverkehr mit Berliner Ministerien und Jochen Homann, dem Chef der Bundesnetzagentur. Homann beharrt darauf, dass seine Behörde den Nahbereich der A 93 gar nicht untersuchen dürfe, weil dafür die Erlaubnis des Bundesverkehrsministeriums und der Autobahndirektion Nordbayern nicht vorlägen. Meier zitiert dagegen einen Brief des Bundeswirtschaftsministeriums, in dem sinngemäß steht, dass dies nicht so sei.

Der Landrat vermutet, dass die Netzagentur fürchte, durch die Prüfung der Autobahn-Variante Zeit zu verlieren. Zudem mache sie sich bei so einer Prüfung rechtlich leichter angreifbar. Deshalb gehe sie in diesem Punkt auf Tauchstation.

Sauer auf Minister Aiwanger

Eine Mitschuld an der Situation gibt Meier Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), auch wenn er das nach einem Wortgefecht mit Aiwanger in der "Jetzt red i"-Sendung im September nicht mehr so deutlich sagt. Aiwangers Verzicht auf eine Trasse von Thüringen nach Hessen quer durch Franken gehe zulasten der Bevölkerung entlang des Süd-Ost-Links.

SPD-Landtagsabgeordnete Annette Karl wird deutlicher: "Aiwanger hat uns hier verkauft." Denn durch den Wegfall der Frankentrasse werde die Kapazität des Süd-Ost-Links von zwei auf vier Gigawatt erweitert. Dadurch nützten auch die modernen und flächensparenden 525-kV-Leitungen nichts, dann brauche es mehr Platz.

Karl warnt allerdings davor, zu suggerieren, eine Prüfung des Autobahnkorridors wäre die Lösung aller Konflikte. "Schauen Sie nach Altenstadt, da geht ein Wasserschutzgebiet bis an die Autobahn ran. Da kann ich keine Leitung reinlegen." Es komme jetzt darauf an, in einem verbindlichen 1000-Meter-Korridor die "idealen 40 Meter" zu finden.

Digitalisierung heißt mehr Strom

Die Abgeordnete warnt vor Populismus: "Wir müssen uns von der Lebenslüge verabschieden, dass die Trasse nicht kommt und nicht notwendig ist." Die SPD-Landtagsfraktion habe vor Kurzem den Regenerative-Energie-Experten Professor Volker Quaschning zu Gast gehabt. "Er hat klipp und klar gesagt, dass sich der Stromverbrauch in Europa durch E-Mobilität, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Blockchains in den nächsten 20 Jahren verdoppeln wird. Dieser Strom muss irgendwo herkommen."

Für die von der Trassenführung Betroffenen sei der Flächenverbrauch nicht schön und tue in der Seele weh, versichert Karl. "Aber wie Aiwanger stattdessen den Bau von Gaskraftwerken zu fördern, die in Bayern bisher im Schnitt einen einzigen Tag als Stromreserve laufen, ist Augenwischerei. Die Bürger müssen den Strom doch auch noch bezahlen können."

Die Bürgermeister aus dem Landkreis bekamen den genauen Trassenverlauf und die nächsten Schritte des Planfeststellungsverfahrens am Donnerstagnachmittag von Netzbetreiber Tennet in Weiherhammer vorgestellt. OB Seggewiß und Landrat Meier sind gar nicht erst hingegangen. Meier: "Nachdem die Katze aus dem Sack ist, sind das eh nur Placebos."

Weiden in der Oberpfalz18.12.2019
Kommentar:

Energiehunger nimmt zu

Wenige Hundert Meter werden im Planfeststellungsverfahren in den nächsten Monaten entscheidend sein: Ob ein Landwirt sein Feld für den Süd-Ost-Link aufgraben lassen muss oder nicht. Ob ein Waldbesitzer eine tiefe Schneise in seinem Besitz vorfinden wird oder nicht. Ob eine Gemeinde auf einer freien Fläche ein Baugebiet verwirklichen kann oder nicht. Wer sich in die Betroffenen hineinversetzt, kann die Sorgen verstehen, die ihnen die geplante Stromtrasse bereitet. Manche Gegner wünschen sich bereits eine Protestbewegung wie einst gegen die WAA in Wackersdorf. Dass es so weit kommt, scheint eher unwahrscheinlich. Kurz gesagt: Ein Kabel ist keine Plutoniumfabrik. Bei aller Undurchsichtigkeit des Entscheidungsprozesses bleibt eine von Annette Karl angesprochene Tatsache unanfechtbar: In der digitalen Gesellschaft wird der Stromverbrauch weiter gewaltig steigen. Diesen Bedarf mit Biogasanlagen oder Photovoltaik auf Einfamilienhäusern auffangen und bezahlen zu können, ist utopisch. Eher schon sollten sich bayerische Minister und Ministerpräsidenten Gedanken machen, ob die 10-H-Regelung für Windräder wirklich im Sinne der Energiewende ist.

Friedrich Peterhans

 
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