Weiden in der Oberpfalz
14.07.2020 - 11:21 Uhr

"Qualität gewinnt immer"

Viele Chefs alteingesessener Handwerksbetriebe suchen Nachfolger. Eine große Chance für den Nachwuchs, die jedoch gut geplant sein sollte.

Horst Schedl schaut seinen Kunden genau auf die Füße. Bild: Gößl Gesunde Schuhe
Horst Schedl schaut seinen Kunden genau auf die Füße.

Horst Schedl ist 35 Jahre jung, kann aber bereits aus einem umfangreichen beruflichen Erfahrungsschatz schöpfen. Seit fünf Jahren ist der Meister der Orthopädie-Schuhtechnik sein eigener Chef, hat ein Weidener Traditions-Unternehmen übernommen. Der Neustädter hat in der Firma einiges bewegt und erneuert - ein Selbstläufer war das Projekt "Betriebsübernahme" jedoch bei weitem nicht.

Vertrauen in eigene Fähigkeiten

Schedl musste einige Hindernisse überwinden, sich sowohl bei seinem Team als auch bei der Kundschaft erst einmal in Position bringen. Eines der wichtigsten Werkzeuge dabei: Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Denn egal wie groß die Widerstände oder Vorbehalte auch sind, eines ist seinen Erfahrungen zufolge auf dem Weg in die und in der Selbstständigkeit gewiss: "Qualität gewinnt immer!"

Dass er ein eigenes Unternehmen führen will, war für den 35-Jährigen schnell klar. "Die Selbstständigkeit war immer schon mein Ziel", sagt er rückblickend. "Ich will einfach die beste Lösung anbieten - aber nach meinen Vorstellungen."

Horst Schedl, Meister der Orthopädie-Schuhtechnik, ist seit fünf Jahren Chef des renommierten Weidener Unternehmens "Gößl Gesunde Schuhe". Wie die Handwerkskammer mitteilt, stehen in Ostbayern in den kommenden zehn Jahren rund 11000 Betriebsübernahmen an - was ambitionierten Handwerkern große Chancen eröffnet. Bild: Gößl Gesunde Schuhe
Horst Schedl, Meister der Orthopädie-Schuhtechnik, ist seit fünf Jahren Chef des renommierten Weidener Unternehmens "Gößl Gesunde Schuhe". Wie die Handwerkskammer mitteilt, stehen in Ostbayern in den kommenden zehn Jahren rund 11000 Betriebsübernahmen an - was ambitionierten Handwerkern große Chancen eröffnet.

Viel dazugelernt

Doch so weit ist es Anfang der 2000-er-Jahre noch lange nicht: Während seiner Realschulzeit in Weiden sieht sich der gebürtige Tirschenreuther, der in Altenstadt/WN aufgewachsen ist und mittlerweile in Neustadt/WN wohnt, nach einem für ihn geeigneten Beruf um. Er unterschreibt schließlich einen Lehrvertrag bei der Weidener Firma Schuhorthopädie Rothballer. Seine Gesellenjahre verbringt Schedl danach bei "Stief Orthopädie und Schuhtechnik" in Sulzbach-Rosenberg, wo er nochmal "unglaublich viel" dazulernt.

"Mit dem Gesellenbrief ist nicht automatisch die letzte Stufe der Karriereleiter erreicht", heißt es in einer Pressemitteilung der Handwerkskammer (HWK) Niederbayern-Oberpfalz. Wer höher hinaus wolle, habe viele Möglichkeiten: Meister, Betriebswirt oder Studium etwa. Solche Gedanken macht sich auch Schedl: "Nach zwei, drei Gesellenjahren hab' ich gemerkt: ,Da muss mehr gehen, sonst wird's mir zu langweilig", blickt der 35-Jährige zurück. Und setzt es sofort in die Tat um: Im Jahr 2012 hält der damals 27-Jährige den Meisterbrief in der Hand.

Notwendiges Rüstzeug

"Nach einer erfolgreichen Ausbildung stehen viele Türen offen", wirbt die Handwerkskammer weiter. Aber die müssen erst einmal geöffnet werden, was nicht immer ganz so einfach ist. Das merkt auch Horst Schedl auf seinem Weg in die Selbstständigkeit. Bevor er sein eigener Chef wird, steht bei der Firma Stief erneut Dazulernen auf dem Programm, allerdings auf dem nächsthöheren Level. Der Chef des Sulzbach-Rosenberger Betriebs überträgt seinem jungen Meister mehr Verantwortung, und Schedl legt sich das notwendige Rüstzeug für den eigenen Betrieb zu - von der Mitarbeiterführung bis hin zum Betriebsmanagement.

