Weiden in der Oberpfalz
18.02.2024 - 17:54 Uhr

Prague Royal Chamber Orchestra bei den Weidener Meisterkonzerten

Die Fastenzeit ist angebrochen, beim anstehenden Weidener Meisterkonzert muss trotzdem niemand darben. Stattdessen sorgen Solistin Alissa Margulis, Dirigent Heiko Mathias Förster und das Prague Royal Chamber Orchestra für opulenten Genuss.

Das Prague Royal Chamber Orchestra ist der kammermusikalische Ableger des Prague Royal Philharmonic und verdankt seine Existenz, wie die große Orchesterschwester, dem der Metropole an der Moldau seit langem musikalisch eng verbundenen deutschen Dirigenten Heiko Mathias Förster.

Sein 2017 in die Tat umgesetzter Plan, mit beiden Klangkörpern die vor über vierhundert Jahren von Kaiser Rudolf II. und seiner Hofkapelle in der „Goldenen Stadt“ etablierte Musiktradition wiederzubeleben, ist längst aufgegangen. Auch beim Gastspiel in der Max-Reger-Halle erweisen Förster und sein Orchester den regionalen Wurzeln ihre Referenz, es geht allerdings nicht ganz so weit zurück in der Zeit: Antonín Dvořáks von wohligen böhmischen Klängen durchwirkte E-Dur- Serenade entstand 1857 und kam ein Jahr später zur Uraufführung in Prag. Der Metzger-Sohn und leidenschaftliche Eisenbahn-Fan war damals übrigens noch ein gutes Stück entfernt vom internationalen Durchbruch und dem prägenden Aufenthalt in der „neuen Welt“.

Diesem stimmungsvollen Auftakt setzt Förster mit Edvard Griegs Suite „Aus Holbergs Zeit“ einen Schlusspunkt gegenüber, der an Klangschönheit und Ohrenschmeichelei ohne weiteres mithalten kann. Dieser Liebling der Konzertprogramme verdankt seine Entstehung dem 1884 begangenen 200. Geburtstag des Dichters Ludvig Holberg, wie Grieg ein Sohn der norwegischen Stadt Bergen. Die Ausarbeitung der ursprünglichen Klaviersuite zum Werk für Streichorchester übernahm er einige Zeit später selbst. Ob Grieg sein durch und durch romantisches Werk "im alten Stil" nun tatsächlich mochte oder nicht – zu seinen größten Erfolgen zählt es allemal.

Technisch heikel und virtuos

Der melodiöse, heitere Ton des Abends, den die beiden Pole des Abends setzen, bleibt auch dazwischen erhalten. Mit „Introduction et Rondo Capriccioso“ und „Havanaise“ von Camille Saint-Saëns stehen zwei echte Bravourstücke auf dem Programm. Das erste der beiden Werke habe sie schon als Kind geliebt und lernen wollen, erzählt die einer Pianisten-Familie entstammende Violinistin Alissa Margulis im Telefoninterview mit Oberpfalz-Medien: „Es ist technisch sehr heikel und hoch virtuos. Da ist alles drin, warum man gerne Geige spielt und hört“, erklärt sie den Reiz, der die Komposition zum absoluten „Showpiece“ macht: „Es ist romantisch und das Leidenschaftlichste, was es für Violine gibt. Fast wie ein Tango, es spricht jeden an, ein Ohrwurm.“

Die daran anschließende „Havanaise“, einst geschrieben für den kubanischen Geiger Rafael Díaz Albertini, stelle ebenfalls eines der wichtigsten Werke für Geige dar, sei vielleicht noch eine Spur verträumter, so Margulis: „Es zaubert von der ersten Note an ein Lächeln ins Gesicht.“ Wie so oft in der Musik stellt aber gerade dieses tänzerisch Leichte die Ausführenden vor handfeste handwerkliche Herausforderungen – die Alissa Margulis meisterlich zu nehmen versteht.

„Um Geige zu spielen, muss man klug sein“

Ihr Talent wurde früh entdeckt, bereits mit sieben Jahren debütierte sie – ganz ohne Familiendruck, wie sie betont – mit den Budapester Solisten, das Kammermusik-Projekt der exquisiten Kronberg Academy brachte zusätzliche Impulse und bestärkte sie in der eingeschlagenen Richtung: „Das war schon einmalig und ganz anders als mit Lehrern, weil man ja mit den großen Künstlern zusammen gespielt hat.“

Dass sie überhaupt zur Geige kam, verdankt sie zum einen ihrer Großmutter, die sie ermunterte, nicht der familiären Klaviertradition zu folgen. Und zum anderen einem fehlenden Babysitter: „Als ich vier Jahre alt war, wollten meine Eltern ein Konzert mit dem Geiger Isaac Stern besuchen. Weil niemand auf mich aufpassen konnte, nahmen sie mich mit – und von da an wusste ich, dass ich Geigerin werden will.“

Als sie Stern diese Geschichte drei Jahre später erzählte, gab er ihr eines mit auf den Weg: „Um Geige zu spielen, muss man klug sein und viel nachdenken.“ Heute teilt Alissa Margulis ihre Erfahrungen als Professorin an der Folkwang Universität der Künste. Ihre Aufgabe endet allerdings nicht beim rein Musikalischen: „Man ist auch für die menschliche Entwicklung verantwortlich.“

Heiko Mathias Förster kennt die Solistin des Weidener Abends seit sie für eine befreundete Kollegin einsprang, die in Corona-Zeiten nicht zum Konzert mit dem Dirigenten anreisen konnte: „Wir haben uns von Anfang an blendend verstanden.“ Und auch die Zusammenarbeit mit dem Prague Royal Chamber Orchestra empfindet die Violinistin als sehr inspirierend: „Eine tolle Gruppe, wir brauchten gar nicht viel Probenzeit.“

Abgesehen von einem Recital im Dezember in der Nähe von Regensburg kennt Alissa Margulis die Oberpfalz noch nicht. Von Max Reger, dem Namensgeber des Weidender Konzertsaals, hat sie immerhin schon einige „sehr schwere“ Stücke gespielt. „Ich würde gern mehr über sein Leben erfahren“. Vor dem Gastspiel seine Biografie lesen, steht daher genauso auf dem Plan wie das Erkunden der Stadt: „Ich bin sehr gespannt und freue mich, mal in diese Ecke zu kommen.“

HINTERGRUND:

Zu Personen und Konzert

  • Alissa Margulis, Violinistin, in Deutschland als Tochter einer bekannten russischen Musikerfamilie geboren, Jungstudentin an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, international geschätzte Solistin und Kammermusikerin, über ein Dutzend Einspielungen, Professorin für Violine an der Folkwang Universität der Künste in Essen
  • Heiko Mathias Förster, Pianist und Dirigent, geboren 1966 in Crivitz bei Schwerin, studierte an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin Dirigieren, Klavier und Schlagzeug, Engagements als Chefdirigent der Münchner Symphoniker und Generalmusikdirektor der Neuen Philharmonie Westfalen, seit 2022 Chefdirigent der Philharmonie Baden-Baden
  • Weidener Meisterkonzert mit Alissa Margulis, Heiko Mathias Förster und dem Prague Royal Chamber Orchestra am Freitag, 23. Februar um 20 Uhr in der Max-Reger-Halle Weiden, Werke von Dvořák, Saint-Saëns und Grieg
 
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