Diese Nichtwahl - zumal ohne Gegenkandidaten - ist ein Novum bei der CSU. Fraktionschef Markus Bäumler, der ebenso wie Alois Lukas bei der Kreishauptversammlung nicht mehr als stellvertretender Kreisvorsitzender kandidiert, zeigt sich sprachlos. Wolfgang Pausch korrigiert sein "Sch ..." in ein "Nicht gut": "Ich fühle mich betroffen."
"Einigermaßen erschüttert" ist Landtagsabgeordneter Stephan Oetzinger: "Was ich hier in den Wahlen erlebe, ist erschreckend. Das muss ein Aufruf sein, muss die CSU wachrütteln. Nur wenn wir geschlossen stehen, können wir Wahlen gewinnen. Was wir hier momentan erleben, ist aber Selbstzerstörung, Zersplitterung, Zerfaserung. Gute Leute werden demontiert."
Appell ohne Wirkung
Walter Leupold "versteht die Welt nicht mehr": "Mit meinem Appell wollte ich etwas anderes bewirken", erklärt der CSU-Ehrenvorsitzende, der am Donnerstagabend die Wahl leitet und nach den bereits nur durchschnittlichen Ergebnissen der anderen stellvertretenden Kreisvorsitzenden Dagmar Nachtigall (32 Ja von 58 Wahlberechtigen), Wolfgang Pausch (36) und Hans-Jürgen Gmeiner (neu, 37 Ja von 57) zu mehr Geschlossenheit aufgerufen hatte.
"Wir müssen Ruhe reinbringen", erklärt JU-Kreisvorsitzende und Europa-Kandidatin Maria Sponsel. Wahlleiter Walter Leupold verordnet allen nach der Schockwahl erst mal eine "Raucherpause". Allerdings bleibt damit das weitere Vorgehen zunächst ungeklärt: Reicht ein Stellvertreter-Trio? Und, falls sofort gewählt werden soll, wer schlägt den Ersatz für Sperrer vor? Roland Steger prescht vor. Als Vorsitzender des CSU-Ortsverbandes Lerchenfeld habe er einen Kandidaten. Doch Leupold bremst, was Steger in Rage bringt. Die Kreisvertreterversammlung sei das höchste demokratisch gewählte Gremium der Weidener CSU. Er finde es äußerst undemokratisch, wenn mit einem Vorschlag aus dem Kreisvorstand "wieder Klüngelpolitik" gemacht werden solle.
Knappe Entscheidung
Leupold lässt abstimmen - und muss dreimal nachzählen: 25 der 57 Stimmberechtigten wollen sofort den vierten Stellvertretenden Kreisvorsitzenden wählen. Steger fordert die Gegenprobe, die Leupold verweigert: "Ich bin im Stande, so weit zu zählen." Damit bleibt der Posten vorerst unbesetzt. Der Ehrenvorsitzende belehrt Steger und weist den Vorwurf der Klüngelpolitik zurück. Es sei demokratisch und sinnvoll, wenn der Kreisvorstand wohlüberlegte und abgewogene Vorschläge einbringe.
Kreisvorsitzender Stephan Gollwitzer wird mit 47 Stimmen (9 Nein, 2 Enthaltungen) in seine vierte Amtsperiode gewählt. Er erreicht damit eines der besten Ergebnisse des Abends. Seinen umfangreichen "Rechenschaftsbericht" wertet Bürgermeister Lothar Höher als die bislang beste freie Rede. Gollwitzer hatte darin immer wieder die Geschlossenheit der Weidener CSU gelobt - und für die Zukunft eingefordert.
Denkzettel erst mal verdauen
Am Tag nach ihrer Wahlniederlage nimmt Stefanie Sperrer auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien Stellung. „Ich hab’s gestern abgekriegt, hab’ so meine Vermutungen und mach’ mir meine Gedanken. Da ist offenbar gegen mich mobilisiert worden, um mir eine Breitseite zu verpassen. Vielleicht auch, weil ich einigen auf den Fuß getreten bin. Aber das muss man, wenn man die Stadt und die Partei voranbringen will“, erklärt Stefanie Sperrer am Tag nach ihrer Wahlniederlage. „Es hat mich hart getroffen. Aber öffentliche Kriege sind nicht mein Ding. Ich hab’ einen breiten Rücken, eine starke Familie und hab’ auch sehr viel Zuspruch erfahren. Diese Niederlage wirft mich nicht um. Schlimmer sind sicher die Schäden für die Weidener CSU.“
Denkzettel
CSU-Kreischef Stephan Gollwitzer versichert zu Sitzungsbeginn: „Es läuft so, dass es passt.“ Damit meint er die noch ausstehende Kür des OB- und der Stadtratskandidaten. Wie schwierig dies werden könnte, erfährt er in der Kreishauptversammlung: Stefanie Sperrer, vom Vorstand als seine vierte Stellvertreterin vorgeschlagen, wählen nur 22 der 57 Stimmberechtigen. Dies gilt es auch zu relativieren: Die Vize-Chefs der Weidener CSU fahren traditionell dürre Ergebnisse ein. Neu ist, dass ein Kandidat die Wahl verliert.
Dies wirft Schlaglichter auf den Zustand der Partei: Grüppchenbildung. In geheimer Wahl werden Rechnungen beglichen und Denkzettel verteilt. Lothar Höher nennt dies laut „bodenlos“ und „beschämend“. „Wollt ihr so Wahlen gewinnen?“ Leiser Beifall im Saal.
An der Geschlossenheit, in der CSU viel gerühmt, ist noch zu arbeiten. „Wir sind nicht perfekt“, räumt Gollwitzer ein. Drei Stunden später gesteht er: „Ich hab’ kurz überlegt, den Schlüssel abzugeben.“ So weit entfernt von perfekt wie am Donnerstagabend war die CSU schon lange nicht mehr.
Josef Johann Wieder