Todesursache Datenmangel

Weiden in der Oberpfalz
17.01.2019 - 10:17 Uhr

Täglich fallen alleine in Deutschland Hunderttausende medizinische Einzeldaten an. Sie besser zu nutzen ist Thema des neuesten Kaminabends Medizintechnik.

Unter Moderation von OTH-Profesor Steffen Hamm (rechts) diskutierten (von links) BioVaranceGmbH-GeschäftsführerJosef Schreiber, Telepaxx-Geschäftsführer Andreas Dobler, Software-Experte Jörg Schiemann, Professor Anton Scharl von den Kliniken Nordoberpfalz, OTH-Dekan Clemens Bulitta und der Ärztliche Direktor Thomas Egginger von den Kliniken Nordoberpfalz

Ein einziges Thema beherrschte den 11. Kaminabend Medizintechnik an der OTH in Weiden. Experten und Teilnehmer an einer Podiumsdiskussion befassten sich mit der Frage „Wie können die vielen anfallenden Patientendaten zukünftig für die Behandlung besser genutzt werden?“. Die Ausgangssituation skizzierte Josef Schreiber, Geschäftsführer der BioVariance GmbH sehr deutlich als er vorrechnete: „25.000 bis 58.000 Menschen sterben jährlich an Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten.“ Zusätzlich würden 30.000 würden durch falsche Medikamente sterben. Mit der Einrichtung eines intelligenten Managements von Pateientendaten könnten viele dieser Todesfälle verhindert werden, erläuterte der Experte.

Dass einer optimalen Nutzung der vorliegenden Daten aber noch viele Hürden im Wege stehen, erklärte Andreas Dobler, Geschäftsführer der Telepaxx Medical Archiving GmbH. Der Unternehmer, der sich mit der Speicherung von medizinischen Informationen befasst, sieht im deutschen Gesundheitswesen „keine einheitliche Patientenidentifikation und Datenformate sowie keine gemeinsamen Planungsinstrumente und fehlende intersektorale Vergütungsformen“. Die überall bestehenden Insellösungen seien „viel zu kurz gedacht“. Die vom Gesetzgeber geplante Lösung mit zentral geführten Datenbeständen, auf die alle Berechtigten zugreifen können, sei gescheitert.

Notwendig sei es, den Patienten selbst in den Datenaustausch einzubeziehen, Standardformate für den Tausch zu entwickeln und sichere Speicherung in einer Cloud-Lösung aufzubauen. Dass die intensivere Nutzung der vorliegenden medizinischen Patientendaten in Anbetracht moderner Therapien zwingend erforderlich sei, machte der Referent auch deutlich. Medizin könne sich immer mehr auf den einzelnen Patienten zugeschnitten werden. Dazu müsste aber auf individualisierte Daten zugegriffen werden. Zum Beispiel gebe es neue Krebsmedikamente, die sich an molekularen oder genetischen Faktoren des Patienten orientieren und nicht an der Lage des Krebsgeschwürs im Körper. Noch würden viel zu viele Einheitstherapien gewählt, die etwa einem Drittel der behandelten Patienten helfen, beim zweiten Drittel keine Wirkung entfachen und dem letzten Drittel schaden.

Kritik an der fehlenden Vernetzung der verschiedensten Sektoren des Gesundheitswesens äußerte auch Software-Experte Jörg Schiemann. Beginnen müsse die Vernetzung sogar erst einmal innerhalb des einzelnen Sektors. Er schilderte dabei seine eigenen Erfahrungen als Nierentransplantationspatient. Viermal mussten seine Daten im Verlauf einer einzigen Krankenhausbehandlungsphase erfasst werden. „Probleme bestehen weniger in der IT, sondern in organisatorischen und politischen Faktoren der Beteiligten“, stellte Schiemann fest. Vertieft wurde die Thematik in der sich anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von OTH-Professor Steffen Hamm. Zusätzlich den Hauptreferenten beteiligten sich Chefarzt Anton Scharl und der ärztliche Direktor Thomas Egginger als Vertreter der Kliniken Nordoberpfalz sowie OTH-Dekan Clemens Bulitta. Weitgehend einig waren sich die Diskussionspartner dass die verstärkte Nutzung der vorhandenen Patientendaten viele Vorteile bringen würde. So könne unter anderem verhindert werden, dass „1000 Frauen in der Mammographie bestrahlt werden um 30 Risikofälle zu finden“, stellte dazu Dobler fest. „Der Fehlerfaktor Mensch wird vermindert“, fasste Dekan Bulitta die Vorteile der Datennutzung zusammen. Für Professor Scharl müsse auch in der Politik das Bewusstsein verstärkt werden „dass Daten von einem Doktor zum anderen gebracht werden müssen“. Egginger lobt die Möglichkeit, „Mustererkennungsdaten in der Radiologie“ zu gewinnen und den Vorteil, für den operierenden Arzt zusätzliche Informationen in einer Entscheidungssituation zu erhalten.

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