Nach drei weiteren beruflichen Jahren in der Herzogstadt macht Schedl ernst: Er überlegt sich, ein Unternehmen in Neustadt/WN neu aufzubauen, schreibt für dieses Vorhaben einen Businessplan und geht damit zur Handwerkskammer. Doch es kommt ganz anders als geplant: HWK-Betriebsberater Peter Biersack befindet Schedls Pläne zwar für gut, lotet aber gleichzeitig dessen Interesse aus, ein Weidener Traditions-Unternehmen zu übernehmem: "Gößl Gesunde Schuhe". Das Fachgeschäft in der Bismarckstraße ist auf der Suche nach einem neuen Chef, da sich Inhaberin Hannelore Gößl zur Ruhe setzen will.

"Ging alles sehr, sehr schnell"

Dann geht alles plötzlich ziemlich schnell. Schedl hört sich um, spricht unter anderem mit Banken. Nach nur einem Tag im Betrieb nehmen sich beide Parteien zwei Wochen Bedenkzeit, danach bekommt der Neustädter von Hannelore Gößl ein "Ja" - und sagt ebenfalls zu. "Danach hab' ich gleich zu arbeiten begonnen - und das gegenseitige Vertrauen war schnell da", erinnert sich der 35-Jährige. Er erhält offene Einsicht in die Betriebsunterlagen, was seine Entscheidungsfindung beschleunigt und unterschreibt schließlich einen Kaufvertrag. "Das ging alles sehr, sehr schnell", kommentiert der Handwerksmeister seinen damaligen Schritt, nicht ohne selbstkritisch zu sein: "Sich den Betrieb länger anzusehen, wäre vielleicht besser gewesen." Doch unterm Strich ging alles gut, auch wenn nach der Übernahme nicht sofort alles so lief, wie sich das der "Neue" vorgestellt hatte.

Einige der Hürden, die allerdings nicht zu Stolpersteinen wurden: "Ich war als Geschäftsführer zwar der Jüngste im Team, was jedoch kein Problem darstellte. Aber wir hatten eine alte Mitarbeiterstruktur und ich habe an allen Ecken Dinge gesehen, die ich anders machen wollte." Dies bezieht Schedl gar nicht auf die technische Umsetzung der Aufträge, sondern vielmehr auf die organisatorischen Abläufe im Betrieb. Auf diesen Bereich legt der damals 30-Jährige anfangs sein Hauptaugenmerk. Und gibt mächtig Gas. "130-prozentiger Arbeitseinsatz", wie Schedl das selbst beschreibt.

Moderner aufgestellt

Dies bestätigt auch Orthopädie-Schuhmacherin Melanie Feiler, die seit über 20 Jahren in dem Betrieb arbeitet und derzeit für die Einlagenproduktion zuständig ist. Es sei überraschend gewesen, dass Horst Schedl den Betrieb übernommen hat, da das Ganze ohne große Vorankündigung über die Bühne gegangen sei, erinnert sich die 40-Jährige. Sein junges Alter habe weder damals noch heute ein Problem dargestellt, im Gegenteil. "Als junger Handwerksmeister hat er zum Beispiel einen viel besseren Zugang zu den jungen Mitarbeitern", erklärt Melanie Feiler. Der Betrieb sei seit der Übernahme moderner aufgestellt, man habe neben einem erweitertem Angebot auch für jüngere Kunden nun auch intern andere Strukturen und Arbeitsabläufe - kurzum: Ein frischer Wind habe durchs Unternehmen geweht.

Nach dem Kennenlernen am Anfang der Zusammenarbeit habe sich alles gut eingespielt. "Horst hatte seine eigenen Vorstellungen, bei uns ist vorher vieles anders gelaufen." Letztendlich habe man aber schnell einen Mittelweg gefunden, mit dem alle zufrieden sind. Bei diesem Annäherungsprozess seien "viel gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme" sowie ein stetiger Austausch erforderlich, betont die langjährige Gößl-Mitarbeiterin.

Nach der Re-Organisation der Firma kümmert sich der Meister um die Verkaufsschulung, gleich darauf rückt der Bereich Werkstatt in den Fokus. Danach muss er selbst seinen Fuß wieder ein wenig vom Gaspedal nehmen, weil ihm nach den ersten Jahren schnell klar wird: "Einen Betrieb zu führen, ist kein Sprint, sondern ein Ultra-Marathon. Da muss man sich seine Kraft gut einteilen." Eine weitere wichtige Erkenntnis als Chef einer Firma: "Delegieren und Arbeitsabläufe optimieren ist das Wichtigste." Und er nennt dazu auch ein Beispiel: "Früher hatten wir zwölf Schritte, bis eine Einlage in die Werkstatt kommt, heute vier."

