Strom und Heizung zu teuer: Anspruch auf finanzielle Hilfen prüfen

Weiden in der Oberpfalz
19.01.2023 - 17:31 Uhr
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Die Zahl der Menschen in Weiden, die Heizung und Strom nicht mehr selbst bezahlen können, steigt. Längst betrifft das auch die Mittelschicht. Doch es gibt finanzielle Hilfe – wenn man weiß, wie man sie findet und ob man Anspruch darauf hat.

Wer seine Energiekosten nicht selbst bezahlen kann, sollte prüfen, ob er Anspruch auf finanzielle Unterstützung hat. Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände können dabei helfen.

Eine Familie muss 400 statt wie bisher 210 Euro Abschlag zahlen. Eine Alleinerziehende mit drei Kindern soll 470 Euro für Strom nachzahlen und bekommt eine Sperrandrohung. Ein langfristig kranker Mann sitzt auf 800 Euro Altschulden für Strom und kann schon seit März Licht und Heizung nicht mehr einschalten. Bewohner von unsanierten Altbauten werden aufgefordert, nach einer energieeffizienten Wohnung zu suchen. Keine fiktiven Beispiele, sondern bittere Realität in Weiden, wie Elisabeth Hirn von der Allgemeinen Sozialberatung der Caritas und Dagmar Deutschländer von der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit der Diakonie gegenüber Oberpfalz-Medien berichten.

Die Beraterinnen gehören zu den Anlaufstellen für Menschen, die die hohen Energiekosten nicht stemmen können. Das sind Bezieher von Grundsicherung, Familien und Alleinerziehende mit geringem Einkommen oder Klienten mit Erwerbsminderungsrente. Längst trifft es aber auch Menschen aus der Mittelschicht, die zum Beispiel wegen Long-Covid Krankengeld beziehen. „Zum Glück haben wir einen milden Winter“, sagt Hirn. Die Angst, es finanziell nicht mehr zu schaffen, sei dennoch nicht selten berechtigt. „Viele drohen abzurutschen, und realistisch gesehen wird das auch so sein.“

Die Scheu, sich finanzielle Hilfe zu holen, sei jedoch groß. „Wir müssen damit umgehen lernen, dass es manche Menschen wider besseren Versuchens nicht schaffen, sich selbst zu finanzieren. Wir sind ein Sozialstaat und können stolz darauf sein“, findet Dagmar Deutschländer. „Das Wichtigste ist, dass die Leute Anträge stellen.“

Bessere Chancen für Wohngeld

Die Energieversorger verschicken derzeit ihre Rechnungen, allein 15.000 Gas- und Stromkunden sind es bei den Weidener Stadtwerken. Seit Jahresbeginn haben gleichzeitig viel mehr Menschen als zuvor einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung vom Staat. So können zum Beispiel mit der seit Januar geltenden Wohngeld-Reform rund 1,4 Millionen zusätzliche Haushalte Wohngeld beziehen. Das Wohngeld ist ein pauschaler Zuschuss für Mieter und als sogenannter Lastenzuschuss auch für Menschen, die in ihrem Wohneigentum leben, und deren Einkommen und Vermögen nicht reicht, um Miete und Lebensunterhalt zu decken. Es fällt im Schnitt höher aus als zuvor und beinhaltet nun auch Heizkosten. Auch wenn die Wartezeiten lang sind, rät Hirn zu einem Antrag – selbst, wenn er zuvor schon einmal abgelehnt wurde. "Die Aussicht, Wohngeld zu bekommen, ist jetzt sehr gut."

