Weiden in der Oberpfalz
21.09.2018 - 12:25 Uhr

Rio-Raub: Freispruch gefordert

Das umfangreiche Antragsrecht für Strafverteidiger mag elementar für einen fairen Prozess ein. Nicht-Juristen ist es nur schwer vermittelbar. Etliche Zuhörer des Rio-Verfahrens verlassen kopfschüttelnd das Gericht.

Endspurt im Rio-Raub: Es stehen noch die Plädoyers von zwei Verteidigern und die "letzten Worte" der Angeklagten aus. Dann wird das Urteil der 1. großen Strafkammer erwartet. Bild: gsb
Endspurt im Rio-Raub: Es stehen noch die Plädoyers von zwei Verteidigern und die "letzten Worte" der Angeklagten aus. Dann wird das Urteil der 1. großen Strafkammer erwartet.

Weiden. (ca) Die Strafkammer mit Vorsitzendem Markus Fillinger steigt überraschend noch einmal in die Beweisaufnahme ein: In Prag konnte am Montag der Ukrainer Milan J. festgenommen werden. Mit ihm will sich der Hauptangeklagte Viktor C. am Tatabend getroffen haben. Und wieder platzt ein Alibi: Weidener Kriminalbeamte haben Milan J. in Prag vernommen. Er sagt, diese Treffen habe es nicht gegeben. Alles geklärt? Nicht für Verteidiger Jörg Sodan. Er will von der Kripo eine Begründung, warum die Vernehmung mittags um 50 Minuten unterbrochen wurde.

Anwälte: ein Bauernopfer

Kaum ist dieser Beweisantrag abgelehnt, bringt Sodan das nächste Anliegen vor: Wenn es Fotos einer Prager Tunnelkamera von der Hinfahrt nach Grafenwöhr gibt, müsse es auch welche von der Heimfahrt geben. Ja, die gibt es, weiß Richter Markus Fillinger und diese lagen im Sommer schon einmal auf dem Richtertisch. Der Renault Megane ist um 1.46 und 1.49 Uhr bei der Einfahrt in Prager Tunnels fotografiert worden. Die gesamte Verteidigerschar plus Viktor C. sieht sich die Lichtbilder noch einmal an. Fazit: Die Bilder sind zu dunkel, um Insassen zu erkennen.

Der 41-jährige Ukrainer beteuert emotional noch einmal seine Unschuld: Er habe das Auto nur an die Täter verliehen, sei in Prag ausgestiegen. "Ich kann nicht stellvertretend für ein Verbrechen verurteilt werden, das andere begangen haben."

Auf Freispruch plädieren seine Verteidiger. Sodan beschreibt Viktor C. als Kumpel, der von den drei wahren Tätern als Sündenbock missbraucht wurde. Sie nutzten seine Kontakte und Infrastruktur (Mietwagen, Wohnung), wohl wissend, dass die Spur zu Viktor C. führen würde. Auch die Opfer sahen drei Täter. Und nur, weil man dieses Trio nicht heranschaffen kann (zwei flüchtige "Transnistrier", ein in Österreich inhaftierter Ukrainer), habe sich die Staatsanwaltschaft auf die Theorie vom vierten Mann am Tatort versteift: "Man will ihn hängen sehen, man will ihn zehneinhalb Jahre hängen sehen." "Diese erschütternde Tat war nicht seine Tat." Anwalt Markus Huesmann appelliert, dem Wunsch der Öffentlichkeit auf Vergeltung des Rio-Raubs nicht bei Viktor C. nachzugeben. Demnächst werde der geständige Ukrainer aus Österreich überstellt: "Dann werden die Geschädigten Genugtuung erfahren."

Verteidiger Helmut Mörtl will für einen Beihelfer, den Schrotthändler aus dem Landkreis, eine Bewährungsstrafe von acht bis neun Monaten (Staatsanwalt: drei Jahre). Der 45-Jährige habe den Unrechtsgehalt der geplanten Tat nicht erahnt: "Er rechnete mit einem Einbruchsdiebstahl." Als er hinterher vom brutalen Raub erfuhr, bekam er es mit der Angst zu tun und deponierte Eisenstangen auf seinem Hof. "Er war sichtlich geschockt von der Tat", sagt Anwalt Dr. Christian Meisl. "Er bedauert unendlich, dass ein älteres Ehepaar zu Schaden gekommen."

Auf Freispruch plädieren die Verteidiger Franz Schlama und Gunther Haberl für den zweiten Tippgeber (Staatsanwalt: 5,5 Jahre). Dieser Mann soll bei der Besichtigung des Tatorts zwei Tage vor dem Überfall dabei gewesen sein. Schlama ist sich sicher, dass die Infos zum Einbruch schon viel früher in die Ukraine geflossen waren. Möglicherweise sei der Mann der Tippgeber gewesen, der Suizid begangen hat. Hochkriminelle Profis würden nicht tausend Kilometer auf vagen Verdacht hin zu einem Schrottplatz fahren, sagt Kollege Dr. Gunther Haberl. "Dann könnten sie in Transnistrien bleiben - das ganze Land ist ein Schrottplatz."

Urteil im Oktober

Zum Ausbaldowern war das Treffen nach Ansicht von Schlama auch zu kurz: Zwischen der Einreise in Bärnau und dem Verlassen Grafenwöhrs liegen laut Funkzellenauswertung 1 Stunde 21 Minuten. "Arg, arg knapp." Haberl beantragt zuletzt ein psychiatrisches Gutachten zur Trunksucht des 58-Jährigen. Zielsetzung: Entziehungsanstalt statt Gefängnis.

Für den Ukrainer (24), der in Prag das Auto gemietet hatte, möchten die Verteidiger Prof. Dr. Jan Bockemühl und Christian Reiser Freispruch - wie die Staatsanwaltschaft - und eine Entschädigung für die erlittene U-Haft. Um 19.15 Uhr ist die Sitzung beendet. Die Anwälte Marc Steinsdörfer und Dominic Kriegel plädieren damit erst am 5. Oktober, 9 Uhr. Sie vertreten den Tschechen (62), der die Ukrainer in den Landkreis Neustadt/WN begleitete. An diesem Tag soll das Urteil verkündet werden.

 
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