Der Flyer, den die Weidener Tafel auf die Schnelle zusammengeschustert hat, ist in verschiedenen Sprachen abgedruckt. Deutsch, Englisch, Arabisch, Französisch - und Ukrainisch. Die Botschaft ist dieselbe: Die Tafel hat Schwierigkeiten, den Bedarf an Lebensmitteln ihrer Kunden zu decken. "Wir müssen sparsam wirtschaften, weil wir nicht genügend Lebensmittel zur Verfügung haben", schreibt der Vorsitzende Josef Gebhardt. Deshalb gibt es ab dem 21. März neue Verkaufstermine. Statt wie sonst üblich an Montag, Mittwoch und Freitag können die bisherigen Tafel-Kunden nur noch montags und freitags Waren abholen. Denn: Der Mittwoch ist ab der kommenden Woche für die Flüchtlinge aus der Ukraine reserviert.
30 Familien aus der Ukraine haben sich bereits bei Gebhardt gemeldet. Das sind rund 100 Bedürftige. "Es ist zu erwarten, dass es in den nächsten Wochen noch mehr werden", schätzt der Tafel-Vorsitzende. Sie bekommen andersfarbige Abholzettel, so dass auch wirklich nur sie am Mittwoch zum Zug kommen. Bezahlen müssen die Ukrainer zunächst nichts, bis 30. April gilt das Tafel-Angebot für sie kostenlos und "ohne weiteren bürokratischen Aufwand". Daneben hat Gebhardts Team in den letzten Wochen "sehenden Auges, was auf uns zukommt" Kleidung, Schulsachen, Plüschtiere oder Haushaltswaren für die Ukrainer gesammelt.
Rund 200 Abholer an einem Tag
Läuft Gebhardt mit der Regelung Gefahr, Neid und Unfrieden unter den andern Kunden auszulösen? Sie bezahlen schließlich zwei bis drei Euro pro Abholung. "Es wird mit Sicherheit auch Ärger deswegen geben", glaubt Gebhardt. "Ich wäre aber an der falschen Stelle, wenn ich es deswegen nicht machen würde." Auch andere Kunden bekämen immer wieder kostenlose Rationen, wenn sie gerade kein Geld hätten. "Und was sollen wir machen? Die Flüchtlinge können keinen Bescheid vom Sozialamt vorlegen."
Hinzu kommt eine andere Schwierigkeit. Während die Zahl der Abholer gewaltig steigt, zuletzt auf rund 200 an einem Tag, verschlechtert sich das Angebot. Das ist jahreszeitlich bedingt. Über Weihnachten und Anfang des Jahres herrscht stets ein Überfluss. Es gibt reichlich Weihnachtsgebäck oder Wurstwaren. Darauf folgt im Februar und März ein Tal. "Normalerweise versuchen wir vorzubeugen, auch indem wir haltbare Lebensmittel in den großen Märkten sammeln." Das war wegen der Pandemie zwei Jahre lang nicht möglich. Die Tafel hält sich - und ihre Kunden - nur mit den Lebensmitteln über Wasser, die die Läden kurzfristig bereitstellen.
Dolmetscher gesucht
Absurd ist zudem, dass der Krieg in der Ukraine der Tafel doppelt wehtut. Einerseits nimmt die Zahl der Kunden zu. Gleichzeitig gehen viele Lebensmittelspenden, von denen die Tafel zehrt, nun in die Ukraine. So ergibt sich ein Ungleichgewicht. Hoher Bedarf bei geringem Angebot. In der freien Wirtschaft würde das eine steigende Inflationsrate bedeuten. Bei der Tafel heißt es: Stress, Ärger und im schlimmsten Fall Bedürftige, die ohne Lebensmittel heimgeschickt werden müssen. Das ist zum Teil schon der Fall. In der letzten Woche gab es am Freitag keine Joghurts mehr, das Obst- und Gemüseregal war nach der Hälfte der Ausgabezeit leer. "Wir haben alles zusammengekratzt, damit wir überhaupt was haben bis zum Ende", erinnert sich Gebhardt. Wurstwaren würden in zwei Wochen komplett fehlen.
"Viele glauben immer noch, die Tafel ist wie ein Lebensmittelladen, und da nehme ich mir das und das und das. Aber so ist es nicht. Wir sind immer auf den Überschuss bei Lebensmitteln, die nicht mehr verkauft werden können, angewiesen", erklärt Gebhardt und wirbt daher um Unterstützung und Spenden. Hilfreich wären auch Mitarbeiter, die Ukrainisch sprechen und so als Dolmetscher für die Flüchtlinge mithelfen könnten. So könnten die Mitarbeiter den Flüchtlingen immerhin erklären, wieso das Angebot derzeit so knapp ist.
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