So ganz passen die Vorwürfe nicht zu dem Erscheinungsbild des Angeklagten: gutes Elternhaus, gepflegtes Äußeres, Bachelor-Abschluss in der Betriebswirtschaftslehre, eine Stelle als Vermögensberater in München, keinerlei Vorstrafen, nebenbei macht er seinen Master. Dennoch soll der heute 25-Jährige aus Weiden in einer Party-Nacht am 21. April 2019 in einer Weidener Diskothek rot gesehen haben.
Die Anklage von Staatsanwältin Anja Benner-Tischler vor dem Schöffengericht hat es in sich. Auf der Tanzfläche soll der Angeklagte sich und seine zwei Begleiterinnen von einem Pärchen gestört gefühlt haben. Mit leichtem Druck habe er das Paar zunächst beiseite geschoben. Er wollte Platz für ein Bild von einem Partyfotografen. Der verdutzte Mann, ein heute 28-jähriger Medizin- und Ingenieursstudent aus Weiden, drehte sich daraufhin zu ihm um. Möglicherweise kam es dabei zu einer unabsichtlichen Berührung mit dem Angeklagten oder einer seiner Begleiterinnen – so ganz wurde das ihm Nachhinein nicht mehr klar.
Der Vorfall war eigentlich schon vorbei, als der Student dann einen Schlag mit der hohlen Hand von hinten gegen das rechte Ohr bekam. Er war sofort benommen, es kam zu einer Rangelei, beide fielen zu Boden. "Sie drehten sich ein paar Mal auf dem Boden", erklärte die 26-jährige Freundin des Opfers aus Graz, wo beide studieren. Der 25-Jährige hatte den 28-Jährigen, der mit dem Rücken auf ihm lag, gepackt. Seine beiden Hände gruben sich dabei in die Augenhöhlen des Älteren.
"Wie stark war denn der Druck des Griffs?" wollte Hubert Windisch, Vorsitzender Richter des Schöffengerichts, von dem Mädchen wissen. Sie sei dazwischen gegangen, konnte aber den Griff nicht lösen. Erst als die Security anrückte, konnte sie den mittlerweile bewusstlosen Freund mit Kraft von seinem Angreifer herunterziehen.
Alle Beteiligten flogen aus dem Club. Draußen suchten sie die Kontaktlinsen des Studenten. Die Freundin fand sie in dessen Augenhöhle. Dabei entdeckte sie zahlreiche geplatzte Adern im stark geröteten Auge. Mit Hilfe des Fotos des Partyfotografen konnte die Identität des Angreifers geklärt werden.
Windisch fragte nach aktuellen Beschwerden seit dem Vorfall. Der 28-Jährige war als Zeuge geladen. Er hatte keine Nebenklage erhoben. Er gab an, dass er Verletzungen an der Hornhaut hatte. Daher rührte lange ein Gelbschimmer beim Sehen. Heute spürt er noch einen leichten Druck auf den Augen und kann keine Kontaktlinsen mehr tragen. Vom Schlag auf den Ohr habe er einen immer noch zeitweilig auftretenden Tinnitus.
Der Angeklagte erklärte, er habe erst von seinem Rechtsanwalt Walter Bagnoli von der Schwere seines Angriffs erfahren. Er entschuldigte sich im Gerichtssaal bei seinem Opfer und wünschte ihm eine vollkommene Genesung. Als "glaubhaft", wertete Windisch das Reueeingeständnis. Nach Rücksprache mit seinem Anwalt räumte der Angeklagte alle Vorwürfe ein. Weshalb er so reagiert hatte, konnte er nicht erklären. Beide Beteiligten waren alkoholisiert.
Das Schöffengericht verurteilte den 25-Jährigen schließlich wegen Körperverletzung und versuchter schwerer Körperverletzung zu einem Jahr auf Bewährung. Damit folgte es dem Antrag des Verteidigers. Zudem werden 2500 Euro Schmerzensgeld fällig. Windisch erklärte aber auch, dass die vorliegenden Beweise für eine härtere Strafe ohne Bewährung gereicht hätten. Er hoffe, dass es bei einem einmaligen Fehltritt des 25-Jährigen bleibe.
Das Gericht wertete die ehrliche Entschuldigung, das Geständnis, die Tatsache, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und dessen geordnete Lebensverhältnisse zu seinen Gunsten. Staatsanwältin Benner-Tischler hatte ein Jahr und zehn Monate – mit Strafaussetzung zur Bewährung – gefordert. Angeklagter und Staatsanwaltschaft erklärten Rechtsmittelverzicht.
Richter Windisch meinte, dass Schläge gegen das Ohr, die den Gleichgewichtssinn empfindlich stören können, immer öfter vorkommen würden: "Früher gab es Schläge auf die Nase oder das Kinn." Woher diese neue Entwicklung komme, sei ihm unverständlich.















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