Weiden in der Oberpfalz
15.03.2019 - 16:32 Uhr

Rostlaube oder Schnäppchen? Abenteuer bei der Gebrauchtwagensuche

Wenn ein neues Auto her muss, im Geldspeicher aber Ebbe herrscht, stehen Gebrauchtwagen-Besichtigungen auf dem Programm. Dafür gibt es Grundregeln. Denn aus dem vermeintlichen Schnäppchen soll kein Groschengrab werden.

Die Suche nach einem technisch soliden Schnäppchen kann schwierig sein. Bild: Armin Weigel/dpa
Die Suche nach einem technisch soliden Schnäppchen kann schwierig sein.

Da steht er, der alte Volvo 240. Im Internet sah er makellos aus. Doch der Schein kann trügen. Und der Verkäufer ruft eine stattliche Summe auf. Daher will ich den Wagen genau unter die Lupe nehmen.

Bei gebrauchten Autos gilt: Finger weg von Bastelbuden. Ein Auto, an dem Führerscheinneulinge ihre Tuning-Leidenschaft ausgelebt haben, ist wie ein Spiel in der Lotterie: Gewinnchance eins zu einer Million. Diesbezüglich steht der Volvo gut da. Kein Sportauspuff, keine Bassbox, kein aufgeklebter Heckspoiler. Das liegt auch an Marke und Modell. Schließlich bestand das ursprüngliche Käufer-Klientel dieses Modells aus Oberstudienräten und „Atomkraft? Nein danke“-Familienpapas.

170.000 Kilometer soll der Volvo 240 auf der Uhr haben. Das wäre kein Problem. Dass es kein Scheckheft, keine Werkstattrechnungen oder sonstige Nachweise für diese Zahl gibt, macht mich jedoch stutzig. Ich tauche in den Fahrerfußraum ab, die Taschenlampe im Anschlag: Die Gummis auf den Pedalen sind komplett runter. Das dürfte bei 170.000 Kilometern nicht der Fall sein. Ich werde skeptisch und suche im Motorraum nach Aufklebern von Werkstätten. Auf dem vom Ölwechsel vor drei Jahren steht: 360.000 Kilometer.

Kilometerstände lassen sich vergleichsweise leicht fälschen. Bild: ADAC/dpa
Kilometerstände lassen sich vergleichsweise leicht fälschen.

Unfallfrei soll der Wagen sein. Allerdings ist bei den Schrauben, mit denen der linke Kotflügel befestigt ist, der Lack ab. Diese Schrauben werden im Werk mitlackiert. Ist der Lack runter, hat jemand den Kotflügel demontiert – wegen eines Unfalls. „Ja gut, der hat da links vorne einen Parkschaden gehabt“, versucht mich der Verkäufer zu beruhigen. Doch niemand wechselt wegen einem Parkrempler den Kotflügel. Außerdem sind alle Zierleisten links mit Lacknebel besudelt. Eine Seite des Autos ist also komplett nachlackiert worden – und zwar stümperhaft. Der Parkschaden war wohl doch eher ein Tête-à-Tête mit einer Leitplanke und die Reparatur musste billig sein. Ein Unfall ist kein Ausschlusskriterium für ein Auto. Eine amateurhafte Reparatur ist es.

Der nächste Blick gehört den Reifen. Montiert sind Pneus chinesischer Herkunft, deren Namen ich nicht aussprechen kann. Der Gummi ist ausgehärtet. Kein Wunder, denn laut DOT-Nummer – diese Nummer steht auf jedem Reifen – sind die Teile mehr als zehn Jahre alt. „Aber das Profil ist gut“, betont der Verkäufer. Stimmt. Und nachdem die Gummis steinhart sind, werden diese Reifen auch kein Profil mehr verlieren. Dafür ist Haftung nicht ihre Stärke.

Amberg14.03.2019

Meine anfängliche Begeisterung ist Enttäuschung gewichen. Aber wenn ich schon hier bin, mache ich auch eine Probefahrt. Bei der ersten Bodenwelle kommt ein „Klonk“ von rechts vorne. Traggelenk oder Domlager? Bei bestimmten Drehzahlen ertönt ein Pfeifen. Das Kardanwellen-Lager? Bei einer Probefahrt sind die Ohren oft wichtiger als die Augen.

Schließlich stehen der Verkäufer und ich vor dem Auto. Ich erzähle ihm, dass die Kilometer nicht stimmen können. Er grinst schief. Ich erwähne, dass die linke Seite komplett nachlackiert ist. Er wird grummelig. Ich spreche ihn auf die unbrauchbaren Reifen an. Er grunzt mir entgegen: „Es war vorhin schon ein Interessent da. Der wollte den Wagen unbedingt haben. Er ist nur gerade auf dem Weg zur Bank, um das Geld zu holen.“ Jetzt muss ich mich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. „Da war gerade einer da, der holt nur Geld“ ist eine der ältesten Maschen im Gebrauchtwagengeschäft. Ich lächle, sage „Gut, dann soll der den Wagen haben“, drehe mich um und gehe. „Also wir können vielleicht doch noch was am Preis machen“, ruft er mir hinterher.

Natürlich ist bei der Gebrauchtwagensuche alles eine Frage des Preises. Wenn beim Kauf genügend Budget für Reparaturen übrigbleibt, ist das in Ordnung. Doch wenn beim Kilometerstand und bei Unfall-Reparaturen dermaßen getrickst wird, will ich gar nicht wissen, was an dem Auto sonst noch faul ist. Das Risiko, hier sehr viel mehr Geld als geplant für Reparaturen ausgeben zu müssen, ist mir zu groß.

Zwei Wochen später finde ich dann den Volvo 240, den ich kaufe. An dem ist auch nicht alles perfekt. Das ist bei einem so alten Wagen auch kaum möglich. Aber es ist ein ehrliches Auto und ich wusste von Anfang an, worauf ich mich einlasse. Darum geht es beim Gebrauchtwagenkauf: Ein ehrliches Auto finden, dass seine Schrammen und Narben offen zur Schau trägt und kein Blender ist.

Info:

Zwölf Tipps für die Suche nach dem neuen alten Auto

1. Finger weg von Bastelbuden.

2. Der Kilometerstand ist egal. Es zählt der Wartungszustand.

3. Auf die Qualität der Ersatzteile achten.

4. Auf die Historie achten. Gibt es Unterlagen über Reparaturen und Ersatzteile oder im Idealfall ein Scheckheft?

5. Den Kilometerstand auf Plausibilität prüfen.

6. Hatte der Wagen einen Unfall? Falls ja: Ist der Schaden ordentlich repariert?

7. Auf die Reifenmarke achten. Steht der Wagen auf Billig-Reifen?

8. Auf Zustand und Alter der Reifen achten.

9. Jeden Schalter ausprobieren.

10. Bei der Probefahrt genau hinhören.

11. Nicht verlieben bevor man hinfährt. Man muss jedes Auto in Ruhe anschauen und rational bewerten.

12. Nicht auf Verkäufer-Tricks wie „ein anderer Interessent war schon da“ hereinfallen.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.