Umgang mit Corona-Tod: Trauergruppen wollen Angehörigen helfen

Weiden in der Oberpfalz
15.06.2021 - 11:03 Uhr

Der Tod in der Coronazeit verlief fast immer isoliert und einsam. Die Wunden in den Seelen der Angehörigen sind häufig noch längst nicht verheilt. Helfen sollen jetzt neue Trauergruppen in Weiden und im Landkreis Neustadt.

Hospizbegleiterin Hildegard Haupt (Mitte) will den Angehörigen von Verstorbenen in der Coronazeit helfen.

„‚Mama kommt nicht mehr‘, musste ein 40-jähriger Vater seinem 6-jährigen Sohn vor einigen Wochen erklären. Dabei war die Mutter nur wegen einer harmlosen Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Doch Corona hatte zugeschlagen“, berichtet Hospizbegleiterin Hildegard Haupt aus ihrer Tätigkeit in der telefonischen Beratung von Angehörigen von Covid-19-Opfern. "Absolut einsam ist die Mutter des Sechsjährigen verstorben und der Mann ist völlig überfordert gewesen, mit dem Geschehenen umzugehen."

Einsames Sterben gab es nicht nur bei den meisten der über 470 Menschen, die seit Beginn der Pandemie in der nördlichen Oberpfalz an oder mit Corona verstorben sind. Auch in vielen Fällen anderer todbringender Krankheiten fehlte wegen corona-bedingter Einschränkungen die Sterbebegleitung durch Angehörige. Und Ärzteschaft und Pflegepersonal hätten wegen Überlastung wenig Zeit gehabt, sich den Sterbenden vertieft zuzuwenden, berichtet Haupt ebenfalls.

Angehörige leiden noch immer

Weil es noch sehr viele Angehörige gibt, die noch immer unter diesen Erlebnissen leiden, will die Hospizberaterin mit Unterstützung der Selbsthilfekontaktstelle des Diakonischen Werkes in Weiden eine oder mehrere Trauergruppen für Angehörige einrichten. „Hinter der Zahl der Verstorbenen steht eine noch viel größere Zahl von Angehörigen“, stellt Ramona Kriegler, Leiterin der Selbsthilfekontaktstelle, fest. Für Kriegler und Haupt leiden Angehörige von Menschen, die in der Coronazeit einsam verstorben sind, unter ganz besonderen Belastungen.

Schuldgefühle in Familie

Bei vielen seien Schuldgefühle entstanden, dass sie sich nicht um die Sterbenden kümmern durften oder manchmal sogar, dass sie selbst die Großmutter oder den Großvater angesteckt hätten. Auch viele andere Umstände der Sterbesituation seien noch nicht verarbeitet. So gab es wenig Gottesdienste für die Verstorbenen und wenn, dann nur für sehr wenig Teilnehmer. „Ein offener Sarg war praktisch nicht möglich“, berichtet Haupt. Auch ihr sonstiger Einsatz als Hospizbegleiterin des Malteser Hilfsdienstes war nicht möglich. Beerdigungen fanden nur in allerkleinstem Kreis ohne Beileidsbezeugung durch Freunde und Bekannte statt. Das Leid der Betroffenen konnte nicht ausgesprochen werden, Trauer müsse aber aufgearbeitet werden, stellt Haupt fest: „Es macht krank, wenn dies alles nicht verarbeitet werden kann.“

Betroffene Angehörige hätten sich deshalb auch oft nur noch in die Einsamkeit zurückgezogen und soziale Kontakte vermieden. Und dass auch sogenannte Querdenker oder Corona-Leugner die Geschehnisse öffentlich auch noch in Frage stellen, sei zusätzlich belastend.

Trauerphasen erarbeiten

Hilfestellung sollen Angehörige in geplanten Trauergruppen von maximal fünf Teilnehmern finden. Für Betroffene im westlichen Landkreis sollen diese in Grafenwöhr in Räumen der Katholischen Pfarrei stattfinden. Auch in Weiden könnten solche Gruppen gebildet werden. Vorgesehen sind zunächst zehn Zusammenkünfte pro Gruppe. Den Schluss bildet ein gemeinsamer Spaziergang, bei dem laut Haupt Schuldsteine abgelegt werden können. Die Hospizbegleiterin nennt die Treffen auch Trauerseminare, bei denen die einzelnen Trauerphasen gemeinsam erarbeitet und besprochen werden. Belastungen durch Trauerfälle in der Coronazeit sollen in der Gruppe gemeinsam diskutiert und aufgearbeitet werden.

OnetzPlus
Weiden in der Oberpfalz14.06.2021
Service:

Wie komme ich zur Trauergruppe?

  • Kontakt: Ramona Kriegler, Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie, Telefon 0961/38931-63 oder E-Mail an seko.nopf[at]diakonie-weiden[dot]de
  • weitere Planungen, Veranstaltungszeiten und -orte nach Vorliegen von Interessentenmeldungen
  • Selbsthilfekontaktstelle gibt Hinweise auf überregionale Online-Kontaktgruppen für Angehörige von Verstorbenen in der Pandemiezeit
 
 

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