Schwandorf14.07.2020

Stress und Druck abbauen

Kraft benötige man ebenso, auch mental und vor allem, was das Finanzielle betrifft. "Es ist kein Spaß, sich hoch zu verschulden", blickt Schedl nachdenklich auf den Kauf des Unternehmens. "Aber ich konnte trotzdem immer gut schlafen", sagt der Jung-Unternehmer und lächelt. Dabei half und hilft ihm vor allem das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. "Wenn man an das, was man kann, glaubt, dann ist's auch kein Problem. Aber du solltest halt schon was können, was andere nicht können."

Zwei weitere Faktoren helfen ihm, nach der Arbeit Stress und den persönlichen Druck als Chef eines Unternehmens mit all der Verantwortung abzubauen. "Du brauchst einen Menschen, mit dem du reden kannst und einen Ausgleich zum Beruf." Beides haut hin: Ehefrau Yvonne kann zuhören, Sport und im speziellen Laufen helfen ihm, "das angestaute Adrenalin rauszulassen", wie er selbst sagt.

"Wir sind jetzt besser für die Zukunft aufgestellt", sagt Orthopädie-Schuhmacherin Melanie Feiler fünf Jahre nach der Betriebsübernahme durch Horst Schedl. Bild: Gößl Gesunde Schuhe
"Wir sind jetzt besser für die Zukunft aufgestellt", sagt Orthopädie-Schuhmacherin Melanie Feiler fünf Jahre nach der Betriebsübernahme durch Horst Schedl.

Lob für "schlagkräftiges Team"

Hilfreich ist natürlich auch betrieblicher Erfolg. Den konnte Horst Schedl mit "Gößl Gesunde Schuhe" fortführen und ausbauen. Auch dank seines "schlagkräftigen Teams". Seine Mitarbeiter "können in der Gesamtheit alles" und besäßen "sehr hohes Fachwissen und einen sehr hohen Motivationsgrad", schwärmt der Chef.

Auch in der Personalführung entwickelte der Jungunternehmer seine eigene Herangehensweise und Philosophie. "Jeder Mitarbeiter braucht eine andere Ansprache, hat andere Bedürfnisse", weiß Schedl. Als Beispiel nennt er die Arbeitszeiten in seinem Unternehmen: Es gebe keine zwei Mitarbeiter, welche die gleichen hätten. Viel miteinander zu reden laute eine weitere, wenn nicht sogar die wichtigste Erfolgsformel.

Und das will man bei "Gößl Gesunde Schuhe" auch in Zukunft so praktizieren. Schedl will die kommenden Jahre sein Team überdies so aufstellen, dass es ohne seinen Chef auskommt. Grund: Der 35-Jährige will künftig vermehrt als technischer Ansprechpartner für die Kunden da sein. Außerdem schweben ihm zahlreiche neue Projekte vor, die er dann verwirklichen will - wie etwa Sandalen oder Barfußsohlen selbst zu konstruieren und zu bauen.

"Ich muss dazu viel Verantwortung und Entscheidungen abgeben", weiß der Jungunternehmer und schiebt ein Zitat hinterher, das diese Herangehensweise an die Selbstständigkeit auf den Punkt bringt: "Zuerst arbeitet man viel im Betrieb, dann am Betrieb."

Therapie-Einlagen sind eines von vielen Produkten, mit denen die Firma Gößl den Menschen das Gehen und Laufen erleichtern will. Bild: Gößl Gesunde Schuhe
Therapie-Einlagen sind eines von vielen Produkten, mit denen die Firma Gößl den Menschen das Gehen und Laufen erleichtern will.
Horst Schedl und sein Team kümmern sich intensiv und kompetent darum, dass es bei der Kundschaft wieder läuft. Bild: Gößl Gesunde Schuhe
Horst Schedl und sein Team kümmern sich intensiv und kompetent darum, dass es bei der Kundschaft wieder läuft.
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Aus Vorbehalten wird Anerkennung

Mit seinem Team befand sich Horst Schedl schnell auf einer Wellenlänge. Das Vertrauen der Kunden zu gewinnen war für den Jungunternehmer dagegen eine größere Herausforderung.

"Oh, das ist aber ein junger Meister, was will uns der denn erzählen", habe es nicht selten geheißen, erinnert er sich an seine Anfangszeit bei dem Weidener Unternehmen. Je jünger man sei, desto mehr müsse man den Leuten etwas erklären, lautet die Erkenntnis des heute 35-Jährigen.

Ein gutes Beispiel, wie aus Vorbehalten wegen seines Alters binnen kurzer Zeit Anerkennung wurde, hat Schedl schnell parat: "Bei einem Vortrag in Flossenbürg meinte eine ältere Dame: ,Was will uns denn der junge Hupfer zu unseren Hühneraugen sagen?'"

Schedl ließ sich davon nicht beirren, informierte die Zuhörer kompetent - und wurde am Ende nicht nur vom Applaus der Anwesenden belohnt. "Die Frau kam nach dem Vortrag zu mir und hat sich entschuldigt." (puh)

 
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