Wer vom Jobcenter oder dem Amt für wirtschaftliche Hilfen (Sozialamt) Leistungen der Grundsicherung (Sozialhilfe, Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter, Erwerbsminderung, Bürgergeld) bezieht, bekommt angemessene Heizkosten bezahlt. Das gilt für höhere Abschlagszahlungen, Nachzahlungen und die einmalige Beschaffung von Brennstoffen wie Öl, wenn die Kosten wegen der Energiekrise gestiegen sind. Auch bei Erwerbstätigen, Auszubildenden, Studierenden und Schülern mit ergänzendem Anspruch auf Grundsicherung nach dem SGB II müsste das Jobcenter angemessene, erhöhte oder nachgeforderte Heizkosten übernehmen. Rentner, Bezieher von Krankengeld oder Arbeitslosengeld I, die bisher keine aufstockenden Leistungen erhalten, könnten unter Umständen bei gestiegenen Heizkosten aufstocken. Die Anträge sind beim Jobcenter beziehungsweise beim Amt für wirtschaftliche Hilfen zu stellen.

Bei stark gestiegenen Stromkosten können Empfänger von Leistungen nach dem SGB II einen Antrag auf Kostenübernahme als Härtefall versuchen. Das Jobcenter gewährt unter Umständen ein Darlehen. Wer geringe Einkünfte hat, aber keine Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezieht, bei dem kann durch erhöhte Energiekosten Hilfebedürftigkeit und somit ein Härtefall mit Berechtigung zum Leistungsbezug ausgelöst werden.

"Sehr sehr ratsam" ist laut Hirn auch ein Antrag auf Kinderzuschlag für erwerbstätige Eltern und Alleinerziehende im niedrigen Einkommensbereich. Denn auch hier wurde der Zugang erleichtert und der Zuschlag erhöht. Der Antrag wird bei der Familienkasse gestellt. Berücksichtigt werden die zu Beginn des sechsmonatigen Bewilligungszeitraums tatsächlichen Vorauszahlungen für Heizkosten. Wegen erhöhter Abschlags- und Nachzahlungen kann hier auch ein Anspruch auf ergänzende Grundsicherungsleistungen bestehen.

Realistischer Blick auf Einzelfälle

Manche dieser und weiterer Anträge können online gestellt werden. Immer gilt es aber, bestimmte Fristen einzuhalten und möglichst frühzeitig – also zum Beispiel nicht erst bei Androhung einer Stromsperre, sondern schon bei einer hohen Nachforderung oder Mahnung – nach Hilfe zu suchen.

Wer sich unsicher ist, auf welche Art von Unterstützung er Anspruch haben könnte, kann sich von den Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände, zu denen auch Caritas und Diakonie gehören, kostenlos und vertraulich beraten lassen. „Wir können einen realistischen Blick auf den Fall werfen“, sagt Elisabeth Hirn. „Niemand muss das alleine durchkämpfen.“

Wenn alle staatlichen Hilfen nicht greifen, unterstützt das Bistum Regensburg Menschen in Not aus den Mehreinnahmen aus der Energiepauschale. Die Mittel werden über die Caritas ausgeschüttet. Der Antrag kann bei der Allgemeinen Sozialberatung, der Schwangerschaftsberatung oder Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas gestellt werden (siehe Kasten). Ausgezahlt werden einmal pro Haushalt maximal 300 Euro für eine Person und 200 Euro für jede weitere im Haushalt lebende Person. „Wir müssen natürlich wissen, was wirklich los ist und brauchen dafür Belege“, sagt Elisabeth Hirn. „Wir verschenken nichts, nur weil jemand hier sitzt und weint.“ Die Anträge auf die Energiehilfe des Bistums würden aber „kulant bearbeitet“.

Service:

Kontakt zu Beratungsstellen

  • Caritas: Allgemeine Sozialberatung, 0961/39890-130 (Elisabeth Hirn); Schwangerschaftsberatung, 0961/40182-280; Flüchtlings- und Integrationsberatung, 0961/39890-125 (Shakhob Akramov) oder 0961/39890-120 (Christoph Hößl)
  • Diakonie: Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit, 0961/3893116 (Dagmar Deutschländer) oder 0961/38931-14 (Martina Pain-Liebl)
  • Weitere Anlaufstellen können sein: Rotes Kreuz, ARV, Familienhelfer
 
 

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