Mesner und Türmer Christian Stahl von St. Michael weiß gar nicht mehr, wie viele Hunderte Besucher er bereits über die engen Stiegen ins Türmerstübchen geführt hat, zuletzt beim „Kunstgenuss bis Mitternacht“. „Das hier ist jedenfalls ein sehr aktiver Turm“, lacht er, und ergänzt: „Unten ist er kirchlich, oben städtisch.“ Soll heißen: Hoch droben in der Türmerstube herrschte Stadtrecht. Mit dem letzten Türmer Johann Drechsler wurde es 1914 an die evangelische Kirchengemeinde St. Michael abgegeben.
Vor Feuer wird heute nicht mehr Signal vom 1763 wieder erbauten Kirchturm geblasen. Stahl lässt die Fanfare eher zu Festen oder an Silvester ertönen. Er wohnt auch nicht auf dem Turm, wie früher üblich. Aber er lebt mit ihm und kennt ihn in- und auswendig.
Wer schwindelfrei und gut zu Fuß ist, bewältigt die 140 Holzstufen ohne Mühe. Und entdeckt auf dem Weg nach oben die „Schatzkammer“, alte Zeitmaschinen, die dicke „Ratsherrenglocke“ mit Hamburger Vergangenheit, geheimnisvolle Seilzüge und Wohnkultur vergangener Zeit. Neugierig? Dann steigen Sie mit uns auf den Kirchturm.
Redakteurin Sonja Kaute nimmt Sie mit auf den Turm von St. Michael in Weiden
Schnee im August
Türmer Christian Stahl hat so manche Anekdote rund um den Kirchturm St. Michael parat. Besonders gern erzählt er bei seinen Führungen die Geschichte vom "plötzlichen Schneefall" mitten im Sommer: Es geschah in einem August im 19. Jahrhundert, als der Türmer bei einem Fest kräftig mitfeierte und zu tief ins Glas schaute. Es wurde Anzeige gegen ihn erstattet, worauf er entlassen wurde. Wutentbrannt stieg der Mann auf seinen Kirchturm, zerriss sein Federbett und ließ die Federn vom Turm über den ganzen Marktplatz rieseln. Es "schneite" - mitten im August.
Übrigens: Ein Türmer hatte oft eine mehrköpfige Familie zu versorgen. Gemeinsam bewohnten sie die Türmerwohnung. Verlor der Türmer seine Arbeit, war die ganze Familie obdachlos. Sie musste ausziehen. (shl)



















Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.